DMZ – GESUNDHEIT ¦ A. Aeberhard
KOMMENTAR
Die weltweiten Fortschritte in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten durch Impfungen stehen momentan auf der Kippe. Experten warnen vor alarmierenden Impflücken, insbesondere bei grundlegenden Impfungen für Kinder. Trotz der historischen Erfolge, die Impfungen im Schutz vor Masern, Polio und Diphtherie erzielt haben, zeigen aktuelle Daten, dass immer mehr Kinder in Deutschland nicht den vollständigen Impfschutz erhalten.
Aktuelle Impfquoten und ihre Bedeutung
Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) sind in Deutschland nur 21 Prozent der Einjährigen gegen Polio vollständig geimpft, obwohl die Grundimmunisierung bis zum ersten Lebensjahr abgeschlossen sein sollte. Bei Kindern im Alter von zwei Jahren ist lediglich etwa 77 Prozent vollständig geschützt. Besonders bedenklich sind die niedrigen Quoten bei Diphtherie: Nur 64 Prozent der Kinder im Alter von 15 Monaten (Geburtsjahr 2021) erhielten die vollständige Immunisierung. Die Masernimpfung, eine der bekanntesten Standardimpfungen, erreichen zwar rund 77 Prozent der Zweijährigen, doch auch hier liegt die zweite Impfung oft außerhalb der empfohlenen Frist.
Ein Rückgang der Impfbereitschaft könnte fatale Folgen haben, wie die rasante Ausbreitung von Masern in den letzten Jahren zeigt. Im Jahr 2023 registrierte das RKI 636 Masernfälle, ein dramatischer Anstieg im Vergleich zu den Jahren 2021 (15 Fälle) und 2022 (79 Fälle). Solche Entwicklungen verdeutlichen, wie schnell eine Rückkehr alter Krankheiten erfolgen kann, wenn die Durchimpfungsraten sinken.
Ursachen für die Impflücken
Die Gründe für diese besorgniserregende Entwicklung sind vielfältig. Einerseits gibt es eine zunehmende Skepsis gegenüber Impfungen, die nicht nur durch die Corona-Pandemie genährt wurde, sondern auch durch die gezielte Verbreitung von Fehlinformationen in sozialen Medien. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Reinhard Berner, erklärt, dass die weitgehende Eliminierung vieler gefährlicher Krankheiten die Wahrnehmung ihrer Bedrohung verringert habe. Viele Menschen, vor allem jüngere Generationen, wissen nicht mehr, wie gravierend Erkrankungen wie Diphtherie oder Polio sein können.
Zudem sind bestimmte Bevölkerungsgruppen schwer erreichbar. Besonders betroffen sind Familien mit Migrationshintergrund, niedrigem Bildungsniveau oder ohne festen Zugang zu einem Hausarzt. In diesen Gruppen ist der Impfschutz häufig unvollständig oder verspätet. Berner betont, dass Standardimpfungen bei Babys zwar im Durchschnitt durchgeführt werden, jedoch häufig zu spät – gerade in einem Alter, in dem viele dieser Krankheiten besonders gefährlich sind.
Pandemie als Katalysator
Ein weiterer Faktor, der die Impfraten beeinträchtigt hat, ist die Corona-Pandemie. Die Verunsicherung und die allgemeine Skepsis gegenüber Impfungen, die während der Krise wuchs, hat auch die Bereitschaft, sich gegen andere Krankheiten zu impfen, negativ beeinflusst. Die Pandemie hat nicht nur das Vertrauen in Impfstoffe belastet, sondern auch die Infrastruktur zur Durchführung von Impfungen in vielen Ländern beeinträchtigt.
Fachleute schlagen Alarm
Gesundheitsexperten und Fachorganisationen warnen unisono vor den langfristigen Folgen dieser Entwicklung. Markus Beier, Vorsitzender des Hausärzteverbandes, verweist darauf, dass die Impfung gegen Kinderkrankheiten eine der effektivsten Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellt. Ein Rückgang der Impfquoten könnte nicht nur die Verbreitung von Krankheiten wie Masern und Diphtherie begünstigen, sondern auch die Entstehung neuer Ausbrüche, die in früheren Jahren fast ausgerottet schienen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) und das Robert-Koch-Institut (RKI) arbeiten daher kontinuierlich daran, die Bevölkerung über die Notwendigkeit von Impfungen aufzuklären. Doch die Verantwortlichen wissen, dass diese Aufgabe zunehmend schwieriger wird, da die Gefahren vieler Krankheiten nicht mehr unmittelbar sichtbar sind.
Fazit: Impfungen bleiben unerlässlich
Trotz der Herausforderungen, die die Impfkampagnen derzeit zu bewältigen haben, bleibt der Schutz durch Impfungen eine der wirksamsten und sichersten Maßnahmen zur Verhinderung von Infektionskrankheiten. Ohne einen ausreichenden Impfschutz drohen weltweit erneute Ausbrüche, die gerade die verwundbarsten Teile der Gesellschaft gefährden würden. Die aktuelle Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, das Vertrauen in Impfungen wieder zu stärken und die Impfquoten auf einem sicheren Niveau zu halten, um die Bevölkerung nachhaltig vor vermeidbaren Krankheiten zu schützen.
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