DMZ – JUSTIZ ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Das Innenministerium hat die Publikation „Compact“ verboten. In den Sozialen Medien tobt ein Sturm der Krakeele, das sei verfassungswidrig. Von Abschaffung der Demokratie und einer Fortsetzung der wie auch immer begründeten Diktatur ist zu lesen. Mal wird Corona zitiert, mal die Energiewende oder auch der „Staatsfunk“, der so zu schützen sei. Sich etwas feiner tarnende Federn wie die vielen Tichys lassen irgendwelche Juristen irgendwelche Bedenken formulieren, um dann die gängigen Begriffe der „Freiheit“, der „Liberalität“, des „Markts“ oder dessen Feindbilder wie „Sozialismus“ und „Staatswirtschaft“ ein weiteres mal übel zu missbrauchen.
Dieses Verbotsverfahren hat alleine deshalb schon einen Wert, weil es diese vielen Echokammern, deren Betreiber und Follower so besonders laut und deutlich aus der Kiste springen lässt. Was sich hier von Autoren bis zu Kommentatoren an Demokratieverständnis zeigt, ist so erschütternd, dass man sich wegen dieser Krakeele nur um unsere Demokratie sorgen kann. Diese Sorge ist vor allem deshalb begründet, weil sich so viele Kommentatoren finden, die nicht mehr den Überblick haben, welches geschickt geflochtene Netzwerk an antidemokratischen bis zu demokratiezersetzenden Narrativen sie nicht selten höchst persönlich weiter erzählen und damit verstärken. Genau so funktioniert diese systematische Manipulation nämlich und es gibt unfassbar viele, die darin vollkommen unkritisch untergegangen sind, die aber leider selbst zum Untergang weiterer beitragen, da die Sozialen Medien solche Effekte leider enorm effektiv verstärken.
Einfacher Fakt ist: Die Bewertung, ob das Verbotsverfahren verfassungswidrig ist, liegt weder bei Tichy et al, noch bei deren Followern, sondern ausschließlich beim Bundesverfassungsgericht. Wer sich über die behördlichen Akte des Innenministeriums und der Dienste mit Begriffen wie „verfassungswidrig“ oder „antidemokratisch“ beschwert, hat nicht mal die Grundsätze unserer Staatsordnung verstanden. Es ist schlicht Pflicht der Regierung und der Dienste, diese Prüfverfahren durchzuführen und entsprechend zu agieren.
Wenn das formal fehlerhaft war, haben die Gerichte das zu korrigieren und die Amtsführung der Ministerin, ggf. der Dienste ist zu prüfen. War es nicht fehlerhaft, hat diese Publikation in einer Demokratie nichts verloren, denn die Meinungs- und Pressefreiheit ist nicht beliebig, sondern wie bereits Artikel 5 selbst klarstellt an den gesetzlichen Rahmen gebunden. Eine Demokratie hat weder den Anspruch einer formal stets korrekten Amtsführung aller Mandatsträger, sie hat auch nicht den Raum für Publikationen, die geltendes Recht unter dem Deckmantel der Pressefreiheit verletzen. Wir sehen hier also die Mechanismen der Demokratie und sollten das einfach nur begrüßen.
Als nicht Jurist lese ich sehr sachlich und kritisch begründete formale Einwände, weshalb tatsächlich die Gefahr besteht, dass das Verbot gerichtlich nicht standhält. Da ich mich mit der Entwicklung der Medien, insbesondere der großen Plattformen und der Wirkung von Echokammern mit Methoden der Desinformation, Lüge und Hetze sehr intensiv beschäftige, komme ich zunehmend zur Bewertung, dass die westlichen Regierungen mit unserer modernen Medienwelt weitgehend überfordert sind. Wir sehen in der Politik sogar eine weitaus gefährlichere Entwicklung, denn diejenigen, die sich mit den modernen Manipulationsmöglichkeiten besser auskennen, treten keineswegs an, diese zu verhindern – sondern im Gegenteil, sie für sich zu nutzen. Die Organisation von Trump ist ein offensichtliches und wichtigstes Beispiel, aber die Arbeitsweise von Geheimdiensten, ganz offensichtlich ist hier der Russische zu nennen, gehören auch dazu. Die noch erschreckendere Gefahr wird klar, wenn man Indizien beachtet, dass diese Kreise weltweit sogar zusammenwirken.
Es wäre daher dringend geboten, eine Medienüberwachung von Verfassungsrang, noch unabhängiger als die Bundesbank zu installieren, damit überforderten Ministerinnen und vielleicht sogar weiteren Diensten gar nicht erst die Aufgabe zukommt, so etwas wie Compact zu entdecken und zu ahnden. Fällt das der Ministerin nämlich formal auf die Füße, wird sich so schnell keine Regierung mehr an so ein Verfahren wagen. Ich fürchte, dass bereits jetzt die Hürden enorm hoch sind, so einen Schritt zu gehen. Das darf nicht sein, wir brauchen eine Institution mit Wirkung, die nur solche Überwachungsaufgaben sowie daraus zwingend abzuleitende Maßnahmen als Aufgabe hat. Die Justiz bis zum Verfassungsgericht wäre unverändert deren Korrektiv.
Aber Regierungen, die heute überfordert sind und schon morgen vielleicht selbst die Täter müssen aus dieser Verantwortung ausscheiden. Ähnliches wäre übrigens auch zur Überwachung von Parteien zu prüfen, denn hier haben wir eine sehr ähnliche Situation. Das letztlich Amtsträger, die von Parteien besetzt werden über die Einleitung von Verbotsverfahren gegen Partien entscheiden, kann nicht effektiv funktionieren.
Hier zur Lektüre der lesenswerte Artikel von Michael Hanfeld in der FAZ zur Causa Compact. Ich kann oft mit Hanfelds Haltung wenig anfangen, aber hier zeigt er vor allem Haltung und das ist für eine konservative Stimme aus dieser Publikation sehr erwähnenswert.
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