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CH: Finanzpolitik im Fokus: Expertenbericht zu Einsparungen sorgt für Diskussionen

DMZ – POLITIK/ MM ¦ AA ¦   

 

Bern – Ein neuer Bericht der Expertengruppe zur Überprüfung von Aufgaben und Subventionen, den der Bundesrat in Auftrag gegeben hat, schlägt vor, jährlich bis zu 5 Milliarden Franken einzusparen. Die vorgeschlagenen Einsparungen betreffen unter anderem soziale Bereiche wie Kindertagesstätten (Kitas), den Klimaschutz, Prämienverbilligungen und den öffentlichen Verkehr (ÖV). Diese Pläne stoßen auf Kritik, insbesondere vor dem Hintergrund der soliden Finanzlage der Schweiz und dem gut gefüllten Ausgleichskonto. Einige Beobachter befürchten, dass die Einsparungen letztlich Steuersenkungen für Besserverdienende ermöglichen sollen.

 

Schweizer Finanzen: Stabil, aber vor Herausforderungen

Die Schweiz zählt zu den wohlhabendsten Ländern der Welt und hat eine vergleichsweise geringe Staatsverschuldung. 2023 lag die Schuldenquote des Bundes bei rund 30 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 85 %. Außerdem verfügt die Schweiz über ein Ausgleichskonto, das aktuell mit mehr als 20 Milliarden Franken gefüllt ist. Dieses Konto soll Schwankungen im Bundeshaushalt ausgleichen und den Staat vor übermäßiger Verschuldung schützen.

 

Trotz der stabilen Finanzlage rechnet der Bundesrat in den kommenden Jahren mit strukturellen Defiziten von rund 3 Milliarden Franken pro Jahr. Gründe dafür sind steigende Ausgaben, insbesondere für die Altersvorsorge (AHV), das Militär und andere festgeschriebene Ausgaben. Der Finanzplan für die Jahre 2026 bis 2028 weist ein jährliches Defizit von bis zu 2,6 Milliarden Franken aus, zusätzlich kommen 500 Millionen Franken für die Teilfinanzierung der 13. AHV-Rente hinzu.

 

Die Kritik: Belastung für soziale und ökologische Projekte

Der Bericht der Expertengruppe schlägt über 60 Maßnahmen zur Haushaltsentlastung vor, die vor allem auf Einsparungen in sozialen und ökologischen Bereichen abzielen. Dies betrifft unter anderem die Kitas, den Klimaschutz, die Prämienverbilligungen und den ÖV. Vor allem Vertreter aus linken Parteien und sozialen Organisationen kritisieren, dass diese Einsparungen die ärmeren Bevölkerungsgruppen und wichtige Zukunftsprojekte treffen würden.

 

Besonders die Prämienverbilligungen, die einkommensschwache Haushalte bei den Krankenkassenprämien entlasten, sowie der Klimaschutz seien unerlässlich, um soziale Ungleichheiten zu reduzieren und nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben. Auch der öffentliche Verkehr, als wichtige ökologische und soziale Infrastruktur, gerät in den Fokus der Sparpläne.

 

Prioritäten unter der Lupe: Einsparungen vs. Steuersenkungen

Ein zentraler Kritikpunkt ist die Priorisierung der Bundesfinanzen. Kritiker hinterfragen, warum trotz der komfortablen Lage des Ausgleichskontos und der relativ geringen Verschuldung Kürzungen in sozialen Bereichen vorgenommen werden, während weiterhin über Steuersenkungen, insbesondere für hohe Einkommen und Unternehmen, diskutiert wird.

 

Bürgerliche Parteien argumentieren hingegen, dass solche Steuersenkungen notwendig seien, um die Schweiz als Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten. Sie betonen, dass die Einsparungen notwendig sind, um den Bundeshaushalt zu stabilisieren und die Schuldenbremse einzuhalten.

 

Der Bundesrat weist die Behauptung zurück, dass die geplanten Einsparungen hauptsächlich der Finanzierung von Steuersenkungen für Besserverdienende dienen sollen. In seinen Leitlinien zur Haushaltsbereinigung betont er, dass die Defizite durch Einsparungen behoben werden sollen, ohne dass Steuersenkungen Teil der aktuellen Diskussion seien.

 

Ausgabenwachstum: AHV und Armee im Fokus

Besonders die steigenden Ausgaben für die Altersvorsorge und die Armee stellen den Bundeshaushalt vor große Herausforderungen. Die AHV steht unter Druck, da die Zahl der Rentnerinnen und Rentner zunimmt, während gleichzeitig weniger Erwerbstätige in das System einzahlen. Die Einführung der 13. AHV-Rente verschärft diese Situation zusätzlich. Auch bei der Armee sind steigende Ausgaben vorgesehen, die bis 2035 auf 1 % des BIP erhöht werden sollen.

 

Die Expertengruppe sieht daher Einsparungen in anderen Bereichen als notwendig an, um das Ausgabenwachstum zu bremsen. Der Bundesrat plant, die Ausgaben ab 2027 wieder stärker an das Einnahmenwachstum anzupassen. Ab 2030 sollen jährlich bis zu 4,5 Milliarden Franken eingespart werden.

 

Die Herausforderung: Sparen ohne soziale Schieflage

Die Diskussion über die Einsparungen wird zu einem Test für die soziale Balance der Schweizer Finanzpolitik. Einerseits ist klar, dass der Haushalt langfristig konsolidiert werden muss, andererseits bestehen Bedenken, dass die Einsparungen diejenigen treffen könnten, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

 

Um ein ausgewogenes Paket zu schnüren, hat der Bundesrat bereits angekündigt, runde Tische mit Kantonen, Parteien und Sozialpartnern einzuberufen. Dabei sollen auch Einnahmenseitige Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um eine möglichst breite Zustimmung für die geplanten Einsparungen zu erreichen.

 

Fazit: Ein Balanceakt für die Zukunft

Die Debatte um die Einsparungen zeigt, wie komplex die Schweizer Finanzpolitik ist. Einerseits bietet die stabile Finanzlage Spielraum, andererseits sind die langfristigen strukturellen Defizite nicht zu übersehen. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um Lösungen zu finden, die nicht nur den Haushalt konsolidieren, sondern auch die sozialen und ökologischen Bedürfnisse des Landes berücksichtigen.

 

Zusammensetzung der Expertengruppe:

Die Expertengruppe stand unter der Leitung von Serge Gaillard (ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung). Zu den Mitgliedern zählen Ursula Schneider Schüttel (alt Nationalrätin), Jacques Bourgeois (alt Nationalrat), Professor Aymo Brunetti (Universität Bern) und Professor Christoph Schaltegger (Universität Luzern).


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