DMZ – NATUR/KULTUR ¦ Patricia Jungo ¦
In einer kleinen Gemeinde des Kantons Aargau, in Linn, thront die „Linner Linde“. Dieser Baum gehört dank seiner Gesamterscheinung zu den beeindruckendsten Bäumen Europas. Die Linde verkörpert Wachstumsreife und jugendliche Vitalität auf wunderbare Weise und steht am europäischen Fernwanderweg Pyrénées-Jura-Balaton. Es ist anzunehmen, dass der Baum früher Wegweiser für Wanderer und Pilger war.
Was das Alter der Linde betrifft, herrscht keine Einigkeit. Manche schenken der Sage Glauben, die überliefert, der heilige Gallus, ein irischer Missionar, habe sich schon im 6. Jahrhundert unter der Linde ausgeruht oder sie sogar gepflanzt. Dies ist durchaus wahrscheinlich, da die Linde im Christentum seit eh und je ein wichtiges Symbol war, das man überall zu verbreiten versuchte. Auch bei den Germanen hatte die Linde einen hohen Stellenwert, war sie doch der Götting Freya geweiht. Sie war die Liebesgöttin und Schutzgöttin der menschlichen Gemeinsacht. An den Thingversammlungen unter der Linde wurde auch Recht gesprochen und bis ins Mittelalter tagte das Gericht immer unter der Linde. Die Linde war und ist ein Treffpunkt zum geselligen Zusammensein geblieben. Die Liebenden trafen sich unter der Linde, zur Geburt eines Kindes pflanzte man eine Linde neben dem Haus. Man sagt ihr auch nach, Blitz und Dämonen fernzuhalten.
Im Jahre 1307 wurde das Dorf Linn erstmals in einer Urkunde als „in dem dorf ze Lind“ bezeichnet. Etwas später, im Jahre 1363, tauchte der Name „Linn“ auf, der vom althochdeutschen Wort „lintahe“ stammen könnte, was soviel heisst wie „beim Lindenholz“. Das Dorf Linn wurde 1348/49 von der in Europa wütenden Pestepidemie heimgesucht. Die zahlreichen Toten bestattete man ausserhalb des Dorfes. Wahrscheinlich wurde auch zu der Zeit die heutige Linde gesetzt. Laut Volksglauben hielt die Linde die Krankheiten fern und sollte das Land vor weiterem Unheil schützen. Man glaubte, in Pestlinden könne die Pest gebannt werden. Auch das Jahr 1415 mag das Pflanzjahr gewesen sein. Damals endete die habsburgische Macht und es kamen die neuen Herren aus Bern. Es scheint wirklich eine Verbindung zwischen der Linde und der zwei Kilometer entfernten Habsburg zu geben. Dazu besagt ein alter Orakelspruchalter folgendes: "Leit d’Linde-n-ihr’s Chöpfli ûfs Ruedelis Hûs, se-n-isch’s mit alli Welten ûs." Dies bedeutet: „Spätestens wenn die Linde so groß ist, dass sie ihren Schatten auf die Habsburg wirft, dann ist die Zeit der österreichischen Macht vorüber.“
Die mächtige Linde war oft in Gefahr. 1586 sollte sie gefällt werden, da man erzählte, eine Frau namens Anna Meier sei unter dem Baum mit dem Teufel einen Pakt eingegangen. Die Frau wurde verjagt und die Linde blieb glücklicherweise stehen. Glaubt man der neueren Literatur, soll die Linde erst 340 Jahre alt sein. Zwischen 1667 und 1669 löschte eine erneute Pestepidemie das Dörfchen Linn fast aus. Die Sage erzählt, der einzige Überlebende habe alle Toten begraben und dann die Linde darauf gepflanzt. Obwohl eine Linde an einem idealen Standort jedes Jahr stark wachsen kann, bezweifelt man, dass die Pestlinde trotz der immer wieder starken Beschädigungen diese Wachstumszunahme wirklich halten konnte. Im Jahre 1863 erlitt sie durch einen Brand grossen Schaden. In den so entstandenen Stammdurchgang pflanzte man, ohne viel zu überlegen, eine andere Linde. Man wollte einfach den hohlen Stamm wieder füllen. 1908 brannte dieser Jungbaum bei einem Lagerfeuer allerdings wieder ab. Auch die alte Linde brannte, konnte aber rechtzeitig von der Feuerwehr gelöscht werden. 1979 erlitt die Pestlinde erneute eine Feuerattacke. Zum grossen Glück reagieren Linden auf Feuerschaden immer mit starker Wundabschottung. Es bilden sich innerhalb und ausserhalb des Stammes Überwallungen und so eine neue Borke, die auch die Stabilität festigt. So hat sich auch die Linner Linde bestens erholt, ist überaus kräftig und hat bestimmt noch ein langes Leben vor sich.
Die Linde am Dorfeingang von Linn ist zugleich ein toller Aussichtspunkt und ein Ausgangspunkt diverser Wanderungen durch die malerischen Kulturlandschaften des Bözbergs. Genau hier beginnt der Natur- und Kulturweg Linn, der durchs orchideenreiche Sagenmühlital führt.
Quelle: linnerlinde.ch
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