DMZ – FORSCHUNG ¦ Sarah Koller
Die COVID-19-Pandemie, ausgelöst durch das SARS-CoV-2-Virus, hat weltweit gravierende gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen gehabt. Während bekannt ist, dass das Virus vor allem die Atemwege betrifft, mehren sich in jüngster Zeit die Hinweise, dass es auch die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte. Eine neue systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse liefert überzeugende Hinweise auf die negativen Effekte von SARS-CoV-2 auf die Samenqualität und den Testosteronspiegel bei infizierten Männern.
Hintergrund der Studie
Das SARS-CoV-2-Virus, ein β-Coronavirus, weist genetische Ähnlichkeiten zu SARS-CoV-1 (80 %) und dem Fledermaus-Coronavirus RaTG13 (96,2 %) auf. Es dringt über das Spike-Protein (S-Protein) in die Zellen des Wirts ein, indem es an das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) bindet. Diese Rezeptoren sind nicht nur in der Lunge und dem Verdauungstrakt zu finden, sondern auch in den Hoden. Die Studie zielt darauf ab, die möglichen Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf die männliche Fruchtbarkeit zu erforschen, indem sie die Samenqualität und hormonelle Veränderungen bei infizierten Männern untersucht.
Methodik und zentrale Ergebnisse
Die Meta-Analyse basiert auf einer Auswertung mehrerer Studien, die vor allem zwischen 2020 und 2022 durchgeführt wurden. Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse umfassen:
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Semenanalyse: Bei Männern, die an COVID-19 erkrankt waren, zeigte sich eine deutliche Reduktion der Samenqualität. Insbesondere wurde eine Abnahme des Ejakulatvolumens, der Spermienkonzentration, -mobilität und -morphologie festgestellt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass SARS-CoV-2 eine direkte Beeinträchtigung der Spermienproduktion und -qualität verursacht.
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Hormonelle Veränderungen: Neben den Beeinträchtigungen der Samenqualität wurden signifikante hormonelle Veränderungen beobachtet. Infizierte Männer wiesen einen verminderten Testosteronspiegel und eine Erhöhung von Östrogen, Prolaktin und luteinisierendem Hormon (LH) auf. Diese Hormonveränderungen legen nahe, dass SARS-CoV-2 auch das endokrine System beeinflussen und somit die männliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könnte.
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Oxidativer Stress: Ein weiterer Mechanismus, durch den SARS-CoV-2 die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte, ist die Förderung von oxidativem Stress. In der Samenflüssigkeit infizierter Männer wurden erhöhte Werte von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) festgestellt, die zu Schäden an den Spermien führen könnten.
Diskussion und Implikationen
Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse stehen im Einklang mit früheren Studien, die ebenfalls eine Beeinträchtigung der männlichen Fruchtbarkeit durch SARS-CoV-2 nahelegten. Die direkte Präsenz des Virus in den Hoden sowie die systemischen Entzündungsprozesse, die durch die Virusinfektion ausgelöst werden, könnten Schlüsselmechanismen sein, die zu diesen reproduktiven Veränderungen führen. Dabei scheint es wahrscheinlich, dass die virale Infektion nicht nur die Samenqualität, sondern auch die Hormonproduktion in den Hoden beeinträchtigt, was die Erfolgsaussichten für reproduktionsmedizinische Eingriffe wie die Spermienextraktion verringern könnte.
Einschränkungen und zukünftige Forschungsansätze
Trotz der überzeugenden Ergebnisse gibt es einige Limitationen dieser Analyse. Die Studien beziehen sich größtenteils auf den Zeitraum vor der Einführung der COVID-19-Impfstoffe sowie vor dem Auftreten neuerer und weniger virulenter Virusvarianten. Es ist unklar, inwieweit Impfungen oder neue Virusvarianten die Ergebnisse beeinflussen könnten. Zudem konzentrierten sich die meisten Studien auf konventionelle Samenparameter und Hormonanalysen, während der Einfluss von SARS-CoV-2 auf die tatsächliche Fruchtbarkeit, gemessen an Schwangerschaftsraten oder Lebendgeburten, nicht untersucht wurde.
Fazit
Die vorliegende Meta-Analyse liefert robuste Hinweise darauf, dass SARS-CoV-2 die männliche Fruchtbarkeit erheblich beeinträchtigen kann. Insbesondere die Reduktion der Samenqualität und die hormonellen Veränderungen könnten langfristige Auswirkungen auf die Reproduktionsfähigkeit infizierter Männer haben. Es bedarf jedoch weiterer Forschung, insbesondere im Hinblick auf den Einfluss von Impfungen und Virusvarianten, um ein umfassenderes Bild der Auswirkungen von COVID-19 auf die männliche Fruchtbarkeit zu zeichnen.
Diese Studie stellt einen wichtigen Schritt dar, um das Verständnis der langfristigen gesundheitlichen Folgen von SARS-CoV-2 zu vertiefen. Sie wirft jedoch auch neue Fragen auf, insbesondere in Bezug auf den Schutz vor reproduktiven Schäden durch Impfungen und therapeutische Ansätze zur Minimierung der negativen Auswirkungen des Virus auf die männliche Fruchtbarkeit.
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