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CH: Problematische Entscheidung des Bundesrats: Keine Nachkontrollen bei Unterschriftensammlungen für Volksbegehren

DMZ – POLITIK/ MM ¦ AA ¦            

 

Bern – Der Bundesrat hat beschlossen, bei den Verdachtsfällen von missbräuchlichen Unterschriftensammlungen für Volksbegehren keine Nachkontrollen durchzuführen oder hängige Initiativen zu sistieren. Dieser Beschluss, der auf einer Sitzung am 13. September gefasst wurde, könnte jedoch weitreichende Folgen für das Vertrauen in den direktdemokratischen Prozess in der Schweiz haben.

 

Obwohl bislang keine belastbaren Indizien vorliegen, dass Initiativen durch gefälschte Unterschriften zustande gekommen sind, haben unlautere Praktiken bei der Sammlung von Unterschriften in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Zahlreiche Stimmen forderten daher eine Nachprüfung der Unterschriften von Volksbegehren, die noch nicht zur Abstimmung gelangt sind. Dennoch hält der Bundesrat an der Position der Bundeskanzlei fest, auf solche Maßnahmen zu verzichten – gestützt auf rechtliche und staatspolitische Bedenken.

 

Staatspolitische und rechtliche Herausforderungen

Die Entscheidung, keine Nachkontrollen durchzuführen, basiert auf mehreren Faktoren. Zum einen gibt es derzeit keine rechtlichen Grundlagen für die Sistierung oder Nachprüfung der Unterschriften. Die Bedingungen, um per Notrecht entsprechende Maßnahmen zu ermöglichen, sind laut Bundesrat nicht gegeben. Zudem werden Nachkontrollen als staatspolitisch problematisch angesehen, da sie die gesetzlich festgelegten Fristen für Volksinitiativen verzögern und Unsicherheiten schaffen würden. Auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats sprach sich gegen eine solche Vorgehensweise aus.

 

Diese Entscheidung wirft jedoch Fragen auf: Sollte der Schutz der Integrität des direktdemokratischen Prozesses nicht höchste Priorität haben? Selbst wenn aktuell keine Beweise für Fälschungen vorliegen, besteht das Risiko, dass der bloße Verdacht das Vertrauen in die Volksinitiativen untergräbt. In einer Zeit, in der politisches Misstrauen weltweit wächst, könnte ein zu passiver Umgang mit Verdachtsfällen langfristig das Fundament der Schweizer Demokratie schwächen.

 

Potenzielle Folgen für das Vertrauen in die Demokratie

Die direkte Demokratie in der Schweiz lebt von der Integrität der Unterschriftensammlungen. Sie ermöglichen es Bürgerinnen und Bürgern, direkt in den politischen Prozess einzugreifen. Umso schwerwiegender ist es, wenn Missbrauchsvorwürfe ungeprüft im Raum stehenbleiben. Der Verzicht auf systematische Kontrollen könnte den Eindruck erwecken, dass die Behörden nicht entschlossen genug handeln, um die Integrität des Prozesses zu schützen.

 

Zwar sollen unlauteren Praktiken entschieden begegnet werden – durch strafrechtliche Verfolgung, Präventionsmaßnahmen und Optimierungen der Abläufe. Doch wie schnell und wirksam diese Maßnahmen greifen, bleibt fraglich. Der geplante runde Tisch, bei dem verschiedene Akteure Maßnahmen gegen Missbrauch entwickeln sollen, ist ein positiver Schritt. Allerdings ist unklar, ob diese Diskussionen ausreichen werden, um das Vertrauen der Bevölkerung kurzfristig zu sichern.

 

Wichtige Fragen bleiben offen

Die Einführung von obligatorischen Transparenzmaßnahmen bei Unterschriftensammlungen, die schnell Klarheit über deren Herkunft schaffen könnten, scheitert derzeit an fehlenden rechtlichen Grundlagen. Darüber hinaus sollen technische Lösungen gegen Missbrauch geprüft werden – ein Ansatz, der jedoch eher langfristige Perspektiven bietet.

 

Vor diesem Hintergrund bleiben mehrere drängende Fragen offen: Ist es vertretbar, auf Maßnahmen zu verzichten, die die Glaubwürdigkeit des demokratischen Prozesses unmittelbar stärken könnten? Sollten nicht zumindest stichprobenartige Nachkontrollen durchgeführt werden, um ein Zeichen zu setzen, dass unlautere Praktiken nicht toleriert werden? Und wie lässt sich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den aktuellen Prozess wahren, wenn Verdachtsfälle nicht vollständig ausgeräumt werden?

 

Der Bundesrat betont, dass er die direktdemokratischen Instrumente schützen und bewahren möchte. Doch angesichts der aktuellen Diskussionen könnte das Fehlen sofortiger Maßnahmen von der Öffentlichkeit als zu zögerlich wahrgenommen werden. Die Frage bleibt, ob der bisherige pragmatische Ansatz ausreicht, um die hohen Erwartungen an die Transparenz und Integrität der Schweizer Demokratie zu erfüllen.

 

 

Herausgeber

Der Bundesrat

https://www.admin.ch/gov/de/start.html 

Bundeskanzlei

http://www.bk.admin.ch 


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