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Meinungsfreiheit ohne Kenntnis der Meinungsfreiheit wird schwierig

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦     

KOMMENTAR

 

Auf meinen Kommentar zur Causa Compact, die ich dabei weder besonders wichtig nahm, noch irgendwie zum Ausdruck brachte, ob ich das besonders klug, richtig oder relevant fand – was ich, um das hier zu ergänzen gar nicht tue – gab es teilweise die leider oft erlebten Reaktionen auf meinen Vorschlag, die Sache mit der Medienüberwachung unabhängiger zu regeln. Man mag sich am Begriff gerne stören, denn die heute damit beauftragten, vielen und sehr verteilten Institutionen haben verschiedenste Aufgaben, die man Überwachung, Regulierung, Kontrolle nennen kann – aber es gibt sie bereits. Mein Vorschlag lautet, sie von Politik und Regierungen unabhängiger aufzustellen, mit Verfassungsrang ähnlich der Bundesbank. Das zielt also darauf ab, ähnlich der Verfolgung allgemeiner Strafsachen, die Aufgaben von Polizei, Staatsanwälten und Gerichten sind, aus denen die Politik sich also raus zu halten hat, auch hier eine politische Einflussnahme zu reduzieren.

 

Kann man falsch finden, keine Frage. Aber es kam hauptsächlich der oft gehörte Vorwurf, das sei Zensur, Diktatur, verfassungswidrig, Abschaffung von Meinungs- und Pressefreiheit. Besonders lächerlich die Vorwürfe, es solle der Regierung noch mehr Einfluss auf die Medien gewähren, der nebenbei bemerkt wo so ganz genau denn liegt?

 

Es ist leider immer wieder erkennbar, dass Medienregulierung und Zensur verwechselt werden, inzwischen wird sogar jede Form der Regulierung offensichtlich gerne mit einer Diktatur gleich gesetzt. Überall ist von Einschränkungen der Freiheit die Rede, von Gleichschaltung, die demokratischen Institutionen werden bezweifelt, diskreditiert und die grundsätzlichen demokratischen Ordnungsstrukturen angegriffen. Das hat System, wird aber von vielen, die dem folgen, nicht erkannt.

 

Wie falsch das ist, sieht man mit einem Blick in Artikel 5 des Grundgesetzes, der neben der Meinungs- und Pressefreiheit einiges mehr regelt, so auch das Verbot – ja, die gibt es sogar im Grundgesetz – von Zensur sowie die Schranken der Meinungsfreiheit, die nämlich nicht einfach nur frei, sondern sehr wohl begrenzt ist. Nun kann man solche Rechte – und deren Grenzen! – nicht einfach nur in ein Grundgesetz schreiben, diese müssen bekanntlich auch durchgesetzt werden.

 

Dazu sind im vorliegenden Fall im Laufe der Zeit durch Gesetzgebung und diverse Grundsatzurteile des Verfassungsgerichts gleich mehrere umfangreiche Gesetzeswerke entstanden. Das Zentrum sind Medienstaatsverträge, aber es reicht bis ins Kartellrecht zur Vermeidung von Medienkonzentration und auch in das Arbeitsrecht, beispielsweise für Journalisten. Ich selbst lese die Hinweise auf Artikel 5 in meinen Lehraufträgen, Freiheit von Wissenschaft und Lehre betreffend. Meine Hochschule kann mir also keine frei gestalteten Verträge vorlegen, sie ist diesbezüglich begrenzt und darf mir insbesondere inhaltlich nur den thematischen Rahmen und die wissenschaftlichen Grundlagen setzen. Zur Überwachung und Durchsetzung dieser Gesetze sind zahlreiche Institutionen geschaffen worden, die Landesmedienanstalten sind zu nennen, aber auch Staatsanwälte, Verfassungsschutz und Innenministerien haben Aufgaben – sowie selbstverständlich die Gerichte, die ich beispielsweise anrufen könnte, wenn meine Hochschule meinte, mir inhaltliche Vorgaben machen zu können.

 

Insofern existiert längst eine Medien-Überwachung/Kontrolle/Regulierung, deren Aufgaben schlicht darin besteht, Meinungsfreiheit durchzusetzen, Pressefreiheit durchzusetzen, Zensur zu verhindern – und ebenso rechtswidrige Inhalte zu verhindern oder zu ahnden. Das ist nichts anderes als eine vollkommen normale demokratische Ordnungsstruktur, die es in allen Demokratien gibt. Ohne eine Regulierung des Mediensektors funktioniert es nirgendwo. Man darf über Ihre konkrete Gestaltung und Umsetzung streiten, aber sie mit Zensur oder ähnlichem zu verwechseln, ist gefährlich.

 

Das ist nämlich genau der Weg, den diejenigen, die demokratische Strukturen einschränken und abschaffen wollen, sogar explizit genau so und ganz offen erklären: Man diskreditiert die Strukturen und Institutionen, die man nicht kontrollieren kann, um dann Mehrheiten dafür zu gewinnen, sie entweder abzuschaffen oder selbst unter Kontrolle zu bringen. Dabei gilt der Mediensektor als Schlüssel, der muss als erster parallel zerstört und durch Aufbau eigener Kanäle mittels Echokammern ersetzt werden. Lässt sich bei Bannon et al. präzise nachlesen, die schweigen nicht mal über ihre Methoden.

 

Deshalb ist es so wichtig, die Medienüberwachung zu professionalisieren und deren Zweck besser zu kommunizieren, damit diese absurden Verwechslungen mit Zensur nicht mehr stattfinden. Es geht dabei im Wesentlichen gar nicht um Eingriffe auf der Ebene von konkreten Inhalten, die grundsätzlich aufgrund des Zensur-Verbots sogar zu verhindern sind, sondern um den Erhalt einer freien, vielfältigen und offenen Angebotsstruktur. Nur bei rechtswidrigen Inhalten (Jugendschutz, Hass, Hetze, üble Nachrede, Beleidigungen etc.) geht es um konkrete Inhalte und das ist nicht mal der wichtigere Teil. Eine demokratische Medienüberwachung ist essentieller denn je. Die Väter des Grundgesetzes hatten das 1949 natürlich erkannt, sich damals aber sehr dem Radio und der gedruckten Presse gewidmet, also den führenden Massenmedien. Die Architektur der Medien ist aber heute eine andere, die Strukturen sind dem nicht ausreichend gefolgt.

 

Darum geht es!


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