Fredericka Mandelbaum – Die „Mutter der Diebe“: Eine faszinierende Schlüsselfigur der New Yorker Unterwelt

DMZ – HISTORISCHES ¦ A. Aeberhard

 

In den dunklen und oft gefährlichen Gassen des New Yorks des 19. Jahrhunderts taucht eine ungewöhnliche Frau auf, die sich einen unvergleichlichen Namen machte: Fredericka „Marm“ Mandelbaum. Ihr Aufstieg zur „Königin der Kriminalität“ ist nicht nur eine Geschichte der Verbrechen, sondern eine der schieren Entschlossenheit und der Fähigkeit, in einer Welt zu bestehen, die vor allem von Männern dominiert wurde. Mandelbaum war nicht nur eine der erfolgreichsten Hehlerinnen ihrer Zeit, sie schuf sich ein kriminelles Netzwerk, das so mächtig war, dass es bis heute in die Legenden der Stadt eingeht.

 

Von Deutschland nach New York: Mandelbaums Weg in die kriminelle Elite

Geboren 1818 in Deutschland, verschlug es Fredericka Mandelbaum in den 1850er Jahren, wie so viele andere ihrer Zeit, in die USA. Der Traum vom besseren Leben in der „Neuen Welt“ trieb sie an, doch schon bald wurde klar, dass sie sich nicht mit einem einfachen Dasein als Ladenbesitzerin begnügen würde. New York befand sich im Umbruch – die Armut nahm zu, und Kriminalität war für viele der einzige Ausweg. Inmitten dieser aufblühenden Unterwelt fand Mandelbaum ihre Bestimmung.

 

Was als bescheidener Laden für Haushaltswaren begann, entwickelte sich schnell zu einem florierenden Umschlagplatz für gestohlene Ware. Schmuck, teure Kleider und Lebensmittel – alles fand seinen Weg in ihren Laden in der Clinton Street. Doch Mandelbaum handelte nicht nur, sie baute ein regelrechtes Imperium auf, das auf Loyalität und kluger Geschäftstüchtigkeit beruhte. Bald kannte jeder in der kriminellen Szene ihren Namen: die „Mutter der Diebe“.

 

Ein Imperium auf Loyalität und Netzwerken gebaut

Man kann sagen, dass Mandelbaum nicht nur die Regeln des Spiels verstand, sondern sie auch geschickt zu ihren Gunsten manipulierte. Mit einer beeindruckenden Fähigkeit, Menschen um sich zu scharen und ihre Loyalität zu gewinnen, schuf sie ein Netzwerk, das seinesgleichen suchte. Besonders in einer Zeit, in der Korruption in der Stadt New York florierte, konnte sie sich mit ihrem Geschäft geschickt im Verborgenen halten. Ihre Verbindungen zu Politikern und Polizisten waren ebenso strategisch wie notwendig, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

 

Eine der vielleicht faszinierendsten Facetten von Mandelbaum war ihr „pädagogischer“ Ansatz gegenüber der Kriminalität. Es heißt, sie habe eine regelrechte „Schule des Verbrechens“ geführt, in der junge Straftäter von ihr ausgebildet wurden – sie vermittelte ihnen Fähigkeiten, die sie für ein Leben in der kriminellen Welt benötigten. Diese Mischung aus mütterlicher Fürsorge und knallharter Geschäftsfrau machte Mandelbaum zu einer der schillerndsten Figuren ihrer Zeit.

 

Eine Frau, zwei Gesichter: Wohltäterin und Kriminelle

Trotz ihrer kriminellen Machenschaften war Fredericka Mandelbaum in ihrer Gemeinde hoch angesehen. Sie engagierte sich stark in der jüdischen Gemeinschaft und galt als großzügige Wohltäterin. Viele, die in Not gerieten, konnten auf ihre Unterstützung zählen. Diese Zwiespältigkeit – auf der einen Seite die skrupellose Hehlerin, auf der anderen die Philanthropin – machte Mandelbaum zu einer komplexen Persönlichkeit, die weit über das kriminelle Milieu hinaus faszinierte.

 

Aber wie es oft in der Geschichte geht, war auch Mandelbaums Zeit irgendwann abgelaufen. In den 1880er Jahren wuchs der Druck auf sie, und schließlich gelang es den Behörden 1884, ihr kriminelles Netzwerk zu destabilisieren. Anstatt sich dem Gericht zu stellen, floh Mandelbaum nach Kanada, wo sie die letzten Jahre ihres Lebens in relativer Ruhe verbrachte. Sie starb 1894 im Alter von 76 Jahren – eine Frau, die sowohl in der Unterwelt als auch in der Gemeinschaft Spuren hinterlassen hatte.

 

Das Vermächtnis einer außergewöhnlichen Frau

Fredericka Mandelbaum verkörpert die Widersprüche ihrer Zeit. Sie war eine Frau, die inmitten eines von Männern dominierten Umfelds nicht nur überlebte, sondern die Regeln des Spiels änderte. Sie erlangte Macht und Einfluss in einer Welt, in der Frauen oft nur eine Nebenrolle zugestanden wurde. Ihr Erbe ist, wie so oft in der Geschichte der Kriminalität, ambivalent. Einerseits steht sie für die skrupellose Welt der organisierten Kriminalität, andererseits zeigt ihre Geschichte, wie eine außergewöhnliche Frau in einer brutalen Zeit Macht und Respekt erringen konnte.

 

Ihre Geschichte ist eine, die sich in der Spannung zwischen Gut und Böse bewegt. War sie nur eine Verbrecherin, die aus Eigennutz handelte? Oder eine Frau, die das Beste aus den schwierigen Bedingungen ihrer Zeit gemacht hat? Eines ist sicher: Mandelbaum hinterlässt ein Vermächtnis, das bis heute nachhallt. Ihre Geschichte zwingt uns dazu, die moralischen Grauzonen zu erkennen, in denen sich viele historische Persönlichkeiten bewegt haben – und erinnert uns daran, dass das Leben oft viel komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint.


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