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Es gibt keinen Grund, den „Höchststand“ des DAX zu feiern

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦    

KOMMENTAR

 

Die Höchstwerte des DAX werden gefeiert. Ausnahmsweise mal ein Höchststand, den alle gut finden. Bei anderen Daten – Schuldenstand, Steueraufkommen, Bundeshaushalt – gilt das für viele als große Katastrophe. Der Michel und sein Umgang mit exponentiellen Trends.

 

Bewerten wir den DAX, so ist zunächst zu erwähnen, dass er die eher seltene Form eines Performanceindex ist. Man könnte es auch einen Trick nennen, sofern man dazu erwähnt, dass nicht ganz zufällig der DAX gerne mit Kursindizes verglichen wird. Wer die Konzepte nicht kennt: Ein Performanceindex basiert auf einer virtuellen Methode, bei der alle Ausschüttungen, insbesondere also Dividenden, als Wiederanlage berechnet werden.

 

Während der Kurs einer Aktie bei einer Dividende zunächst real sinkt – weil das Unternehmen einen Teil seines Vermögens an die Aktionäre auszahlt – wird diese Ausschüttung als virtueller Kauf dem Index wieder hinzugerechnet. So ein Index hat folglich mit dem Kursverlauf an der Börse irgendwann nichts mehr zu tun!

 

Der Index soll – angeblich – den Vermögensverlauf des Aktionärs abbilden, der unstrittig auch durch die Dividenden stattfindet. Ob das so methodisch gut abgebildet ist, darf man eher bezweifeln. Das findet real wohl allenfalls dann statt, wenn man einen akkumulierenden ETF hält, der genau dieses Anlageverhalten tatsächlich durchführt. Insbesondere in Deutschland hat sich diese virtuelle Berechnungsmethode jedoch durchgesetzt, sie wird auch für alle Fondsprodukte eingesetzt. Die Performance-Vergleiche von Investmentfonds werden also genauso gerechnet. Wer so ein Produkt besitzt, sollte also bei einem ausschüttenden Fonds nicht davon ausgehen, dass der Wert seiner Fonds durch diese Performance abgebildet wird. Nach Steuern stimmt das übrigens ohnehin nicht mehr, egal, wie man sich als Anleger verhält oder welche Art von Fonds man besitzt.

 

International dominieren Kursindizes, S&P, Dow in den USA, FT, CAC in Europa, Nikkei in Japan – alles Kursindizes. Diese basieren also auf den reinen Kurswerten an den Börsen, Dividenden verschwinden bei der Wertentwicklung. Natürlich wird der Vermögensverlauf der Aktionäre damit auch nicht korrekt abgebildet, aber der Wert der Unternehmen hingegen schon, was für einen Börsenindex auch richtig so ist. Ich persönlich empfehle für die Bewertung des eigenen Vermögensverlauf schlicht, eben diesen zu bewerten. So einfach ist das. Performanceindizes jeder Art, vom DAX bis zu den methodisch unvergleichbaren Fonds-Rankings sind aus meiner Sicht indifferente Nebelstatistik. Das sind alles statistischen/methodisch unvergleichbare Daten, bei denen man oft absichtliche Intransparenz vermuten darf.

 

Was unstrittig gar nicht geht: Wer den Wert von Unternehmen vergleichen will, kann keinen Performanceindex gegen einen Kursindex halten. Das muss man auch nicht tun, denn es gibt für alle großen Indizes der Welt beide Varianten, auch für den DAX. Wer also in den Medien oder in den vielen YouTube-Finanzkanälen Vergleiche von DAX mit den S&Ps dieser Welt sieht, sollte sehr skeptisch werden. Entweder weiß der jeweilige Herausgeber nicht, was er tut oder er will sein Wissen nicht verwenden, um kompetent zu informieren.

 

Bezogen auf die Wertentwicklung der deutschen Unternehmen, sieht die Entwicklung leider desolat aus, es gibt schlicht genau gar nichts zu feiern, sondern nur zu kritisieren. Das gilt nicht für Einzelunternehmen, aber für die Gesamtheit. Das hatte ich kürzlich für die derzeit so politisch aufgeladene Diskussion über die Automobilindustrie klar gestellt, aber es trifft auf die Gesamtheit unserer Unternehmen leider auch zu. Dazu habe ich in Chart1 den DAX-Kursindex mit dem S&P500 Kursindex verglichen. Rein nachrichtlich sind der DAX (Performanceindex, dessen Höchststand gefeiert wird) und der S&P Performanceindex auch aufgeführt. Niemand sollte also behaupten, die Deutschen hätten so viel mehr Dividenden ausgeschüttet, also mehr für ihre Aktionäre als für ihre Wertentwicklung getan. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Das ist ein sehr interessantes Bild, denn man erkennt seit 2000 zunächst eine lange Phase, in der nach der Dotcomkrise bis in die Finanzkrise mit Aktien keine großen Zuwächse möglich waren, auch über eine Haltedauer von einer Dekade nicht. Dabei lief es in den USA aber bereits deutlich besser als in Deutschland. Während Deutschland aber aus der Finanzkrise eigentlich nie richtig heraus kam, ist das in den USA offensichtlich bestens gelungen. So sehen wir bei den US-Unternehmenswerten über den gesamten Zeitraum ein Plus von 335%, bei den deutschen nur 42%.

 

Leider gilt es nun aber bei diesen exponentiellen Prozessen den des Geldwerts, in dem wir das alles ja messen, ebenfalls zu berücksichtigen. Das ist zugegeben sehr schwierig, denn was ist das schon, dieser Geldwert. Die beste – oder manche sagen am wenigsten schlechte – Methode ist der Verbraucherpreisindex (Chart3). Der ist seit 2000 von ungefähr 75 auf jetzt knapp 120 in der Spitze gestiegen, was ein Plus von 60% bedeutet. Die muss man also leider von den in Geld bewerteten Vermögenszuwächsen der Unternehmen abziehen, wobei ich mir hier die Ungenauigkeit erlaube, das mit den Inflationsdaten aus Deutschland zu tun.

 

Demnach haben die deutschen Unternehmen leider knapp 20% an Wert vernichtet.

 

Nun wird oft darauf hingewiesen, dass die deutsche Wirtschaft eine mittelständische ist, die nicht durch die Großunternehmen abgebildet wird. Das ist einerseits richtig, andererseits aber eine gefährliche Beruhigungspille, denn ohne diese „global Player“ ist eine Volkswirtschaft schnell in Abhängigkeiten von Lieferketten und dominierenden Produkten sowie bei globalen Wertschöpfungsketten in gewaltigem Nachteil. Das sehen wir in dem enorm wichtigen Segment der Automobilzulieferer momentan schmerzhaft. Trotzdem habe ich zum Vergleich (Chart2) den MDAX-Kursindex und den Russel 2000 aus den USA hinzu genommen. Hier sieht man, dass die Wertentwicklung unseres Mittelstands in der Tat recht gut ist (250%), die der Amerikaner aber erneut viel besser (430%) ausfällt.

 

Zu ergänzen ist, dass in Deutschland viele sehr erfolgreiche Unternehmen gar nicht an der Börse notiert sind, so dass diese Charts zwar die US-Wirtschaft recht vollständig, die Deutsche hingegen nur teilweise abbilden. Man muss aber ernsthaft davor warnen, aus der Tatsache, dass ein Teil der deutschen Wirtschaft sich nicht über das moderne und hoch dynamische Mittel einer Aktienbörse refinanziert, auch noch ein „Feature“ zu machen. Wir sehen im Gegenteil insbesondere bei neuen, innovativen Unternehmen, dass die Kapitalkraft der Amerikaner die Europäer massiv anhängt.

 

Das ist aus meiner Sicht neben der Digitalisierung einer der Gründe für diese aufgehende Schere. Das ist als kein Grund zu feiern, sondern einer, sehr kritisch nach den Ursachen zu fragen, warum wir keineswegs sachgerecht von irgendwelchen Höchstständen reden können!


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