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Dübendorf, St. Gallen und Thun – Die Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere» verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Überschüssiges CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Baumaterialien wie Beton zu speichern. Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) zeigen nun, dass dieses Konzept ein enormes Potenzial birgt. Nach ihren Berechnungen könnten jährlich fünf bis zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Betonzuschlagstoffe eingebunden werden. Dies würde ausreichen, um das derzeitige CO₂-Übermaß innerhalb eines Jahrhunderts auf ein klimaverträgliches Niveau zu senken.
Das Ziel: Zurück zu den Werten von 1988
Die CO₂-Konzentration auf das Niveau von 350 ppm («parts per million») zu reduzieren, wie es zuletzt 1988 gemessen wurde, ist eine gewaltige Aufgabe. Um dies zu erreichen, müssen rund 400 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – das entspricht etwa 1.500 Milliarden Tonnen CO₂ – aus der Atmosphäre entfernt werden. Forschende der Empa haben nun berechnet, dass diese Menge durch innovative Nutzung von Baumaterialien wie Beton gebunden werden könnte.
«Unsere Berechnungen setzen voraus, dass nach 2050 genügend erneuerbare Energie zur Verfügung steht, um das energieintensive Entfernen von CO₂ aus der Atmosphäre zu ermöglichen», erklärt Pietro Lura, Leiter der Empa-Abteilung für Beton und Asphalt. In der Initiative geht es nicht nur um die Speicherung, sondern auch um die Nutzung von CO₂ als wertvollen Rohstoff.
Beton als Schlüsselmaterial
Überschüssige erneuerbare Energie wird genutzt, um CO₂ in Methan oder Methanol umzuwandeln. Diese können zu Polymeren, Wasserstoff oder festem Kohlenstoff weiterverarbeitet werden. Beton scheint dabei besonders geeignet, da er große Mengen Kohlenstoff aufnehmen kann.
«Die weltweit benötigte Menge an Baumaterialien übersteigt die Menge des zu entfernenden Kohlenstoffs bei weitem», erklärt Lura. Allerdings bleibt die Herausforderung bestehen, Kohlenstoff schnell und effizient in Beton einzubringen, ohne dessen Eigenschaften zu verschlechtern.
Im Vergleich zu unterirdischen Speichermethoden bietet der Ansatz der «atmosphärischen Mine» Vorteile wie langfristige Stabilität, hohe Speicherdichte und dezentrale Umsetzbarkeit. Zusätzlich können traditionelle, CO₂-emittierende Baustoffe durch kohlenstoffreiche Alternativen ersetzt werden.
Wie lange dauert die CO₂-Entfernung?
Bei optimaler Nutzung könnte Beton jährlich bis zu zehn Gigatonnen Kohlenstoff speichern – allerdings erst nach 2050, wenn ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Neben den 400 Gigatonnen überschüssigem Kohlenstoff müssten bis 2100 auch weitere 80 Gigatonnen aus unvermeidbaren Emissionen entfernt werden. Je nach Szenario könnte das CO₂-Niveau in 50 bis 150 Jahren auf die angestrebten 350 ppm gesenkt werden.
Ein Schüsselmaterial dafür ist Siliziumkarbid, das Kohlenstoff dauerhaft bindet und hervorragende mechanische Eigenschaften besitzt. Allerdings ist die Herstellung extrem energieintensiv. «Eine Kombination aus porösem Kohlenstoff und Siliziumkarbid könnte die effizienteste Lösung darstellen», so Lura.
Ein neues Wirtschaftsmodell
Die Initiative «Mining the Atmosphere» zielt darauf ab, ein globales Wirtschaftsmodell zu schaffen, das CO₂ als Rohstoff nutzt. Dabei sollen kohlenstoffreiche Materialien mehrfach recycelt und schließlich sicher deponiert werden. Synthetisches Methan könnte zudem als Energiespeicher dienen und saisonale Versorgungslücken ausgleichen.
Die Umsetzung erfordert jedoch weitere Fortschritte in der Materialforschung und Prozessentwicklung sowie wirtschaftliche Anreize und regulatorische Rahmenbedingungen. Nur so kann eine CO₂-bindende Gesellschaft Wirklichkeit werden.
Herausgeber
Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
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