AT: Neue Wege in der Erinnerungskultur: Konferenz des Nationalfonds im Parlament

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner Einleitende Worte. Vorständin des Nationalfonds Hannah Lessing (Copyright: Parlamentsdirektion/Thomas Topf) 

 

Wien – Die Zukunft der Erinnerungskultur und die Verantwortung im Umgang mit der NS-Vergangenheit standen im Zentrum der Konferenz des Nationalfonds im österreichischen Parlament. Die Frage, wie das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in den kommenden Jahren gestaltet werden soll, war der zentrale Diskussionspunkt einer von Hanna Lessing, der Vorständin des Nationalfonds, moderierten Podiumsdiskussion. Teilnehmende waren unter anderem Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, und Andreas Kranebitter vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.

 

Ein zentrales Thema der Veranstaltung war die Haltung zur möglichen Wahl eines Politikers der FPÖ zum Präsidenten des Nationalrats. Sowohl Oskar Deutsch als auch Andreas Kranebitter äußerten sich klar gegen eine solche Besetzung, da sie darin eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus sehen würden. Deutsch betonte in seiner Ansprache, dass Österreich in den Nachkriegsjahren versäumt habe, sich ausreichend mit seiner Rolle im NS-Regime auseinanderzusetzen. Erst durch die Reden von Bundeskanzler Franz Vranitzky, die die österreichische Mittäterschaft offen ansprachen, wurde ein Wandel eingeleitet. Dennoch könne es keine echte Wiedergutmachung geben, so Deutsch.

 

Besorgnis äußerten sowohl Deutsch als auch Kranebitter über den aktuellen Antisemitismus, der aus verschiedenen ideologischen Lagern – rechts, links und islamistisch – komme. Deutsch appellierte an die Zivilgesellschaft, entschieden gegen antisemitische Tendenzen vorzugehen. In Bezug auf die möglichen politischen Veränderungen im Parlament forderte er die Abgeordneten auf, die "richtige Entscheidung" zu treffen.

 

Erinnerungskultur in der digitalen Welt

Barbara Glück hob die Bedeutung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen als Ort des Gedenkens hervor. Sie plädierte dafür, durch neue Methoden und Technologien, wie soziale Medien, eine breitere Bevölkerung anzusprechen. Glück erzählte von der erfolgreichen Nutzung von TikTok, wo Videos der Gedenkstätte bis zu einer Million Mal angesehen wurden.

 

Andreas Kranebitter betonte die Herausforderung, das Wissen über den Nationalsozialismus in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Studien zeigten, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung einen "Schlussstrich" unter die Diskussion über den Holocaust ziehen wolle. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen mahnte Kranebitter eine intensivere Auseinandersetzung der Institutionen mit ihrer eigenen Geschichte an und forderte eine breitere gesellschaftliche Verankerung der Erinnerungskultur.

 

Die Rolle der Zeitzeugen und neue Bildungswege

 

Moritz Wein vom Wissenschaftsministerium hob die wichtige Arbeit der Zeitzeugen hervor, die jährlich tausende Schüler in Österreich erreichen. Diese direkte Begegnung mit Überlebenden der NS-Zeit sei eine unverzichtbare Säule der Holocaust-Education, die es zu schützen und weiterzuentwickeln gelte.

 

 

Einblicke in das Engagement von jungen Gedenkdienstleistenden boten Philipp Auberger, Tabea Chaharlangi und Moritz Gemel. Sie berichteten von ihren Erfahrungen in Holocaust-Gedenkstätten weltweit und den persönlichen Gründen, die sie zu ihrem Engagement bewogen hatten. Auberger etwa erinnerte sich an einen prägenden Besuch des KZ Mauthausen in seiner Kindheit, der ihn zur Entscheidung führte, einen Gedenkdienst in Kanada zu absolvieren.

 

Chaharlangi erzählte von einer Reise nach Israel, bei der sie mit einem Kinderchor vor Holocaust-Überlebenden auftrat – ein Moment, der ihr bewusst machte, wie wichtig es sei, diese Erinnerungen lebendig zu halten. Moritz Gemel betonte, wie bereichernd sein Dienst im Holocaust and Genocide Center in Kapstadt für ihn war und sprach eine klare Empfehlung an junge Menschen aus, sich ebenfalls in diesem Bereich zu engagieren.

 

Fazit: Erinnerungskultur weiterdenken

Die Konferenz des Nationalfonds im Parlament verdeutlichte, wie wichtig es ist, Erinnerungskultur in Österreich auf neue Beine zu stellen. Dabei geht es nicht nur darum, die Vergangenheit zu bewahren, sondern auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen – wie Antisemitismus – zu adressieren. Neue digitale Methoden könnten dabei helfen, eine breitere Bevölkerung zu erreichen und die wichtige Arbeit der Gedenkdienste weiterzutragen. Gleichzeitig bleibt die Politik gefordert, Verantwortung zu übernehmen und Zeichen zu setzen, um die Lehren der Vergangenheit in der Gegenwart umzusetzen.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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