DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Eine lesenswerte Studie zum Populismus, die wie andere zuvor zu dem Ergebnis kommt, dass wir in einem Zeitalter des Populismus leben. Es ist viel vom Faschismus die Rede, aber vermutlich werden irgendwann auch Historiker vom Populismus reden und ihn vom Faschismus abgrenzen. Bei einigen Parallelen ist aus meiner Sicht der größte Unterschied, dass Populisten als wichtigstes „Handwerk“ die Spaltung der Gesellschaften betreiben. Vielleicht liegt darin eine innere Selbstzerstörungskraft, während Faschisten diese eher von außen erfahren. Aber das werden spätere Werke von Historikern klären.
Was diese Studie besonders macht: Während Sozial- und Politikwissenschaften den Populismus schon länger und intensiver verfolgen, hat die VWL das bisher nur selten angefasst. Der Grund ist in dieser VWL-Studie sofort erkennbar: Populisten profitieren letztlich immer von Krisen, in denen sie zur Macht gelangen. Welchen Anteil die geerbte Krise dann an ihrer Wirtschaftsbilanz hat und was auf ihr eigenes Versagen zurückzuführen ist, kann methodisch nur sehr aufwendig abgegrenzt werden. Dass die Bilanz der Populisten verheerend ist, lässt sich kaum ernsthaft bestreiten, aber ihr spezifischer Anteil ist nicht einfach feststellbar.
Das ist aber ein sehr wichtiger Punkt, weshalb die VWL das Thema intensiver aufgreifen sollte, denn es geht darum, das wichtigste Argument der Populisten, sie würden wahlweise den Wohlstand retten oder einen verlorenen wieder aufbauen, zu widerlegen. Das ist, man kann es nicht oft genug sagen, den Daten zufolge definitiv auszuschließen. Die Wirtschaftsbilanz des Populismus ist eindeutig und zwar eindeutig schlecht. Die Frage ist in der Tat nur, wie hoch ihr Anteil an dem Versagen ist.
Prof. Christoph Trebesch vom IfW in Kiel forscht an dem Thema schon länger und hat eine Reihe bemerkenswerter, explizit nüchtern sachlicher, strikt unpolitisch ökonomischer Analysen vorgelegt. Zuletzt veröffentlichten er und sein Team im American Economic Review (12/23) ein umfassendes Paper, welches im Kern zu zwei sehr erschütternden Ergebnissen kommt: Erstens halten sich Populisten sehr lange an der Macht, weshalb die Hoffnung, ihre teilweise lächerliche Inkompetenz – „Clown“ ist bekanntlich ein oft vergebener Titel – werde sie schnell entlarven, leider trügerisch ist. Das ist deshalb so verheerend, weil zweitens ihre Wirtschaftsbilanz so nachhaltig schlecht ist, dass sie über die Jahre ihres „Wirkens“ im Mittel bis zu 15% des meist bei Amtsantritt ohnehin bereits angeschlagenen Wohlstands vernichten – und das ist der Teil, der explizit auf ihre Wirtschaftspolitik entfällt!
Das Paper analysiert ferner sehr klar, dass sich diese Bilanz in allen weiteren Daten findet, die mit „Wohlstand“ im allerweitesten Sinne etwas zu tun haben. Lohnniveau, Inflation, Kaufkraft, Staatsfinanzen – alle Indikatoren laufen mit Populisten an der Macht zuverlässig gen Süden.
Die Autoren haben in der FAZ einen sehr gut verständlichen Artikel zu dieser Studie formuliert.
Ein kleiner bitterer Beigeschmack dieses lesenswerten Artikels ist die aus meiner Sicht inakzeptable Tatsache, dass sich in der Originalstudie ein Chart bis 2020 befindet, welches klar die Dominanz des Rechtspopulismus in den letzten Jahren zeigt, während das in der FAZ 2018 abgeschnitten wurde, so dass Rechts- und Linkspopulismus ausgeglichen erscheinen. Die Wohlstandsvernichtung durch Rechtspopulisten ist übrigens leicht höher als die miese Bilanz der Linkspopulisten, auch diese Darstellung wird in der FAZ nicht differenziert, hier erscheinen nur die Gesamtdaten. Schade, das ist ein unnötiger Makel einer sehr wertvollen Veröffentlichung.
Lesenswert sind auch die beschriebenen Methoden der Populisten: Spaltung durch Lagerbildung zwischen dem „wahren Volk“ und irgendeiner „Elite“, der man Vernichtung von Wohlstand und Kultur unterstellt. Das einzige eigene Argument besteht in der Zerstörung dieser „Elite“, in Feindbildern, in dem Versprechen, „die“ zu zerschlagen, eine reine Anti-Programmatik ohne jeden konstruktiven Lösungsvorschlag.
Die Autoren äußern sich nicht zur Entwicklung in Deutschland, zu dem, was die diversen politischen Angebote in Regierung sowie Opposition sprachlich oder „inhaltlich“ bieten. Wer die Ergebnisse dieses Papers mal auf Deutschland projizieren will, sollte in gängigen Suchfunktionen Begriffe wie „Gendern“, „Woke“, „Degrowth“, „Deindustrialisierung“ oder irgendwelche Wortkombinationen mit der Farbe „Grün“ eingeben. Leider wird man derzeit auch unter allen möglichen Begriffen aus der Energietechnologie oder Energiewirtschaft fündig, das reicht von „Strompreis“ über „Dunkelflaute“ bis zu „Atomkraft“, ehemals neutrale Fachbegriffe sind zu einem vergifteten Brunnen verkommen.
Das Paper warnt eindeutig: Wehret den Anfängen, wird dieses Gift verabreicht, wirkt es lange und verheerend.
Hier die Studie im Original: https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-import/63738460-817f-4a88-837b-794a7c021251-KWP_2169_update_june_2022.pdf
Das Profil von Prof. Trebesch mit weiteren Veröffentlichungen: https://www.ifw-kiel.de/de/expertinnen-und-experten/christoph-trebesch/
Der lesenswerte FAZ-Beitrag mit bedauerlich veränderten Datencharts: https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2024-03-25/222aa34a2036524b755b3870ab6616de/?GEPC=s5
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