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Corona und Herzerkrankungen: Die kardiovaskulären Implikationen von COVID-19

DMZ – FORSCHUNG ¦ Sarah Koller ¦

 

Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie standen Gesundheitssysteme weltweit unter immensem Druck. Das hochansteckende SARS-CoV-2-Virus verbreitete sich schnell und führte zu einer globalen Gesundheitskrise. Während COVID-19 vorwiegend als Atemwegserkrankung bekannt ist, wurde zunehmend klar, dass das Virus auch erhebliche Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben kann.

 

Kardiovaskuläre Risiken bei COVID-19

COVID-19-Patienten haben ein signifikant erhöhtes Risiko, kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln. Zu den häufigsten Herzkomplikationen zählen akute Myokardverletzungen, Herzinsuffizienz, Myokarditis, Herzrhythmusstörungen und akute Herzinfarkte. Auch seltenere Krankheitsbilder wie das Takotsubo-Syndrom ("Broken-Heart-Syndrom") und kardiogener Schock wurden im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 dokumentiert.

 

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass SARS-CoV-2 mehrere Mechanismen nutzt, um das Herz-Kreislauf-System zu schädigen. Das Virus kann akute Koronarsyndrome auslösen, die sowohl mit verengten als auch mit unauffälligen Koronararterien einhergehen. Darüber hinaus wurden Mikrogefäßdysfunktion, Entzündungen der Gefäße (Vaskulitis), endotheliale Schädigungen (Endothelitis) und in-situ-Thrombosen beobachtet. Eine umfassende Meta-Analyse zu kardiovaskulären Komplikationen bei COVID-19 bestätigte diese Befunde.

 

Diagnostik und Therapieansätze

Die Diagnostik von kardiovaskulären Komplikationen bei COVID-19 erfordert eine genaue klinische Untersuchung. Symptome wie Brustschmerzen, Atemnot oder Schocksymptome sollten immer auf eine mögliche Herzbeteiligung hin untersucht werden. Wichtige diagnostische Mittel sind Elektrokardiogramme (EKG), Biomarker für Myokardschäden (hsTnT/I, NT-proBNP) und bildgebende Verfahren wie Echokardiografie und CT-Koronarangiografie (CTCA). Diese Methoden sind entscheidend, um zwischen einem Myokardinfarkt und einer Myokarditis zu unterscheiden, insbesondere bei Patienten ohne signifikante Koronarläsionen.

 

Akute Patienten, die mit Symptomen eines Herzinfarkts eingeliefert werden, benötigen häufig eine sofortige interventionelle Therapie. Die primäre perkutane Koronarintervention (PCI) bleibt die Standardbehandlung, auch bei COVID-19-Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI). In Fällen, in denen eine PCI nicht innerhalb von 120 Minuten möglich ist, kann eine Fibrinolyse als Übergangslösung dienen. Allerdings ist dies bei COVID-19-Patienten mit unauffälligen Koronararterien oft nicht indiziert, da keine signifikanten Koronarläsionen vorliegen.

 

Herausforderungen während der Pandemie

Die Pandemie führte zu erheblichen Verzögerungen in der Behandlung von Patienten mit akuten Herzerkrankungen. Eine Untersuchung des Journal of the American College of Cardiology zeigte, dass sich sowohl die Zeit bis zum ersten medizinischen Kontakt als auch die Zeit bis zur Durchführung einer PCI während der Pandemie signifikant verlängert haben. Gründe hierfür waren unter anderem die überlasteten Notfallkapazitäten, ein Mangel an Tests und die Sorge des medizinischen Personals vor einer Ansteckung.

 

Diese Verzögerungen hatten schwerwiegende Folgen: In einer Studie, die in JAMA veröffentlicht wurde, konnte gezeigt werden, dass die Mortalität bei STEMI-Patienten während der Pandemie um 27 % höher lag als in der Zeit vor der Pandemie.

 

Langzeitprognose und Forschungsbedarf

Patienten mit einer COVID-19-bedingten Myokardverletzung haben ein signifikant höheres Sterblichkeitsrisiko. Besonders ältere Patienten sowie solche mit Vorerkrankungen und starker Entzündungsreaktion sind gefährdet. Darüber hinaus ist die Prognose von Patienten mit Typ-2-Myokardinfarkt, der durch systemische Belastungen wie Sauerstoffmangel und Entzündungen verursacht wird, deutlich schlechter als die von Typ-1-Infarktpatienten.

 

Um die langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf das Herz-Kreislauf-System besser zu verstehen, ist weitere Forschung unerlässlich. Insbesondere die Frage, wie sich die Krankheit langfristig auf die Herzgesundheit auswirkt und welche Präventions- und Behandlungsstrategien optimiert werden können, bedarf intensiver wissenschaftlicher Untersuchung. Mehrere laufende Langzeitstudien in Europa und den USA zielen darauf ab, diese Wissenslücken zu schließen.

 

Fazit

COVID-19 hat nicht nur eine Pandemie der Atemwegserkrankungen verursacht, sondern auch die Zahl kardiovaskulärer Komplikationen erheblich gesteigert. Eine differenzierte Diagnostik und Behandlung dieser Komplikationen sind von entscheidender Bedeutung, um die Sterblichkeit zu senken. Die Forschung zu den langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf das Herz-Kreislauf-System muss intensiviert werden, um betroffenen Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten.

 

 

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