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Ein Beitrag, der viel verspricht und nur dokumentiert, wie man bereits beim Denkansatz scheitert

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦      

KOMMENTAR

 

Hätte ich diesen FAZ-Beitrag zum „Geschäftsmodell Deutschlands“ als wissenschaftlicher Gutachter zu bewerten, würde ich mein Ergebnis ungefähr wie folgt formulieren: Die Autoren wollen die Geschäftsmodelle sehr unterschiedlicher global agierender Konzerne bewerten. Eine bereits sehr unpräzise und strittig formulierte Fragestellung. Dazu wählen sie die Methodik, nationale Standortfaktoren heranzuziehen. Das muss bereits zwingend scheitern, das selbst gestellte und sogar als erreicht behauptete Ergebnis kann so nicht ermittelt werden. Bleibt die Frage, ob bei der Anwendung der falschen Methodik andere bei der Begutachtung zu berücksichtigende Ergebnisse erzielt wurden. Das ist aber auch nicht festzustellen, da selbst die nationalen Standortfaktoren nur sehr selektiv und unvollständig behandelt werden. Das erfolgt zudem methodisch erneut unqualifiziert, hier behaupten die Autoren ohne jeden Beleg nationale Unterschiede zu anderen Wettbewerbsstandorten, die es so aber gar nicht gibt. Daher erfolgt auch kein Versuch, diese Unterschiede zu begründen, näher zu qualifizieren oder gar zu quantifizieren. Insofern muss die Arbeit leider als keinerlei Mindeststandards erfüllend mit „nicht bestanden“ zurück gewiesen werden.

 

Am heimischen Schreibtisch und nicht an sachliche Formulierungen gebunden, würde ich das ungefähr wie folgt formulieren: Ein peinliches Stück fachlich unqualifizierten Wirtschaftsjournalismus mehr. Ein dummer unbegründeter Rant mit dem Primärziel der nationalen Energiepolitik, der gängige Desinformationen und Lügen einfach nur sprachlich etwas feiner verpackt und für den Laien leider in einer gelungen Attitüde fachlicher Qualität daher kommt, von der sich nicht mal homöopathische Mengen finden. Fachliches Bild-Niveau hinter wertigerer Sprache versteckt. Wäre noch egal, wenn das sehr tiefe Thema, nämlich die nun leider feststellbare Kombination aus Standortnachteilen, Innovationsrückstand von Schlüsselindustrien und zugleich Innovationstempo von globalen Wettbewerbern, die mal Kunden waren, zusammen kämen.

 

Als Kombination ist das tatsächlich ein lange schwelendes schwerwiegendes Paket, dessen Verpackung nun platzt. Das war auf allen Ebenen, von der Kapitalausstattung über den Rückstand in allen neuen Innovationsfeldern bis zu den disruptiven Technologien in unseren Schlüsselsegmenten von vielen Experten aus den genannten Bereichen seit Jahren warnend angekündigt worden. In meinen beruflichen Kreisen, die sich vor allem mit Digitalisierung, Disruptionen und Steuerung sowie Finanzierung von Innovationen befassen, war bereits vor 20 Jahren klar, dass wir anders als in den Jahrzehnten zuvor nicht mehr von einigen singulären Nachteilen und Versäumnissen sprechen, die durch enorme Stärken an anderer Stelle kompensierbar sind. Wir sehen hier schon sehr lange ein toxisches Bündel, das wir spätestens dann nicht mehr ignorieren können, sobald es unsere industriellen Kernkompetenzen berührt und damit eben jene Stärken angreift, die den eklatanten Rückstand in so vielen Innovationsfeldern gesamtökonomisch stabilisierten.

 

Das entwickelt sich bereits seit 20 Jahren, jetzt sehen wir es aber bei den vielen Vor- und Endprodukten, die „plötzlich“ aus „explosionsartig“ steigenden Fertigungskapazitäten an anderen Standorten kommen. Man kann vermutlich leicht jedem Laien klar machen, dass diese industriell in hoher Geschwindigkeit weiter skalierenden Produkte nicht erst gestern als Innovationen begonnen wurden. Anders als die FAZ behauptet, die hier nur mal wieder aktuell gängige Trigger bemüht, spielt die Energiepolitik dabei keineswegs die Hauptrolle und die hier betrachteten Unternehmen haben zudem ganz unterschiedliche Herausforderungen, sie reagieren komplett unterschiedlich und auch ihre ökonomische Bedeutung ist unvergleichbar. Bezüglich der Energiewende ist die Bewertung ebenfalls grob falsch, denn unser Problem ist nicht, dass sie kommt, sondern dass sie viel zu langsam und auch zu teuer umgesetzt wird, was sogar kein spezifisches Energie-, sondern ein grundsätzliches Thema für alle Infrastrukturprojekte in Deutschland ist. In der Folge hängt die weit wichtigere, nächste Transformation, nämlich die Elektrifizierung durch. Das ist sogar noch weit relevanter als die zu hohen Energiepreise, deren Ursachen hier einmal mehr falsch beschrieben werden.

Dieser misslungene Beitrag vermittelt also nicht nur komplett falsche Herausforderungen und Ursachen, er motiviert auch noch, genau das Gegenteil des dringend notwendigen zu tun. Damit dokumentiert er jedoch eine der ganz wesentlichen Ursachen: Ignoranz, Unkenntnis, Unwissen, Verharrung in alten Denkmustern.

 

Das sind natürlich keine Voraussetzungen für Innovation und so kommt hier ein Stück mehr von „gestern war alles besser“ raus und bei genauem Lesen wird als Lösung für die im Teaser versprochene Besserung tatsächlich eine Mischung aus Verzögerung und Rückkehr zum Gestern vorgeschlagen. Ich frage mich, wann solche Autoren und – wichtiger – Entscheidungsträger in Unternehmen sowie Politik mal zu einer sehr grundsätzlichen Selbstreflexion finden und erkennen, dass so eine Denkweise bei globalen Veränderungs- und Fortschrittstrends zwingend scheitern muss.

 

Mit so einem bereits von den Grundlagen absurd dummen Denkkonzept kann man nicht mal über die globale Ökonomie von Erdbeermarmelade auch nur zwei zutreffende Sätze formulieren! 


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