Steuerdebatten führen in Deutschland zuverlässig ins Nichts

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦       

KOMMENTAR

 

Nun gibt es im deutschen Wahlkampf mal wieder eine Steuerdebatte. Die spielt nicht ganz die Rolle wie damals bei dem „Professor und dem Bierdeckel“, aber sie geht natürlich wie immer schief. Zentral ist erneut eine „Gerechtigkeitsdebatte“ mehr.

 

Es ist interessant, was dabei alles geäußert wird. Die Rente und das Ersparte stammen aus versteuertem Einkommen. Das darf man nicht noch mal besteuern. Ohnehin Unfug, es werden die Erträge besteuert. Ist trotzdem unfair, das sauer Ersparte wird schon durch Inflation aufgefressen. Auch Unfug, denn klug angelegt, passiert das Gegenteil und wer die Inflation bei der Steuer besser berücksichtigt haben will, sollte sich eher fragen, warum die vielen Freibeträge, insbesondere der im Einkommensteuertarif nicht inflationiert werden. Eine Vermögensteuer geht gar nicht, das ist eine Substanzsteuer auf das sauer aus versteuertem Einkommen Ersparte.

 

Aha.

 

Dass unsere Arbeitsleistung besteuert wird, ist aber in Ordnung. Dass der Konsum von Brot besteuert wird, ist in Ordnung. Dass Grundflächen besteuert werden und das auf Mieten umgelegt wird, ist in Ordnung. Aber Kapital oder Erträge daraus sind sakrosankt.

 

Unfug.

 

Gerechtigkeitsdebatten über Steuersysteme sind sinnlos. Die Besteuerung hat die Balance zu wahren und die Tragfähigkeit der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Das ist also eine Frage der Verteilung in der Gesellschaft. Ob der Staat dafür die Tiefe des Nasenbohrens oder die Dicke von Schuhsolen besteuert, ist egal. Ferner muss die Besteuerung effizient sein. Sie soll es dem Staat ermöglichen, die Steuern entweder durch (notwendige!) staatliche Leistungen oder durch (sozial notwendige!) Umverteilung an die Gesellschaft wieder zurück zu geben. Dazu muss der Aufwand für die Erhebung der Steuer in einem effizienten Verhältnis zum Aufkommen stehen. Weiter muss die Besteuerung transparent und gleichberechtigt durchsetzbar sein. Jeder Steuerpflichtige muss es inklusive seiner Gestaltungsmöglichkeiten verstehen, der Staat muss die Steuerpflichten gleichberechtigt erkennen und heranziehen. Wenn das nicht gewahrt ist, wird eine Steuer ungerecht. Schließlich und wesentlich muss eine Steuer ökonomisch funktionieren. Wenn sie in der Gesellschaft oder der Ökonomie Folgen hat, die im Privatsektor und in der Folge letztlich beim zukünftigen Steueraufkommen höhere Schäden als ihr Aufkommen erzeugt, ist sie kontraproduktiv.

 

Betrachtet man diese Voraussetzungen, kann man viel kritisieren. In Deutschland werden Arbeitsleistungen und Konsum, der überwiegend wiederum aus Arbeitsleistung finanziert wird, überproportional und Besitztümer unterproportional besteuert. Ferner werden dabei untere bis mittlere Einkommen überproportional belastet. Eine Kapitalrücklage für kommende Lasten gibt es nirgendwo. Die wird weder staatlich gebildet, noch wird das private Vermögen als Steuerbasis relevant herangezogen. Das funktioniert in einer alternden Gesellschaft nicht und in einer mit wachsender Automatisierung ebenfalls nicht. Dieses auf allen Ebenen umlagenfinanzierte System mit Arbeitsleistung als Quelle ist nicht zukunftsfähig.

 

Eine Reform dieses Systems ist dringend erforderlich. Die Ertragsteuern müssen runter (will die eine Seite nicht), die Vermögensteuern müssen hoch (will die andere Seite nicht). Dabei sind viele Steuern (große Unternehmen, große Einkommen, große Vermögen) aufgrund des globalen Steuerwettbewerbs nicht effizient, nicht transparent, nicht durchsetzbar. Das ist nicht gut, nicht fair, nicht gerecht – und nicht zu ändern.

 

Mit „Gerechtigkeitsdebatten“ wird kein Politiker ein Mandat erhalten, das zu ändern. Die tiefere Ursache liegt in der Gesellschaft selbst. Es gibt Gründe, weshalb seit dem „Professor mit dem Bierdeckel“ niemand mehr in Wahlkämpfen genau dieses heiße Thema angefasst hat. Das dürfte auch jetzt wieder schief gehen, zumal alles, was da vorgelegt wird, verkürzt und unsystematisch ist.


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