AT: Produktivitätsbericht 2024 fordert dringende Reformen für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Österreichs

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner

 

Wien – Der Produktivitätsrat hat in seinem jüngst vorgelegten Bericht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Österreichs dringende Reformen gefordert. Der Bericht, der dem Parlament übermittelt wurde, analysiert die Herausforderungen und Chancen der österreichischen Wirtschaft und plädiert für Maßnahmen, die nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in Zeiten der Transformation und Rezession fördern sollen.

 

Zu den zentralen Empfehlungen des Berichts gehören ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem, der Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie die Förderung von Digitalisierung und energetischer Transformation in Wirtschaft und Industrie. Der Produktivitätsrat hebt zudem die Bedeutung einer strategischen Arbeitsmarktpolitik hervor, die den Zugang zu Bildung für alle Bevölkerungsgruppen fördert, die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen stärkt und eine effiziente Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften ermöglicht.

 

Arbeitskräftemangel als größtes Hindernis für Wachstum

Der Bericht des Produktivitätsrats zeigt eine alarmierende Bilanz auf: Trotz einer Wirtschaftsleistung pro Kopf, die 2023 22% über dem EU-Durchschnitt lag, hat Österreich die Folgen der Krisen seit 2020 stärker zu spüren bekommen als viele seiner europäischen Nachbarn. Besonders die Verlangsamung des Produktivitätswachstums seit der Finanzkrise 2008 und die steigenden Produktionskosten beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportwirtschaft.

 

In seinem Vorwort betont Ratsvorsitzender Christoph Badelt, dass Österreichs Wirtschaft an einem „Scheideweg“ stehe. Die steigenden Arbeits- und Energiekosten sowie der zunehmende Arbeitskräftemangel seien die größten Herausforderungen. Angesichts der notwendigen Investitionen in grüne Transformation und Digitalisierung – die durch die derzeitige Rezession und die angespannte Budgetlage erschwert werden – fordert Badelt „sofortige Reformen und Zukunftsinvestitionen“, um die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften des Landes zu sichern.

 

Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials und Zuwanderung als Lösungsansätze

Der demografische Wandel stellt eine erhebliche Herausforderung für den Arbeitsmarkt dar. Der Bericht warnt, dass das Verhältnis zwischen der erwerbsfähigen Bevölkerung und der Gruppe der über 65-Jährigen von derzeit 3:1 auf 1,8:1 im Jahr 2060 sinken wird. Um das Produktivitätswachstum zu sichern, plädiert der Produktivitätsrat dafür, ältere Arbeitskräfte länger im Erwerbsleben zu halten – unter der Voraussetzung, dass altersgerechte Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

 

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Der Bericht weist darauf hin, dass Migration ein entscheidender Faktor für die Stabilisierung des Arbeitskräfteangebots und die Abfederung des Fachkräftemangels ist. Es wird empfohlen, die Anerkennung ausländischer Qualifikationen zu erleichtern und die Zuwanderungspolitik stärker auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurichten.

 

Um die Vollzeitbeschäftigung von Menschen mit Betreuungspflichten zu fördern, fordert der Produktivitätsrat zudem den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr als integrativen Schritt.

 

Digitalisierung und Finanzierungsreform als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit

Der Produktivitätsrat sieht die Digitalisierung als einen entscheidenden Hebel zur Stärkung der Unternehmensdynamik. Ein schneller Ausbau der Breitbandinfrastruktur soll Unternehmen dabei unterstützen, digitale Technologien zu nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Gleichzeitig fordert der Rat eine Reform der Unternehmensfinanzierung, um die stark auf Bankkredite ausgerichtete Finanzierungsstruktur zu diversifizieren. Der Bericht hebt hervor, dass Österreich im internationalen Vergleich eine geringe Marktkapitalisierung seiner Unternehmen aufweist. Besonders die Nutzung von Risikokapital zur Finanzierung innovativer Start-ups und technologieintensiver Unternehmen bleibt hinter den Erwartungen zurück.

 

Energiewende für eine leistbare und nachhaltige Energieversorgung

Ein weiteres zentrales Thema des Berichts ist die Energiewende. Der Produktivitätsrat fordert einen beschleunigten Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien sowie eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren. Dies sei notwendig, um die heimischen Elektrizitätspreise von den volatilen Preisen für Erdgas und Kohle zu entkoppeln und eine kostengünstige, CO2-neutrale Energieversorgung sicherzustellen.

 

Für den Netzausbau empfiehlt der Produktivitätsrat eine verursachergerechte Lastenteilung, bei der öffentliche Förderungen zum Tragen kommen sollen, um zu verhindern, dass eine Erhöhung der Nutzungsentgelte die Energiepreise übermäßig steigen lässt. Zudem mahnt der Produktivitätsrat eine rasche rechtliche Klärung für die Nutzung von Technologien zur CO2-Speicherung (Carbon Capture and Storage), um den Industriestandort Österreich langfristig konkurrenzfähig zu halten.

 

Fazit: Dringende Reformen notwendig

Der Produktivitätsbericht 2024 verdeutlicht, dass Österreich vor entscheidenden Herausforderungen steht, die nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Landes betreffen, sondern auch dessen soziale und wirtschaftliche Stabilität. Die vorgeschlagenen Reformen, die von der Förderung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitskräfte über die Digitalisierung bis hin zur Energiewende reichen, sind notwendig, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und das Wachstum in den kommenden Jahren zu fördern. Es bleibt abzuwarten, ob die politischen Entscheidungsträger die Dringlichkeit dieser Empfehlungen erkennen und die notwendigen Maßnahmen zügig umsetzen werden.

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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