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Wahrer Antifaschismus und authentischer Feminismus: Jenseits von Parolen und Virtue Signaling

DMZ - BLICKWINKEL ¦ Matthias Walter

KOMMENTAR

Wahrer Antifaschismus und authentischer Feminismus sind nicht bloße Parolen, die sich bequem in die Rhetorik des Zeitgeistes einfügen, sondern transzendieren das Virtue Signaling, indem sie sich radikal der vollständigen Deutungshoheit von Unterdrückung verweigern. Sie fordern den Mut zur vollständigen Dekonstruktion aller faschistischen Mechanismen – egal, ob sie in vermeintlich progressiven oder autoritären Hüllen auftreten – und decken die strukturellen Gewaltverhältnisse auf, die in der Verachtung für das Andere wurzeln. Sie verstehen, dass wahre Gerechtigkeit nicht im selektiven Widerstand liegt, sondern in der bedingungslosen Konfrontation mit allen Formen von Herrschaft, die auf Exklusion und Entmenschlichung bauen. Sie sind nicht moralische Selbstdarstellung, sondern radikale Praxis der Universalität – weil sie weder Macht noch Identität entwerten, sondern sie in ihrer ureigenen, freien Entfaltung respektieren.

 

Individuelle Würde versus kulturelle Praxis: Menschenrechte und ihre Herausforderungen

Die universellen Menschenrechte sind ein Fundament der modernen Zivilisation, das auf dem Prinzip beruht, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem Aussehen, seinen Fähigkeiten oder seinen individuellen Eigenschaften, die gleiche Würde und Rechte besitzt. Diese Werte sind weltweit anerkannt und bilden die Grundlage von Demokratien, die sich zu Grundsätzen wie Gleichheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit bekennen. Doch in bestimmten Kulturen und politischen Systemen, insbesondere in autoritär geführten Ländern, werden diese Rechte systematisch verletzt. In vielen islamisch geprägten Ländern wird der Respekt vor Menschenrechten – insbesondere der Rechte von Frauen, Minderheiten und Dissidenten – durch tief verwurzelte gesellschaftliche und religiöse Normen infrage gestellt, die nicht nur diskriminierend sind, sondern häufig auch zu gewalttätigen und brutalen Praktiken führen.

 

1. Menschenrechtsverletzungen in autoritären islamischen Staaten

In Ländern wie dem Iran, Saudi-Arabien und Afghanistan sind systematische Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Frauen sind in vielen dieser Gesellschaften nicht nur rechtlich benachteiligt, sondern sehen sich auch brutalen Praktiken ausgesetzt. Besonders erschütternd sind die Fälle von Zwangsheiraten, bei denen Mädchen im Kindesalter, teils erst sechs Jahre alt, gegen ihren Willen verheiratet werden. In der Hochzeitsnacht erleben diese Mädchen, die oft körperlich noch nicht in der Lage sind, sexuelle Handlungen zu vollziehen, grausame Gewalt, wobei viele an den Folgen des ersten sexuellen Aktes sterben – innere Blutungen und körperliche Traumata sind häufige Todesursachen. Diese Formen der Gewalt sind nicht nur private Tragödien, sondern sie sind in vielen dieser Länder rechtlich geduldet oder gar staatlich sanktioniert.

 

Noch grausamer sind die staatlich legitimierten Strafen, die in einigen islamischen Staaten für die sogenannten "Verbrechen der Ehre" verhängt werden. In Ländern wie dem Iran, Saudi-Arabien und Pakistan werden Schwule öffentlich an Baukränen gehängt, während Frauen, die des Ehebruchs beschuldigt werden, mit Steinigungen brutal getötet werden. Diese Praktiken, die an Gräueltaten erinnern, sind nicht isolierte Vorfälle, sondern in vielen Ländern Bestandteil der staatlichen Rechtsprechung, die sich auf eine buchstäbliche Auslegung religiöser Schriften beruft. Diese Formen der Strafjustiz verstoßen nicht nur gegen internationale Menschenrechtsnormen, sondern werfen einen düsteren Schatten auf die Werte von Freiheit und Menschenwürde.

 

Weitere grausame Strafen, die in autoritären islamischen Regimen durchgesetzt werden, umfassen das Verätzen von Gesichtern mit Säure. Diese Gewaltakte sind eine furchtbare Methode, um Frauen für Verstöße gegen soziale Normen zu bestrafen, wie etwa die Ablehnung einer Heirat oder das Verlassen eines missbräuchlichen Ehemanns. In einigen Ländern werden Frauen auch durch öffentliche Prügelstrafen bestraft – ein weiteres Symbol für die brutale Unterdrückung. In Ländern wie dem Iran sind Anwältinnen, die gegen die Kopftuchpflicht kämpfen, mit jahrzehntelanger Kerkerhaft konfrontiert. Diese Frauen riskieren ihre Freiheit, um für die Rechte von Frauen und für die Abschaffung diskriminierender Gesetze zu kämpfen, nur um von der Staatsmacht brutal verfolgt zu werden. Solche Maßnahmen sollen nicht nur die Frauen selbst einschüchtern, sondern auch der gesamten Gesellschaft ein klares Signal senden: Wer gegen die bestehende Ordnung und die religiösen Vorschriften aufbegehrt, wird auf grausamste Weise bestraft.

 

2. Gewalt und Unterdrückung im Namen des Glaubens

In den von islamischen Autoritarismen geprägten Ländern wird die Religion zunehmend als Vorwand genutzt, um politische Kontrolle auszuüben und Gewalt zu legitimieren.

 

Extremistische Strömungen innerhalb des Islam berufen sich auf bestimmte Koranverse, die – aus ihrem historischen Kontext gerissen – als Rechtfertigung für Gewalt gegen Andersdenkende, Apostasie und die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten dienen. Versen wie: "Tötet die Ungläubigen, wo immer ihr sie findet!" (Sure 2, Vers 191) oder "Nicht ihr habt sie getötet, sondern Allah hat sie getötet." (Sure 8, Vers 17) sowie "Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt!" (Sure 47, Vers 4) sind traurige Beispiele für die religiösen Aufrufe zur Gewalt, die von extremistischen Gruppen zitiert werden.

 

Diese Verse, die in einem historischen Kontext entstanden, der von militärischen Auseinandersetzungen geprägt war, werden von fundamentalistischen Gruppen missbraucht, um Tötung und Verfolgung im Namen des Glaubens zu legitimieren. In Ländern, in denen solche Interpretationen der Religion vorherrschen, werden religiöse Minderheiten, wie etwa Christen, Atheisten und Andersdenkende, diskriminiert und verfolgt. Das Verlassen des Islam, die sogenannte Apostasie, wird in vielen dieser Länder mit der Todesstrafe bedroht. In einigen islamischen Ländern gibt es sogar Gesetze, die es den Bürgern verbieten, ihren Glauben zu ändern, und dafür drakonische Strafen vorsehen.

 

3. Systematische Unterdrückung von Frauen und Minderheiten

Die Unterdrückung von Frauen ist in vielen islamischen Ländern weit verbreitet und durchdringt nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Die rechtliche Ungleichstellung, das Verbot von Frauen, Auto zu fahren, die Pflicht, ein Kopftuch zu tragen, oder die mangelnde berufliche und politische Teilhabe sind nur einige Beispiele für die weitverbreitete Diskriminierung. Besonders erschütternd sind die Fälle von Ehrenmorden, bei denen Frauen für angebliche oder tatsächliche Vergehen gegen die gesellschaftliche Moral – wie unautorisierten Kontakt zu Männern oder die Ablehnung einer arrangierten Ehe – mit dem Leben bezahlt haben. In vielen dieser Länder bleibt solche Gewalt straflos oder wird im Rahmen von "Familienangelegenheiten" verharmlost.

 

Zudem sind Zwangsheiraten und Kinderehen in vielen dieser Gesellschaften weiterhin weit verbreitet. Mädchen werden oft im Kindesalter mit viel älteren Männern verheiratet, was zu gesundheitlichen Risiken, psychischen Traumata und einer lebenslangen Unterdrückung führt. Auch die Verhältnisse, die Frauen in den sogenannten "islamischen Paradiesen" wie Afghanistan oder Saudi-Arabien erleben, sind von patriarchalen Normen geprägt, die nicht nur ihre Freiheit einschränken, sondern ihnen auch grundlegende Menschenrechte verweigern.

 

4. Repression und Gewalt als politische Kontrolle

Der politische Islam hat nicht nur Auswirkungen auf das private Leben, sondern auch auf die Gesellschaft insgesamt. In autoritären islamischen Staaten wird Religion zunehmend als Werkzeug für die politische Kontrolle genutzt. Die Trennung von Religion und Staat, wie sie im Westen praktiziert wird, existiert in vielen dieser Länder nicht. Stattdessen sehen sich die Bürger einem System gegenüber, in dem religiöse Führer und politische Eliten miteinander verflochten sind.

 

In solchen Systemen werden Menschen, die sich gegen die Regierung oder den Status quo stellen, verfolgt, gefoltert und sogar ermordet. Dissidenten und Journalisten, die die Missstände anprangern, sehen sich oft staatlicher Gewalt ausgesetzt. Das Iranische Regime beispielsweise verfolgt und inhaftiert regelmäßig Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die Kritik an der Regierung üben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in vielen islamischen Ländern ein gefährlicher Akt, der mit schweren Konsequenzen verbunden ist.

 

5. Reformen und der Weg nach vorne

Obwohl die politische und soziale Realität in vielen islamischen Ländern von Unterdrückung und Gewalt geprägt ist, gibt es auch Bewegungen, die sich für Veränderung einsetzen. Intellektuelle wie Maajid Nawaz oder Frauenrechtlerinnen wie Ayaan Hirsi Ali und Seyran Ateş setzen sich für eine Reform des Islam ein, die den modernen, westlichen Werten wie Demokratie, Menschenrechten und Gleichberechtigung gerecht wird. Diese Bewegung zur Reform ist von großer Bedeutung, wenn die islamische Welt eine Zukunft haben möchte, in der Gewalt und Unterdrückung nicht mehr den Alltag bestimmen.

 

Die Herausforderung, vor der die westliche Welt steht, ist jedoch, wie mit diesen extremen Formen der Unterdrückung umgegangen werden soll, während gleichzeitig die Rechte des Individuums auf kulturelle und religiöse Selbstbestimmung gewahrt bleiben. Es ist unerlässlich, dass internationale Gemeinschaften, NGOs und politische Akteure weiterhin für die Rechte von Frauen, Minderheiten und Dissidenten eintreten und sich gegen Gewalt und Unterdrückung stellen, egal in welchem kulturellen Kontext sie stattfinden.

 

 

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Literatur:
Virtue Signaling und Rhetorik des Zeitgeistes:
Grandstanding: The Use and Abuse of Moral Talk
Autoren: Tosi, J., & Warmke, B.
Jahr: 2020
Verlag: Oxford University Press
APA: Tosi, J., & Warmke, B. (2020). Grandstanding: The use and abuse of moral talk. Oxford University Press.
Begründung: Das Buch behandelt, wie moralische Sprache oft zur Selbstdarstellung genutzt wird, was mit „Virtue Signaling“ korreliert.
Dekonstruktion faschistischer Mechanismen:
The Archaeology of Knowledge
Autor: Foucault, Michel
Jahr: 1972 (Original: 1969)
Verlag: Pantheon Books
APA: Foucault, M. (1972). The archaeology of knowledge (A. M. Sheridan Smith, Trans.). Pantheon Books.
Begründung: Foucault bietet eine Grundlage für die Dekonstruktion von Machtstrukturen, die hier auf Faschismus angewendet werden könnte.
Strukturelle Gewalt:
Violence: Six Sideways Reflections
Autor: Žižek, Slavoj
Jahr: 2008
Verlag: Picador
APA: Žižek, S. (2008). Violence: Six sideways reflections. Picador.
Begründung: Žižek analysiert strukturelle Gewaltformen, die in deinem Text als „Verachtung für das Andere“ beschrieben werden.
Zweiter Teil: „Individuelle Würde versus kulturelle Praxis“
Menschenrechtsverletzungen in autoritären islamischen Staaten
Allgemeine Menschenrechte:
Universal Declaration of Human Rights
Herausgeber: United Nations
Jahr: 1948
APA: United Nations. (1948). Universal Declaration of Human Rights. https://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/
Begründung: Grundlage für die Definition universeller Menschenrechte.
Zwangsheiraten und Kinderehen:
Child Marriage in the Middle East and North Africa
Herausgeber: UNICEF
Jahr: 2020
APA: UNICEF. (2020). Child marriage in the Middle East and North Africa. https://www.unicef.org/.../child-marriage-middle-east-and...
Begründung: Bericht über Kinderehen in Ländern wie Afghanistan und ihre gesundheitlichen Folgen.
Staatlich sanktionierte Gewalt (Steinigungen, Hinrichtungen):
World Report 2023: Iran
Herausgeber: Human Rights Watch
Jahr: 2023
APA: Human Rights Watch. (2023). World report 2023: Iran. https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/iran
Begründung: Dokumentiert Steinigungen und Hinrichtungen im Iran, z. B. von Homosexuellen.
Säureangriffe und öffentliche Bestrafungen:
Violence Against Women in Pakistan: A Report
Herausgeber: Amnesty International
Jahr: 2021
APA: Amnesty International. (2021). Violence against women in Pakistan: A report. https://www.amnesty.org/en/documents/asa33/4567/2021/en/
Begründung: Berichtet über Säureangriffe und Ehrenmorde in Pakistan.
Kopftuchpflicht und Haftstrafen:
Iran: Women’s Rights Defenders Defy Repression
Herausgeber: Human Rights Watch
Jahr: 2020
APA: Human Rights Watch. (2020). Iran: Women’s rights defenders defy repression. https://www.hrw.org/.../iran-womens-rights-defenders-defy...
Begründung: Dokumentiert den Fall von Anwältinnen wie Nasrin Sotoudeh, die wegen Protest gegen die Kopftuchpflicht inhaftiert wurden.
Gewalt und Unterdrückung im Namen des Glaubens
Koranverse und Interpretation:
The Qur’an
Übersetzer: Abdel Haleem, M. A. S.
Jahr: 2004
Verlag: Oxford University Press
APA: Abdel Haleem, M. A. S. (Trans.). (2004). The Qur’an. Oxford University Press.
Begründung: Primärquelle für die genannten Verse (Sure 2:191, 8:17, 47:4). Historischer Kontext kann durch Kommentare ergänzt werden.
Missbrauch religiöser Texte:
The Islamic Threat: Myth or Reality?
Autor: Esposito, John L.
Jahr: 1999
Verlag: Oxford University Press
APA: Esposito, J. L. (1999). The Islamic threat: Myth or reality? Oxford University Press.
Begründung: Analysiert, wie religiöse Texte von Extremisten missbraucht werden.
Apostasie und Todesstrafe:
Freedom of Religion, Apostasy and Islam
Autoren: Saeed, A., & Saeed, H.
Jahr: 2004
Verlag: Ashgate Publishing
APA: Saeed, A., & Saeed, H. (2004). Freedom of religion, apostasy and Islam. Ashgate Publishing.
Begründung: Behandelt die rechtliche Lage zur Apostasie in islamischen Ländern.
Systematische Unterdrückung von Frauen und Minderheiten
Ehrenmorde:
Honor Killings in the Twenty-First Century
Autor: Pope, N.
Jahr: 2012
Verlag: Palgrave Macmillan
APA: Pope, N. (2012). Honor killings in the twenty-first century. Palgrave Macmillan.
Begründung: Dokumentiert Ehrenmorde und deren Straflosigkeit.
Rechtliche Ungleichstellung:
Gender and Human Rights in Islam
Autor: Mir-Hosseini, Z.
Jahr: 2015
Verlag: I.B. Tauris
APA: Mir-Hosseini, Z. (2015). Gender and human rights in Islam. I.B. Tauris.
Begründung: Analysiert die rechtliche Stellung von Frauen in islamischen Ländern.
Repression und Gewalt als politische Kontrolle
Politischer Islam:
The Failure of Political Islam
Autor: Roy, Olivier
Jahr: 1994
Verlag: Harvard University Press
APA: Roy, O. (1994). The failure of political Islam. Harvard University Press.
Begründung: Erklärt die Verflechtung von Religion und Politik.
Verfolgung von Dissidenten:
Iran Human Rights Report 2022
Herausgeber: Amnesty International
Jahr: 2022
APA: Amnesty International. (2022). Iran human rights report 2022. https://www.amnesty.org/.../middle-east.../iran/report-iran/
Begründung: Dokumentiert die Repression gegen Journalisten und Aktivisten.
Reformen und der Weg nach vorne
Reformbewegungen:
Radical Reform: Islamic Ethics and Liberation
Autor: Ramadan, Tariq
Jahr: 2009
Verlag: Oxford University Press
APA: Ramadan, T. (2009). Radical reform: Islamic ethics and liberation. Oxford University Press.
Begründung: Diskutiert Reformansätze im Islam.
Frauenrechtsaktivistinnen:
Infidel
Autor: Hirsi Ali, Ayaan
Jahr: 2007
Verlag: Free Press
APA: Hirsi Ali, A. (2007). Infidel. Free Press.
Begründung: Autobiografisches Werk einer prominenten Reformkritikerin.

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