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Wo soll Wasserstoff in Zukunft produziert werden?

Eine neue Studie des PSI um Erstautor Tom Terlouw identifiziert die besten Regionen, um Wasserstoff für den grossen Bedarf in Zukunft herzustellen. © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic
Eine neue Studie des PSI um Erstautor Tom Terlouw identifiziert die besten Regionen, um Wasserstoff für den grossen Bedarf in Zukunft herzustellen. © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

DMZ – FORSCHUNG / MM ¦ AA ¦     Eine neue Studie des PSI um Erstautor Tom Terlouw identifiziert die besten Regionen, um Wasserstoff für den grossen Bedarf in Zukunft herzustellen. © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

 

Villigen – In einer neuen Studie haben Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) die weltweit günstigsten Standorte für die Produktion von Wasserstoff analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung auf eine Wasserstoffökonomie nicht zwangsläufig zu einer vollständigen Eliminierung von Treibhausgasemissionen führen wird. Die Studie, die heute in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, gibt zudem Einblicke in die potenziellen Umweltauswirkungen und die Herausforderungen der globalen Wasserstoffproduktion.

 

Die Schweiz strebt an, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Haushalten als entscheidender Faktor angesehen, kombiniert mit dem Einsatz erneuerbarer Energien wie Wasser, Wind und Sonne. Doch nicht in allen Sektoren kann Strom als alleinige Energiequelle dienen. In Bereichen mit hohen Anforderungen an die Energiedichte, wie in der Luftfahrt oder der Stahlindustrie, könnte Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Dieser wird als vielversprechender Ersatz für fossile Brennstoffe betrachtet und könnte die Klimabelastung erheblich reduzieren.

 

Vier Szenarien der Wasserstoffnachfrage bis 2050

Das Forschungsteam um Erstautor Tom Terlouw und Projektleiter Christian Bauer vom Labor für Energiesystemanalysen des PSI hat verschiedene Szenarien für die künftige Wasserstoffnachfrage entwickelt. Die Schätzungen variieren je nach Szenario stark: Der globale Wasserstoffbedarf könnte 2050 zwischen 111 und 614 Megatonnen pro Jahr liegen. Im Vergleich dazu werden derzeit weltweit etwa 90 Megatonnen Wasserstoff pro Jahr produziert.

 

Die ideale Region für die Wasserstoffproduktion

Die Studie zeigt auf, dass Kanada eine der vielversprechendsten Regionen für die Wasserstoffproduktion darstellt. Hier gibt es ausreichend Fläche für Windturbinen, günstige klimatische Bedingungen und eine stabile politische Lage. Ähnliche Bedingungen finden sich in den zentralen USA, Teilen Australiens sowie in der Sahara und Nordchina. Die Forschenden identifizierten diese Regionen als besonders geeignet, da sie entweder reich an Sonnenenergie oder Windkraft sind – beides entscheidende Faktoren für eine effiziente Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse.

 

Im Gegensatz dazu sind dicht besiedelte Industrieländer wie die Schweiz oder Deutschland weniger geeignet, da dort die Verfügbarkeit von Land für erneuerbare Energien begrenzt ist. Auch Länder wie Japan oder Küstenregionen der USA und Chinas könnten nur zu höheren Kosten produzieren. Dies führt zu einer Diskrepanz zwischen Regionen mit hoher Wasserstoffnachfrage und solchen mit optimalen Produktionsbedingungen, was den globalen Handel mit Wasserstoff notwendig machen könnte.

 

Herausforderungen und ökologische Kehrseiten

Ein wichtiger Aspekt, den die Studie hervorhebt, sind die verbleibenden Emissionen, selbst bei einer Umstellung auf grünen Wasserstoff. Schätzungen zufolge könnten Restemissionen von fast einer Gigatonne CO2-Äquivalenten pro Jahr entstehen, insbesondere durch Leckagen während der Produktion und des Transports von Wasserstoff. Zudem verursacht die Herstellung von Elektrolyseanlagen und anderen benötigten Materialien „graue Emissionen“, da viele dieser Produkte in Ländern mit hohen fossilen Energieanteilen hergestellt werden.

 

Zusätzlich zu den klimatischen Auswirkungen warnt die Studie auch vor den ökologischen Folgen des Rohstoffbedarfs in der Wasserstoffproduktion. Seltene Erden, wie sie in Windturbinen verwendet werden, und kritische Metalle wie Iridium, das in PEM-Elektrolyseuren zum Einsatz kommt, könnten durch ihre Förderung und Verarbeitung erhebliche Umweltschäden verursachen. Der zunehmende Bedarf an Land und Wasser für die Wasserstoffproduktion könnte zudem Konflikte in Regionen mit begrenzten Ressourcen auslösen.

 

Soziale Akzeptanz als Schlüsselfaktor

Neben den ökologischen und ökonomischen Aspekten betont die Studie die Bedeutung der sozialen Akzeptanz für den Erfolg einer Wasserstoffökonomie. Die Errichtung von Produktionsanlagen in Küstenregionen oder wasserarmen Gebieten könnte auf Widerstand stossen, insbesondere wenn zusätzliche Landflächen und Energie für die Entsalzung von Meerwasser benötigt werden.

 

Christian Bauer und Tom Terlouw schliessen ihre Analyse mit der Feststellung, dass die Umsetzung einer Wasserstoffökonomie nicht nur eine technologische Herausforderung darstellt, sondern auch gesellschaftliche und politische Entscheidungen erfordert. Weitere Studien sollen die potenziellen Auswirkungen und Möglichkeiten dieser Energiewende beleuchten.

 

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut (PSI) ist das größte Forschungsinstitut der Schweiz und entwickelt zukunftsweisende Technologien in den Bereichen Energie, Klima, Gesundheit und Grundlagenforschung. Es beschäftigt rund 2300 Mitarbeitende und ist Teil des ETH-Bereichs. Das PSI unterstützt die Ausbildung von jungen Forschenden und spielt eine zentrale Rolle in der internationalen Forschungsgemeinschaft.

 

 

 

Originalveröffentlichung

Future hydrogen economies imply environmental trade-offs and a supply-demand mismatch

Tom Terlouw, Lorenzo Rosa, Christian Bauer und Russell McKenna

Nature Communications, 15.08.2024

DOI: 10.1038/s41467-024-51251-7


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