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Straumanns Fokus am Wochenende - Der kleine Fritz

DMZ – POLITIK ¦ Dr. Reinhard Straumann ¦

KOMMENTAR

 

Bert Brecht, der sich nach dem Krieg im Osten Berlins niederliess und sich dort bewusst wurde, was es bedeutet, unter einem stalinistischen Regime zu leben, versuchte es mit Sarkasmus: «Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?»

 

Das war 1953, als das Volk gegen das SED-Regime aufstand. Im März 2025 hat die Realität die Satire eingeholt und ist selbst zur Satire geworden. Zwar kann selbst Friedrich Merz, der neueste Lügenbaron der deutschen Geschichte, das Volk nicht auflösen, aber immerhin konnte er dieser Tage die Vertretung des Volkes aussuchen, die ihm gerade passte. Nämlich jene, die ihm die Schuldenaufnahme in Billionenhöhe garantierte.

 

In Deutschland geht es zu wie im absurden Theater; ein Paradox jagt das nächste. Der Bundestag, der Friedrich März wählen soll (und leider Gottes bald wählen wird), der aus den Wahlen vom Februar hervorgegangen ist, war für den Frontalangriff auf die Schuldenbremse der falsche. Mit ihm war kein Staat zu machen nach der Façon Fritz’. Also trommelt er flugs den abgewählten zusammen, der dem «Sondervermögen» prompt zustimmte (nur nebenbei: seit wann sind Vermögen Schulden?).

 

Alles klar? Nein? Dann also nochmals, ganz langsam zum Mitschreiben:

 

Friedrich Merz hat einen Wahlkampf lang empört das Ansinnen der SPD von sich gewiesen, es sei dringend die Schuldenbremse zu lockern. Kommt nicht in Frage, befand er. Eine Billion nehme Deutschland jährlich ein, und das solle nicht reichen? Zu seinem Pech fiel das Wahlergebnis so aus, dass er (wegen der «Brandmauer» gegen die AfD, die er selbst hochgezogen hatte) gezwungen war, sich ausgerechnet mit der SPD koalitionsmässig ins Bett zu legen. Natürlich liess sich diese nur prostituieren (um im Bild zu bleiben…), wenn Merz sich das Vergnügen etwas kosten liesse. Was er umgehend tat: eine halbe Billion für Infrastruktur. Dafür hätte er aber nicht den abgewählten Bundestag gebraucht.

 

Denn natürlich ging es um etwas anderes. Die halbe Billion für Infrastruktur war (und ist) eine Mogelpackung. Sie wurde im Eiltempo aufs Tapet gehoben, weil sie an weitere Hunderte Milliarden für «Sicherheit» gekoppelt war, für Aufrüstung und zur Unterstützung der Ukraine, damit der Krieg weitergehen kann. Denn seit Trumps Telefonaten mit Putin besteht die akute Gefahr, dass unversehens der Frieden ausbricht.

 

Das ist aber noch nicht alles. Weil die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist, war für ihre Aufhebung eine Zweidrittelsmehrheit im Bundestag erforderlich. Dort sitzt aber eine spielentscheidend starke Fraktion von Grünen, über die Merz im Wahlkampf nichts als Hohn und Spott ausgegossen hatte. Jetzt sollten sie Merz’ Wunschpaket absegnen. Natürlich erkannten auch die Grünen ihre Chance. Sollten sie sich an der flotten Dreierparty beteiligen, dann würde das schon etwas kosten. Und siehe da, Sugardaddy gibt 100 Milliarden für Klimaschutz. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

 

Dafür kann Friedrich Merz jetzt Kanzler werden. Bravo! Natürlich müsse jetzt gespart werden, tönt er plötzlich staatsmännisch und ökonomisch, das Sondervermögen sei schliesslich kein Selbstbedienungsladen.

 

Aus der Gesamtsicht ergibt sich für den bürgerlichen Wähler das folgende Bild: Er wollte der Bundesrepublik mehr Drall nach rechts verpassen, wegen der Migration oder der darbenden Wirtschaft oder anderen Kalamitäten. Also wählte er CDU. Statt dass Merz aber mit der ideologisch verwandten AfD in Koalitionsgespräche gegangen wäre, verschanzt er sich hinter der Brandmauer und schluckte alle Bedingungen von SPD und Grün. Jetzt driftet Deutschland weiter nach links, als es unter der Ampel je möglich gewesen wäre. Die Schwächung des Euro ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen; sie wird die Inflation ankurbeln und Deutschlands Staatsquote von 67 auf über 90 Prozent jagen. Die BRD, einst Stabilitätsgarant Europas, taumelt den PIIG-Staaten hinterher, den Sorgenkindern der EU: Portugal, Irland, Italien, Griechenland... Wie das Bündnis jemals auferstehen soll, bleibt das Geheimnis von Friedrich Merz, Emanuel Macron und Ursula von der Leyen.

 

Merz hat vier politische Visionen. Erstens: Er will Kanzler werden. Zweitens: Er will unbedingt Kanzler werden. Drittens: Er will Kanzler werden, koste es, was es wolle. Viertens: Er will seinen Anteil an der Schnäppchenjagd seines früheren Arbeitgebers, BlackRock, im Ukraine-Ausverkauf. Deswegen nützt er Absatz zwei des Schuldendeals – «Sondervermögen» für «Sicherheit» – um den Krieg weiter zu alimentieren. Wie immer helfen ihm die Medien nach Kräften. Das Menetekel vom bevorstehenden Angriff Putins auf Europa wird unablässig an alle Wände geschmiert, die sie nur finden können.

 

Kann man den Wähler (der Ausdruck ist grob, aber ich finde keinen passenderen) schlimmer verarschen? Kann man schamloser und hinterhältiger lügen als Friedrich Merz?

 

Der grosse englische Staatstheoretiker und politische Philosoph Edmund Burke (gestorben 1797), der den modernen politischen Konservatismus begründete und dessen Weitsicht und moralische Integrität ihn zum Vorbild jedes Christdemokraten machen müssten, hat eine eigene Vorstellung vom Gesellschaftsvertrag entwickelt. Er bezeichnete ihn als einen «Vertrag der Toten mit den Lebenden und den noch nicht Geborenen». Hat Merz je darüber nachgedacht, welches seine Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen ist? Kaum. Lieber türmt er sein Lügengebirge weiter auf mit Gelaber von Freiheit, Demokratie und westlichen Werten. Je grösser es wird, desto kleiner erscheint der 196 Zentimeter lange Fritz. Er schrumpft bis zur Kenntlichkeit. Zum Vorschein kommt ein nichtswürdiger Zwerg.

 

 

 

 

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Seit 2020 können Sie in der „DMZ“ Woche für Woche die Kommentare von Dr. Reinhard Straumann verfolgen. Seine Themen reichen von Corona über amerikanische Außen- und schweizerische Innenpolitik bis hin zur Welt der Medien. Dabei geht Straumann stets über das hinaus, was in den kommerziellen Mainstream-Medien berichtet wird. Er liefert Hintergrundinformationen und bietet neue Einblicke, häufig mit Verweisen auf Literatur und Philosophie.

 

Dr. Reinhard Straumann ist Historiker und verfügt über das nötige Fachwissen. Als Schulleiter an einem kantonalen Gymnasium hat er sich zudem jahrzehntelang für die politische Bildung junger Menschen engagiert. Wir freuen uns, dass Reinhard Straumann regelmäßig zum Wochenende einen festen Platz in der DMZ unter dem Titel „Straumanns Fokus am Wochenende“ hat.

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