DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN / Walter Fürst ¦
Der Schock sitzt noch immer tief. Nach den gestrigen Fehlentscheiden des Bundesrates ist ein Höhepunkt des Scheiterns erreicht.
Unter der Leitung des Bundesrates übergeht die Gesellschaft erneut die "Interessen" der vulnerablen Menschen in der Schweiz. Immerhin zwei Millionen Menschen, also rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Dazu kommen über eine Million Kinder, die ebenfalls noch über keinen Schutz verfügen. Die Schweizer Politik hat versagt und hat sich gestern erneut von ihrer schlimmsten Seite gezeigt. Ohne, dass die vielen Rufe, Hilferufe, Anregungen, Fragen, Warnungen, Hinweise, Studien, Beweise, Erfahrungswerte aus verschiedensten Richtungen und von verschiedenen Seiten gehört wurden, liess man es unkommentiert und ignorierte einfach alles. So z.B. auch viele Zivilgesellschaften. Eine davon ist "Kinder schützen - jetzt!". Wir baten die Organisation um eine Einschätzung und Stellungnahme zu den für viele Menschen fragwürdigen Entscheidungen des Bundesrates von gestern.
Stellungnahme von Edith Leibundgut - Kinder schützen – jetzt
Bedeutung der Öffnungen für Kinder und Jugendliche
"Das Wichtigste ist der Respekt vor unserem Gegenüber. Es kann und darf nicht sein, dass uns die Unversehrtheit unserer Mitmenschen nicht interessiert. In der Schweiz leben 2 Millionen vulnerable Menschen. Dazu gehören auch viele Kinder. Sie dürfen dem Virus nicht schutzlos ausgesetzt werden. Es ist gerade jetzt unumgänglich, dass wir Mitmenschlichkeit vorleben, indem wir sorgsam miteinander umgehen, uns schützen und Schutz ermöglichen.
Freiwilliges Maskentragen in Kitas, Kindergärten und Schulen sollte von Betreuungs- und Lehrpersonen erklärend unterstützt werden, damit Kinder, die eines besonderen Schutzes bedürfen, nicht gemobbt werden. Es ist eine Frage der Solidarität und Wertschätzung, wenn wir Menschen, die an schwerwiegenden Vorerkrankungen leiden, rücksichtsvoll begegnen. Dies können Erwachsene den Kindern erklären. Kinder verstehen das und nehmen gerne Rücksicht, denn sie wollen Teil der Lösung sein, das stärkt ihre Selbstwirksamkeit, ihre menschlichen Kompetenzen und damit auch ihre Psyche.
Oft gehören neben betroffenen Kindern und Jugendlichen auch Eltern oder Großeltern zu der Gruppe jener Menschen, welche mit besonderen Risiken belastet sind. Kinder wollen ihre liebsten Angehörigen schützen. Es darf nicht sein, dass Kinder und Jugendliche aufgrund von Rücksichten ihren Eltern und Grosseltern gegenüber von anderen Klassenkameraden ausgeschlossen oder herabgewürdigt werden.
Die Pandemie ist mit den Öffnungsschritten nicht vorbei. Schutz vor Erkrankung und psychische Gesundheit müssen bei der Entwicklung von Schutzkonzepten in Zukunft unbedingt zusammen gedacht werden. Der psychosoziale Stress ist für Kinder und Jugendliche seit Beginn der Pandemie in einer wichtigen Entwicklungsphase stark angestiegen. Hält dieser über einen längeren Zeitraum an, kann dies insbesondere in einem belasteten Umfeld schwerwiegende Folgen haben. Leider haben die Versorgungssysteme in unserem Land ihre Kapazitätsgrenzen längst überschritten. Es braucht deshalb rasch neue Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche aus belasteten Verhältnissen. Dazu könnten entsprechende niederschwellige Anlaufstellen in den Schulen vorübergehend eingerichtet werden. Dies muss schnell geschehen.
In Zukunft sollten junge Menschen in Entscheide, die ihren Schulalltag betreffen mit einbezogen werden. In Deutschland gibt es bereits aktive Gruppierungen, welche sich für adäquate Massnahmen im Umfeld der Schulen stark machen, ich hoffe, dass sich auch in der Schweiz entsprechende Gruppen bilden. Es liegt an den Behörden, diese adäquat mit einzubeziehen.
Durch erhöhte Infektionszahlen werden auch Long-Covid-Fälle nochmals zunehmen. Long-Covid betrifft gemäß Aussagen des BAG 20% der Infizierten. Diese schwerwiegende und langwierige Erkrankung wird uns noch lange gesundheits-, finanz- und gesellschaftspolitisch beschäftigen, daher braucht es neben Studien dringend eine zentrale Meldestelle, welche Daten sammelt und einordnet. Kinder sind zwar seltener betroffen, doch sie haben noch ein langes Leben vor sich. Es darf nicht sein, dass ihre Lebensperspektiven eingeschränkt werden."
Unsere Fragen blieben unbeantwortet
Unsere vielen Versuche, Informationen von Bundesrat und Departementen zu erhalten, scheiterten in den meisten Fällen. Anscheinend ist eine kleine Zeitung es nicht wert, gehört zu werden oder gestellte Fragen einer solchen beantwortet werden müssten. Das Bedürfnis der Aufhebung der Massnahmen scheint in einigen Kreisen gross gewesen zu sein. Anders ist der Jubel kaum zu erklären.
Ist die Pandemie damit vorbei? Nein, leider nicht, auch wenn diese Botschaft so unbeliebt ist wie eh und je. Entscheidend ist nicht allein, ob Massnahmen nun viel zu früh aufgehoben wurden, sondern auch, den Blick weiter nach vorn zu richten und aus gemachten Fehlern zu lernen. Leider ging dies in den letzten zwei Jahren mächtig in die Hosen. Nichts wurde gelernt, man nennt es dann einfach "situativ" handeln.
Es scheint auch offensichtlich, dass die Gesellschaft als Ganzes nicht mehr den Willen und die Kraft aufbringt, sich den Herausforderungen der Pandemie solidarisch und konstruktiv zu stellen. Auch wenn die aufgehobenen Massnahmen kaum merkliche Einschränkungen bedeutet haben, dafür aber bestmöglichen Schutz!
In den vergangenen Monaten haben insbesondere leider jene Menschen zu spüren bekommen, deren Interessen für die politische Entscheidungsfindung kaum noch von Belang sind, wie asozial die Gesellschaft aktuell wieder ist. Das sind Menschen, die auf Operationen angewiesen wären, Vorerkrankte, für die eine Infektion trotz der Impfstoffe eine besonders grosse Gefahr oder sogar eine unmittelbare Lebensgefahr darstellt. Kurz Vulnerable und Kinder. Für diese 3 Millionen Menschen geht niemand auf die Strasse. Es werden gleiche mehrere Artikel der Bundesverfassung mit Füssen getreten. Der Mensch ist nichts wert.
Wenn die Politik sehr hohe Inzidenzen zulässt, solange nur der Krankenhausbetrieb irgendwie läuft, bedeutet das für manche Menschen, dass sie wählen müssen zwischen vollständiger Selbstisolation und hohem persönlichen Risiko. Und selbst diese Wahl haben viele nicht, schliesslich haben Erwachsene einem Beruf nachzugehen und Kinder gehören eigentlich unter ihresgleichen. Dann aber noch die einzigen Massnahmen, die Schutz bringen, aufzuheben ist mehr als grotesk und ist mit nichts zu rechtfertigen.
Jetzt wäre es geboten, für kommende Corona-Wellen zu planen. All die zermürbenden Debatten von Impfungen bis Luftfilter, die wohl niemand mehr ertragen kann, sind noch kein Fall für den Mülleimer.
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