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Familiennetzwerke als Haupttreiber der Pandemie: Neue Studie beleuchtet zentrale Rolle von Haushaltskontakten

DMZ –FORSCHUNG ¦ Anton Aeberhard

 

Eine Studie, die die Übertragungsdynamik von COVID-19 in den Niederlanden untersucht, hebt die zentrale Rolle von Familiennetzwerken bei der Verbreitung des Virus hervor. Die Forschung, veröffentlicht unter dem Titel „Assessing COVID-19 transmission through school and family networks using population-level registry data from the Netherlands“, zeigt, dass familiäre Kontakte weitaus bedeutender für die Virusübertragung sind als Schulkontakte.

 

Netzwerkanalysen als Schlüssel zur Pandemieeinschätzung

Die Untersuchung baut auf den Fortschritten netzwerkbasierter Epidemiemodelle auf, die während der Pandemie immer wichtiger wurden. Diese Modelle berücksichtigen komplexe soziale Strukturen, um präzisere Vorhersagen über Infektionsverläufe und Übertragungswege zu ermöglichen. Frühere Studien zu SARS-CoV-2 und Influenza wiesen bereits auf die Bedeutung von Schulen als Verbindungsstellen zwischen Haushalten hin. Doch auch die Erkenntnis, dass Haushaltsübertragungen weitaus dominanter sind, setzt sich zunehmend durch.

 

Fokus auf die Übergangsphase von Grund- zu Sekundarschulen

Die Studie analysiert die Verbreitungsdynamiken unter niederländischen Schülern, die 2021 von der Grund- in die Sekundarschule wechselten. Durch den Vergleich von Schülergruppen, die entweder dieselbe Schule besuchten oder getrennt wurden, konnte die relative Bedeutung von Schul- und Familienkontakten differenziert bewertet werden.

 

Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer zeitlich assoziierten Infektion bei Schülern, die dieselbe Schule besuchen, lediglich von 0,5 % auf 1,6 % ansteigt. Im Vergleich dazu liegt die Wahrscheinlichkeit für Familienmitglieder, die im selben Haushalt leben, bei 25–50 %. Auch Familienmitglieder, die getrennt wohnen, zeigten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von etwa 10 %.

 

Schulübertragungen unter wirksamen Maßnahmen gering

Die Ergebnisse stimmen mit früheren Studien überein, die zeigen, dass Übertragungen in Schulen gering bleiben, wenn Schutzmaßnahmen wie Luftfilterung, physische Distanzierung und schnelle Isolierung von Infizierten umgesetzt werden. In Australien und Wales beispielsweise wurden trotz einzelner Infektionsfälle in Schulen keine erhöhten Übertragungsraten bei Schülern oder Lehrkräften festgestellt.

 

Familien als Haupttreiber

Die Analyse unterstreicht die dominierende Rolle von Haushalten und Familien bei der Virusübertragung. Besonders enge und häufige Kontakte in Haushalten führen zu höheren Sekundärübertragungsraten. Für Zwillinge, die im selben Haushalt leben, stieg die Infektionswahrscheinlichkeit von 33 % (bei unterschiedlichen Schulen) auf bis zu 50 %, wenn beide dieselbe Schule und denselben Bildungsgang besuchten.

 

Unterschiede zwischen Schulen und Regionen

Die Untersuchung analysierte auch Unterschiede zwischen Schulen und Gemeinden. Faktoren wie die Größe der Schule, die Konfession oder das durchschnittliche Einkommen im Schulumfeld erklärten nur 3 % der Gesamtvarianz der Übertragungen. Der Großteil der Unterschiede lag auf individueller Ebene (60 %) und auf Schulebene (35 %).

 

Schlussfolgerungen für die Pandemiepolitik

Die Ergebnisse der Studie liefern wertvolle Erkenntnisse für die Gestaltung von Maßnahmen zur Eindämmung von Pandemien. Während Schulschließungen zur Vermeidung von Übertragungen nur begrenzten Nutzen zeigen, unterstreichen die Daten die Notwendigkeit, Haushaltsübertragungen gezielt anzugehen. Effektive Teststrategien, klare Informationskampagnen und Unterstützung für Haushalte mit infizierten Personen könnten hier zentrale Bausteine sein.

 

Die Untersuchung zeigt einmal mehr, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung sozialer Netzwerke für das Verständnis von Epidemien ist – und wie Familienbindungen im Pandemiegeschehen stärker in den Fokus rücken sollten.

 

 

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