Die Energiepreiskrise in Europa ist nicht vorbei und die Strompreise sind zu hoch

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦     

KOMMENTAR

 

Im Unterschied zu sonst eine komprimierte Analyse ohne Erläuterungen zum „heißen“ Thema Strompreise.

Basis der Strompreise sind die Großhandelspreise, die in den westlichen Ländern durch die Börsenstrompreise geprägt werden. Dominiert durch Marktsystematik und Herstellung. Wer Endpreise für Industrie oder Haushalte bewertet, vergleicht die Preispolitik der jeweiligen Länder. Das ist etwas GANZ anderes, BEIDES ist relevant, funktioniert aber komplett unterschiedlich.

 

In Europa wird der Börsenstrompreis durch den teuersten fossilen Energieträger dominiert – inzwischen NUR wegen Merit Order. In den USA dominiert ebenfalls der Gaspreis, weil dort – anders als in Europa – Gas die Produktion dominiert. In Europa ist also das Marktdesign und in der Folge derzeit der Gaspreis, in den USA der führende Energieträger und daher auch der Gaspreis dominierend.

 

Die Gaspreiskrise in Europa wird oft als beendet erklärt. Dazu werden Vergleiche mit der Phase vor dem Ukraine-Krieg herangezogen. Gegenüber dem Peak ist der Gaspreis auf ein Fünftel gefallen (Chart1).

 

Toll – aber: Diese Bewertung ist falsch. Tatsächlich ist der Gaspreis ab Frühjahr 2021 eskaliert, fast ein Jahr vor dem Krieg. Erster Grund: Die Gasspeicher wurden durch Gazprom leer gefahren. Zweiter Grund: Gazprom hat die Information im TTF-Börsenhandel gestreut. Der korrekte Vergleich zur Vorkrisenzeit ist also das Preisband sogar vor der Corona-Krise, die durch Lieferketten ebenfalls gestört war. In Corona sind nämlich die fossilen Energieträger zuerst ins bodenlose gefallen und dann wegen Logistikproblemen eskaliert. Die korrekte Betrachtung zeigt, dass der Gaspreis in Europa eher im doppelten Preisband pendelt, als vor der Krise (Chart2).

 

Das ist (Chart3) in den USA aber ganz anders. Hier wird sichtbar, dass Europa etwa eine Preisverdopplung, die USA eine moderate Senkung haben. Die enorme Differenz wird optisch nicht sichtbar, weil die Peaks so groß waren. +130% versus -15% sind eine gewaltige Spreizung zuungunsten Europas, die – überflüssig! – auch noch im Strompreis ankommt, obwohl Europa dafür eine weitaus geringere Gas-Quote hat als die Amerikaner.

 

Experten rätselten tatsächlich bereits in Q1/21 (Chart4) über die Preiseskalation, wobei das zunächst alle fossilen Energien zum Grund hatte. In der längeren Strompreisentwicklung sieht man daher, dass wir immer noch das doppelte Vorkrisenniveau haben (Chart5). Der Grund ist in Europa Merit-Order (Chart6), während das in den USA anders ist, hier sind den Gaspreisen folgend auch die Strompreise unter dem Niveau vor der Krise (Chart7+8).

 

Das ist aus Wettbewerbsgründen schädlich und es ist überflüssig zugleich. Die westlichen Industrienationen haben alle Preissysteme, die zu Einflüssen der fossilen Energiepreise auf dem Strompreis führen. Daher sind überall starke Schwankungen sichtbar, in Europa ist das aber komplett eskaliert, obwohl parallel die fossilen Energien eine immer geringere Rolle spielen (Chart 9, Japan/Fukushima als Sonderfall ausblenden).

 

Die Lösung ist evident: Die heißt natürlich nicht, Gas günstiger zu beziehen, das Europa nicht hat. Neid auf den endlichen und toxischen Fracking-Wahn der USA ist auch keine Lösung. Zu Gas kann Europa nur die Lösung entwickeln, das nicht mehr so sinnlos zu verbrennen, wie es immer noch praktiziert wird. Rational wäre insbesondere Deutschland mit Hochdruck daran, Wärmepumpen zu installieren. Die Lösung ist der grünen Kurve in Chart 9 zu entnehmen, die ich deutlich zu hoch, aber von der Tendenz korrekt vermute: China setzt konsequent durch den Ausbau Erneuerbarer eine günstigere Produktion um UND sorgt dafür, dass im Markt die günstigste Herstellung auch die Preise setzt, so dass diese dort kontinuierlich SINKEN.

 

DAS ist nämlich wichtig: Es macht bei Energiepreisen keinen Sinn, mit Kaufkraft, allgemeiner Inflation oder ähnlichem zu rechnen, die sind im globalen Benchmark zu bewerten und das heißt: Strompreise müssen SINKEN!!

 

In Europa nimmt die EE-Quote zu, die Herstellungspreise sinken dadurch, die fossilen Energien sind rückläufig – aber der Marktmechanismus erhält deren Preisdominanz. Die wird übrigens nur deshalb geschwächt, weil wir zunehmend diese komplett verblödet kritisierten Null- und Negativpreise sehen.

 

Der letzte Satz musste analytisch sein 😉 

Chart1: Gaspreiskrise beendet?

Chart2: Gaspreiskrise keineswegs beendet!

Chart3: Gaspreiskrise in den USA beendet!

Chart4: Corona verzerrt, zuerst Einbruch, dann Lieferkettenprobleme!

Chart5: Langfristig ist die Preissteigerung weiter 75% bis 100%

Chart6: Die gewollte Dominanz des teuersten fossilen Energieträgers: Merit-Order

Chart7: Gas- und Strompreis korreliert auch in den USA, aus anderen Gründen und mit anderen Folgen

Chart8: Gas- und Strompreis korreliert auch in den USA, aus anderen Gründen und mit anderen Folgen

Chart9: Volatile Märkte mit Eskalation in Europa – andere Systematik in China


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