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Keramik mit Feingefühl: Weiche Sensoren für die Zukunft

Empa-Forscher Frank Clemens und sein Team entwickeln weiche und intelligente Sensoren auf der Basis von Keramik-Partikeln. Bild: Empa
Empa-Forscher Frank Clemens und sein Team entwickeln weiche und intelligente Sensoren auf der Basis von Keramik-Partikeln. Bild: Empa

DMZ – WISSENSCHAFT/ MM ¦ AA ¦ Empa-Forscher Frank Clemens und sein Team entwickeln weiche und intelligente Sensoren auf der Basis von Keramik-Partikeln. Bild: Empa

 

Dübendorf, St. Gallen und Thun Keramik gilt als harter und spröder Werkstoff, doch im Labor für Hochleistungskeramik der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) brechen Forschende mit dieser Vorstellung. Unter Leitung von Dr. Frank Clemens entwickeln sie weiche und intelligente Sensoren, die auf keramischen Partikeln basieren und Berührungen, Temperaturunterschiede und weitere Umweltveränderungen wahrnehmen können. Diese Technologie könnte insbesondere in der Medizin und Robotik einen Durchbruch darstellen.

 

Der Begriff "Keramik" ruft oft Assoziationen mit Kaffeetassen, Badezimmerfliesen oder Blumentöpfen hervor. Dr. Clemens und sein Team hingegen sehen Keramik als Hightech-Material mit erstaunlichen Fähigkeiten: Ihre Kreationen können Strom leiten, Druck spüren und sogar Temperaturen erkennen. „Unsere weichen Keramiksensoren eröffnen neue Möglichkeiten in der Medizintechnik und für die sogenannte Soft Robotics“, erläutert Clemens. Der Clou: Durch das Einbetten der starren Keramikpartikel in dehnbare Kunststoffe entsteht ein flexibles Material, das auf äußere Einflüsse reagiert.

 

Vom Sinter-Prozess zum Hightech-Sensor

Die Herstellung der Sensoren beginnt mit einem speziellen Keramik-Sinterprozess, bei dem lose anorganische Partikel unter hohen Temperaturen verdichtet werden. Diese Partikel, etwa aus Kalium-Natrium-Niobat oder Zinkoxid, werden dann in flexible Kunststoffmatrizen eingebettet, die die Partikel stabilisieren und gleichzeitig eine Dehnfähigkeit der Gesamtstruktur ermöglichen. Bei Einwirkungen wie Druck, Zug oder Temperaturschwankungen verändert sich der Abstand zwischen den Keramikpartikeln, was die elektrische Leitfähigkeit der Sensoren beeinflusst – ein entscheidender Faktor, um präzise Messungen durchzuführen.

 

Anwendungen in Robotik und Prothetik

Eine besondere Herausforderung für die Forschenden bestand darin, die Sensoren so zu entwickeln, dass sie selektiv auf bestimmte Umwelteinflüsse reagieren, wie etwa nur auf Druck oder nur auf Temperatur. Diese Spezialisierung ist für Anwendungen unerlässlich, in denen exakte Messungen erforderlich sind. Ein Beispiel dafür ist eine Prothese, die durch die integrierten Sensoren eine verbesserte Rückmeldung über die Position und Berührung der Finger erhält. „Solche Entwicklungen könnten Prothesen und Roboterhandwerkzeuge revolutionieren“, so Clemens.

 

Ein Meilenstein in der Entwicklung: Die „Roboterhaut“

Zusätzlich zu den Einzelkomponenten entwickelte das Team eine mehrschichtige Kunststoffhaut, die als eine Art „Roboterhaut“ fungiert. Diese Haut reagiert wie die menschliche Haut auf Berührungen und Temperaturunterschiede und wurde in Zusammenarbeit mit der University of Cambridge und der ETH Zürich mit einem KI-Modell ausgestattet, das die Sensordaten analysiert. Dieses Modell basiert auf rund 4500 Datensätzen und soll die Feinfühligkeit der Haut verbessern, was Anwendungen in der Medizintechnik oder bei präzisen Greifsystemen denkbar macht.

 

In einem weiteren Projekt entwickelten die Empa-Forschenden in Kooperation mit der Universität Tokyo und der ETH Zürich einen Bio-Hybrid-Roboter. Ausgestattet mit einem piezoresistiven, gewebeintegrierten Sensor kann der Roboter seinen eigenen Kontraktionszustand erfassen und steuern. Diese Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Advanced Intelligent Systems veröffentlicht.

 

Sicherheit und Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

Dr. Clemens und sein Team verfolgen das Ziel, Maschinen und Menschen sicherer und harmonischer zusammenarbeiten zu lassen. „Heutige Robotersysteme sind oft groß und stark, was bei unkontrollierter Berührung riskant sein kann“, erklärt Clemens. „Unsere weichen Sensoren könnten Robotern in Zukunft einen Rückzugsreflex verleihen, ähnlich wie wir Menschen ihn besitzen.“

 

Die Zukunft der weichen Keramiksensoren

In naher Zukunft möchte das Empa-Team die Sensoren weiter verfeinern und die Sensitivität noch genauer anpassen. Hierfür planen die Forschenden, neue Kombinationen aus keramischen Materialien und weichen Polymeren zu testen. Die vielversprechenden Ansätze erfordern nun Industriepartner, insbesondere für die Anwendung in Greifsystemen und medizinischen Geräten. So kooperierte das Team bereits erfolgreich mit IDUN Technologies, um flexible Elektroden für EEG-Messungen zu entwickeln.

 

Mit dieser Forschung zeigen die Wissenschaftler der Empa, dass sich mit innovativen Materialien Grenzen verschieben lassen und in Bereichen wie Robotik und Prothetik neue Möglichkeiten entstehen – ein wahrer Fortschritt für die Hightech-Keramik.

 

 

Herausgeber: Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)


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