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Der Drang der Unwissenden: Warum Menschen ohne Expertise sich zu allem äußern

DMZ – GESELLSCHAFT ¦ S. Koller  

KOMMENTAR

 

In der heutigen digitalen Ära, in der Informationen im Überfluss vorhanden sind, ist es zu einem häufigen Phänomen geworden, dass Menschen ohne jegliche Expertise den Drang verspüren, sich zu nahezu jedem Thema zu äußern. Dieses Verhalten wird nicht nur durch die Verfügbarkeit von Plattformen wie sozialen Medien begünstigt, sondern auch durch psychologische und soziale Mechanismen verstärkt, die tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt sind.

 

Der Dunning-Kruger-Effekt: Eine kognitive Verzerrung

Ein zentraler Erklärungsansatz für dieses Verhalten ist der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt. Diese kognitive Verzerrung beschreibt das Phänomen, dass Personen mit geringer Kompetenz in einem bestimmten Bereich dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Gleichzeitig unterschätzen sie das Wissen und die Fähigkeiten von Experten. Diese Überschätzung führt dazu, dass sie sich mutig und selbstsicher zu Themen äußern, von denen sie wenig bis nichts verstehen. Die fehlende Einsicht in die eigene Inkompetenz verhindert zudem, dass sie aus Fehlern lernen und ihr Wissen kritisch hinterfragen.

 

Die Rolle von Desinformation

Desinformation, also die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen, spielt eine zentrale Rolle in diesem Kontext. Uninformierte Personen fallen häufig auf Desinformation herein, da sie nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügen, um die Qualität und Richtigkeit der Informationen zu bewerten. Algorithmen in sozialen Netzwerken begünstigen zudem die Verbreitung von sensationellen und polarisierenden Inhalten, was dazu führt, dass falsche Informationen oft mehr Aufmerksamkeit bekommen als fundierte Fakten.

 

Psychologische und soziale Mechanismen

Mehrere psychologische und soziale Faktoren tragen zur Verbreitung und Verteidigung von Desinformation bei:

  • Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Menschen neigen dazu, Informationen zu suchen, zu interpretieren und zu erinnern, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Dies führt dazu, dass sie Desinformation, die ihre Sichtweise stützt, eher akzeptieren und teilen.
  • Soziale Identität: In vielen Fällen sind Meinungen und Überzeugungen eng mit der sozialen Identität verbunden. Die Ablehnung oder Korrektur einer Meinung kann als Angriff auf die eigene Person und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe empfunden werden. Daher verteidigen Menschen ihre Überzeugungen, auch wenn sie als falsch entlarvt werden.
  • Kognitive Dissonanz: Wenn Menschen mit Informationen konfrontiert werden, die im Widerspruch zu ihren Überzeugungen stehen, erleben sie kognitive Dissonanz – ein unangenehmes Spannungsgefühl. Um diese Dissonanz zu reduzieren, neigen sie dazu, die widersprüchlichen Informationen zu ignorieren oder zu rationalisieren.

Konsequenzen und Lösungsansätze

Die Verbreitung von Desinformation und die Hartnäckigkeit, mit der Menschen an falschen Überzeugungen festhalten, haben weitreichende Konsequenzen. Sie gefährden die öffentliche Gesundheit, wie es während der COVID-19-Pandemie deutlich wurde, untergraben demokratische Prozesse und fördern gesellschaftliche Spaltung.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, sind mehrere Ansätze erforderlich:

  • Bildung und Medienkompetenz: Die Förderung von kritischem Denken und Medienkompetenz kann Menschen helfen, Informationen besser zu bewerten und Desinformation zu erkennen.
  • Verantwortung der Plattformen: Soziale Netzwerke und andere Online-Plattformen sollten Mechanismen entwickeln und implementieren, um die Verbreitung von Desinformation zu reduzieren und die Verbreitung fundierter Informationen zu fördern.
  • Faktenprüfung und Korrektur: Faktenprüfungsorganisationen spielen eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung und Korrektur von falschen Informationen. Diese Bemühungen müssen jedoch durch Strategien ergänzt werden, die sicherstellen, dass Korrekturen auch tatsächlich die Zielgruppen erreichen.
  • Dialog und Empathie: Ein konstruktiver Dialog, der auf Empathie und Verständnis basiert, kann dazu beitragen, die Bereitschaft zur Reflexion und zum Umdenken zu fördern. Anstatt Menschen für ihre Fehlannahmen zu verurteilen, sollten wir versuchen, ihre Perspektiven zu verstehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Fazit

Der Drang von Personen ohne spezifische Expertise, sich zu jedem Thema zu äußern und Desinformation zu verbreiten, ist ein komplexes Phänomen, das tief in unserer menschlichen Natur und den Strukturen der modernen Informationsgesellschaft verwurzelt ist. Durch Bildung, verantwortungsvolle Plattformen, effektive Faktenprüfung und einen empathischen Dialog können wir jedoch Schritte unternehmen, um die Auswirkungen dieses Phänomens zu mildern und eine informiertere und kritischere Gesellschaft zu fördern.  


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