DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
In spieltheoretischen Grundvorlesungen über strategisches Handeln steht: Verenge niemals selbst dein Spielfeld und deine Optionen.
In erfolgreichen Zeiten der Union waren das Strategien wie die Verhinderung einer Partei rechts neben der Union, der FDP ließ man immer so viel Luft, wie gerade opportun war, gegenüber der SPD positionierte man sich mit klaren Konzepten als die wirtschaftskompetentere. Aber zur Vermeidung einer Verengung gehört auch immer dazu, Themen der Gegner aufzunehmen. So gab es die starke Rolle der Sozialpolitiker in der Union und mit Aufkommen der Grünen die Umweltpolitiker. Viele werfen Merkel heute vor, sie habe die AfD ermöglicht. Mag sein, mag nicht so sein, anderes Thema, aber man kann ihr kaum vorwerfen, das Spielfeld der Union verengt zu haben.
Ich will das tatsächliche Wirken dieser Strategien gar nicht thematisieren, es geht hier nur um die taktische Bewertung. Denn: Unter Merz hat sich die Union sowohl taktisch als auch inhaltlich maximal verengt und zwar nicht nur ohne jeden Zwang, sondern zugleich sogar ganze Äcker an Erweiterungsmöglichkeiten auslassend. Was wäre in dieser geoökonomischen und geopolitischen Multikrise an Themen und Positionierungen alles möglich gewesen! Aber nein, die Union hat alles jenseits der rechtskonservativen Denkrichtung liegende politisch diffamiert, disqualifiziert und zur Unfähigkeit erklärt. Das ist mit Desinformationen und platten Lügen passiert. Man leistet sich gänzlich unerträgliche Figuren wie Spahn und Genossen, die nur noch mit übelsten Auftritten trumpisieren. Ekelhaft!
Inhaltlich steht die Union heute als eine knallharte marktlibertäre Mechanismen als einzige Option anbietende Partei da, geradezu eine Monokultur der Verengung. Die einzige inhaltliche Allianz bietet sie zu einer Partei, die das aus der Regierung heraus und komplett destruktiv versuchte, deren Bedeutungslosigkeit entsprechend stabil bei allen Wahlen quittiert wird. Zugleich machen seriöse Ökonomen immer deutlicher und mahnender klar, dass diese Denkweise in der klassischen Kernkompetenz der Union, der Ökonomie, nicht mehr funktionieren kann. Da ist also nicht nur im Strategiezentrum auf der Brücke alles in Schieflage, der Maschinenraum funktioniert auch nicht mehr.
In jener Vorlesung steht ferner: Fokussiere dich auf deine Stärken und stelle sicher, dass die funktionieren.
Dazu hatte die Union mal Angebote wie die europäische Einigung, die Nato-Einbindung, die Vertiefung der transatlantischen Verbindung, die Achse nach Paris, also wirklich große, wuchtige Themen. Ein aktueller Mangel an solchen ist wohl kaum erkennbar. Was hören wir von Herrn Merz: Schuldenbremse, Verbrenner und Kernfusion. Ich hoffe, dass er wenigstens weiß: Nichts davon kann er liefern, rein gar nichts.
Für den noch amtierenden Verwalter des schon lange vakanten Kanzleramts hatte ich wenig Sympathien. Ich vermute tatsächlich, dass er Lindner so laut raus warf, um Merz das Spielfeld weiter zu verengen und dem zu sagen: Mit dieser Option rechnest du besser mal nicht. Dumm und taktisch unklug ist der amtierende Kanzler gewiss nicht. Er kam wohl nur in das Amt, weil er die wenigsten Fehler machte. Das steht sogar durchaus ebenfalls in der Vorlesung, auch das kann die beste Strategie sein, aber nur vorübergehend!
Nun wird der Kanzler, der sein Spielfeld selbst maximal verengte. Die Spieltheorie besagt, dass auch so etwas nur vorübergehende Vorteile erzeugt. Das Spiel wird so nicht enden, sondern munter weiter gehen, es läuft für die mit der besseren Taktik und das ist nicht Merz, der in diesem selbst verengten und vergifteten Raum kaum Chancen hat, in realer Verantwortung erfolgreich zu sein.
Wenn es hier um den Wettbewerb von ein paar Limonade-Herstellern ginge, würde ich Popcorn für die nächsten Vorlesungen verteilen und wäre dankbar für dieses Lehrmaterial.
So macht es aber leider fassungslos. Was ist nur aus dieser Union geworden, die mal eine wichtige staatstragende Partei war. Sie wird einen Kanzler stellen, der mit alt bekannten politischen Taktiken, die er gewiss exzellent beherrscht, sein Ziel, das Amt zu bekommen, erreichen wird und der dabei zugleich seine Möglichkeiten, das Amt auszuüben, schon im Vorfeld maximal beschädigt hat.
Nur vorausschauend als Schlussbemerkung: Nun werden wieder die „aber die Ampel“-Kommentare kommen, die ja auch von Merz gezüchtet wurden. Ich frage mich, warum so viele die Ampel auch noch für die Strategie von Merz verantwortlich machen. Einfach mal nachdenken, was man aus der Leistung der Ampel, die korrekt bewertet operativ übrigens weit besser als ihr Ruf war, die sich politisch aber geradezu suizidal verhielt, als Opposition politisch alles hätte machen können!
Diese globale Multikrise, diese Herausforderungen, diese zerstrittene Regierung – und da verbleibt es bei Unionspolitikern, die gegen Wärmepumpen stänkern, Verbrenner fordern, staatstragend von Kernfusion labern und gar diese dysfunktionale Schuldenbremse zum heiligen Gral aller politischen Kompasse erklären?
Ist das „Schuld“ der Ampel??
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