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Wie Orbán die Ungarn blendet

Prof. Iván T. Berend (Photo), Historiker, 1985 -1990 Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seit 1990 Professor an der Unversity of California (UCLA). Er lebt in Los Angeles.
Prof. Iván T. Berend (Photo), Historiker, 1985 -1990 Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seit 1990 Professor an der Unversity of California (UCLA). Er lebt in Los Angeles.

DMZ – INTERNATIONAL ¦ Berend T. Iván ¦Prof. Iván T. Berend (Photo), Historiker, 1985 -1990 Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seit 1990 Professor an der Unversity of California (UCLA). Er lebt in Los Angeles.

KOMMENTAR

 

Seit der Wende im Jahr 1990 bis heute scheinen die ungarischen Regierungen von der fixen Idee besessen zu sein, mit Österreich gleichziehen zu müssen/wollen.

Kann man die Prophezeiung Viktor Orbáns von 2017 wirklich ernst nehmen, wonach sein Land Österreich bis 2030 einholen wird? Ein Jahr später ging er sogar noch weiter und verkündete, sein Ziel sei es, dass Ungarn bis 2030 zu den fünf Ländern der EU gehört, in denen es sich bestens leben und arbeiten lässt. Für den Beweis verbleiben ihm nur noch sechs Jahre. Hier bietet sich deshalb ein kleiner Faktencheck an.

 

Einkommen (BIP)

Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns, gemessen am Pro-Kopf-Nationaleinkommen (BIP) des Landes (23.319 US$), beträgt mit 56 Prozent etwas mehr als die Hälfte des Durchschnitts in der Europäischen Union, liegt aber gleichzeitig etwa 50 Prozent über dem Durchschnitt von 200 Ländern. Damit belegt Ungarn weltweit den 57. Platz. Ein europäischer Standard ist das aber nicht, da es in Europa 50 Länder gibt.

 

Österreich dagegen gehört mit einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 60.000 US$ Dollar im Jahr 2024, das damit zweieinhalb Mal höher liegt als das von Ungarn, zur Weltspitze. Im Jahr 1990 war das österreichische Niveau 247 Prozent des ungarischen und in 2024 mit 254 Prozent etwas höher. Der Unterschied vergrößerte sich damit sogar etwas zugunsten Österreichs.

 

Export-Import

Die Hälfte der ungarischen Wirtschaft befindet sich in ausländischem Besitz. Dies liegt daran, dass mehr als ein Fünftel der Produktion des verarbeitenden Gewerbes aus dem Hightech-Bereich stammt. Die ungarische Industrie führt die arbeitsintensiven Montagearbeiten führender europäischer Unternehmen, wie zum Beispiel der Automobilindustrie aus, und das sind 57 Prozent der ungarischen Exporte. Mehr als 80 Prozent des Exports gehen in die viel gescholtene EU, aus der umgekehrt drei Viertel der Importe nach Ungarn kommen. Mit anderen Worten: Die ungarische Wirtschaft atmet durch die Nabelschnur der Union.

 

Lohnniveau

In Österreich beträgt der Mindestlohn monatlich 1.500 Euro, der Stundenlohn 24 Euro. Dies entspricht im Wesentlichen dem deutschen und französischen Lohnniveau. Per Dekret hat die ungarische Regierung den monatlichen Mindestlohn ab 1. Januar 2022 auf 200.000 HUF (512 Euro) festgelegt, das ist ein Drittel des österreichischen Mindestlohns. Die Gehälter in Ungarn liegen damit kaum über einem Viertel der dänischen oder belgischen Gehälter. Besonders groß ist der Rückstand bei den Gehältern im Bildungs- und Gesundheitswesen.

 

Das Bild wird dadurch nochmal getrübt, dass der ungarische Arbeiter zwar viel weniger verdient, aber mehr arbeitet als seine österreichischen Kollegen. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten lag im Jahr 2022 in Ungarn bei etwa 40 Stunden, in der EU bei 37,5 Stunden und in Österreich bei 36 Stunden.

 

Eine ähnliche Streuung ist bei den Renten zu beobachten. Die durchschnittliche Rente beträgt in Ungarn 415.- Euro und in Österreich 1480.-Euro.

 

Der persönliche Konsum liegt in Österreich um 18 Prozent über dem EU-Durchschnitt, während er in Ungarn gerade mal 70 Prozent des EU-Durchschnitts erreicht.

 

Wohneigentum

Auch das Wohneigentum sollte erwähnt werden, dabei sind die entsprechenden Daten auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Laut der Umfrage von Eurostat Housing Europe 2024 wohnt 90 % der ungarischen Bevölkerung in der eigenen Immobilie. Der entsprechende EU-Durchschnitt liegt nur bei 69 Prozent. Im reichen Dänemark, Österreich und Deutschland sind es sogar nur rund 60 Prozent.

 

Die Erklärung dazu: Bis in die 1970-er Jahre besaß der ungarische Staat fast alle Immobilien in den Städten. Da man immer weniger in der Lage war, diese instand zu halten bzw. zu renovieren, wollte man sie loswerden. Die Mieter, wollten sie weiter in der bisher bewohnten Wohnung bleiben, mussten ihre Wohnung nunmehr günstig vom Staat erwerben. Die Mieten der übrig gebliebenen Wohnungen stiegen deshalb drastisch an. Eine Wohnung zu mieten kam damit für die meisten Ungarn immer weniger in Frage. Der erzwungene Eigenheimkauf schränkte den allgemeinen Konsum zusätzlich ein.

 

Fazit:

Man muss kein Ökonom sein, um zu verstehen, dass es für Ungarn unmöglich ist, den fast durchwegs dreifachen Rückstand zu Österreich in sechs Jahren auch nur annähernd zu erreichen, geschweige denn zu überholen. Hier geht es um bewusste Irreführung mit der Orbán die eigene Bevölkerung blendet.   

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