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NIH stoppt Finanzierung von Long-COVID-Forschung – Experten entsetzt

DMZ –  GLOBAL ¦ Sarah Koller ¦      

 

Die plötzliche Entscheidung der US-Gesundheitsbehörde NIH, die Mittel für mehrere Long-COVID-Studien im Rahmen des RECOVER-Programms zu streichen, sorgt für erhebliche Unruhe in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Betroffen sind 45 Forschungsprojekte, die darauf abzielten, die biologischen Mechanismen dieser komplexen Erkrankung besser zu verstehen. Viele dieser Studien standen kurz vor dem Abschluss, was die Streichung umso schwerwiegender macht.

 

Millionen für unvollendete Studien – „reine Geldverschwendung“

Megan Fitzgerald, selbst Long-COVID-Betroffene und aktiv in der Forschungsszene vernetzt, bringt die Frustration vieler Wissenschaftler auf den Punkt: „Die meisten der gestrichenen Studien hatten bereits umfangreiche Daten gesammelt. Dass die Analyse und Veröffentlichung nun ausbleiben, ist schlicht irrwitzig.“ Tatsächlich ist der Stopp ein finanzielles Desaster: Millionen US-Dollar wurden in diese Projekte investiert, doch ohne Auswertung bleiben die Erkenntnisse ungenutzt. Wissenschaftler sehen darin eine Verschwendung von Forschungsgeldern – und eine verpasste Chance für medizinische Fortschritte.

 

Kinderforschung abrupt gestoppt – Ungewissheit für Betroffene

Besonders betroffen sind Studien, die sich mit Long COVID bei Kindern und Jugendlichen befassen. Der renommierte Kinderarzt David Warburton von der Keck School of Medicine an der USC leitete zwei solcher Forschungsprojekte am Children’s Hospital Los Angeles. Eines untersuchte genetische Besonderheiten bei Long-COVID-Patienten, das andere kognitive Beeinträchtigungen wie „Brain Fog“ und Kreislaufprobleme bei jungen Menschen.

 

„Diese Kinder haben massive Schwierigkeiten in der Schule, können sich nicht konzentrieren und sind im Alltag eingeschränkt“, erklärt Warburton. „Wir standen kurz davor, herauszufinden, welche Faktoren eine Rolle spielen – und dann kam die Nachricht, dass die Finanzierung eingestellt wird.“ Die abrupten Kürzungen treffen die Forschung mitten in einem entscheidenden Moment und lassen Patienten und ihre Familien ohne dringend benötigte Antworten zurück.

 

Warum diese Forschung so wichtig ist

Long COVID stellt für Mediziner weiterhin ein Rätsel dar. Obwohl immer mehr Studien Hinweise auf mögliche Mechanismen liefern, fehlt es noch an einem klaren Biomarker – einem biologischen Indikator, der eine eindeutige Diagnose ermöglicht. Ohne diesen fehlen die Grundlagen für gezielte Therapien.

 

Pharmaunternehmen zögern daher, in die Entwicklung von Medikamenten zu investieren. Genau hier sollten Programme wie RECOVER ansetzen: „Diese Studien sollten uns zeigen, wie Long COVID den Körper verändert und wo wir ansetzen können“, erklärt Fitzgerald. „Ohne diese Forschung bleibt Long COVID ein blindes Feld für Ärzte und Patienten.“

 

US-Regierung setzt auf neue Prioritäten – auf Kosten der Forschung?

Hintergrund der Kürzungen sind politische Weichenstellungen: Das US-Gesundheitsministerium (HHS) begründet das Ende der Long-COVID-Finanzierung mit dem offiziellen Abschluss der Pandemie und verweist auf die Notwendigkeit, sich auf chronische Krankheiten insgesamt zu konzentrieren. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, dass Long COVID nicht explizit ausgeschlossen sei, jedoch keine Sonderstellung mehr genieße. Kritiker sehen darin ein gefährliches Signal.

 

Michael Z. Lin, Virologe an der Stanford University, hält die Entscheidung für einen gravierenden Fehler: „Es geht hier nicht nur um COVID, sondern um das grundsätzliche Verständnis postviraler Syndrome. Die Kürzungen betreffen nicht nur aktuelle, sondern auch zukünftige Patienten.“

 

Langfristige Folgen für Patienten und Wissenschaft

Die Auswirkungen der Entscheidung könnten weitreichend sein. Bereits jetzt fürchten Forscher den Verlust wertvoller Erkenntnisse, die in Medikamentenentwicklungen und klinische Behandlungen hätten einfließen können. Auch spezialisierte Long-COVID-Kliniken, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, könnten von weiteren Budgetkürzungen betroffen sein.

 

„Long COVID wird nicht verschwinden, nur weil die Regierung entscheidet, nicht mehr darüber zu sprechen“, warnt ein Arzt einer betroffenen Klinik. „Wir brauchen dringend fundierte Forschung, um den Menschen helfen zu können. Sonst bleibt ihnen nur die Hoffnung – und das ist kein Therapieansatz.“


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