DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
Wien – Eine neue Gesetzesnovelle, die eine dreijährige "Cooling-off-Phase" für alle Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) einführt, hat im Verfassungsausschuss des Nationalrats breite Zustimmung erhalten. Diese Phase soll verhindern, dass Verfassungsrichter
kurz nach der Ausübung politischer Funktionen zum VfGH wechseln und so die Unabhängigkeit des Gerichts gefährden.
Gemäß der Bundesverfassung gibt es bereits strenge Unvereinbarkeitsregeln für VfGH-Mitglieder, die eine gleichzeitige Zugehörigkeit zu politischen Ämtern oder Parteien ausschließen. Bisher galt eine fünfjährige "Cooling-off-Phase" jedoch nur für die Spitzenpositionen – den Präsidenten und den Vizepräsidenten des VfGH. Mit der neuen Novelle wird diese Regelung nun auf alle Verfassungsrichter ausgeweitet, allerdings mit einem verkürzten Zeitraum von drei Jahren.
Die Gesetzesinitiative wurde von den Koalitionsparteien vorgelegt und heute mit den Stimmen aller Fraktionen im Verfassungsausschuss verabschiedet. Damit ist die notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat so gut wie gesichert. Eine endgültige Entscheidung im Plenum wird bereits morgen Vormittag erwartet.
Positive Reaktionen und weitergehende Vorschläge
Die Verfassungsnovelle (4099/A) stieß auf breite Zustimmung der Abgeordneten. Agnes Sirkka Prammer (Grüne), Selma Yildirim (SPÖ), Michaela Steinacker (ÖVP) und Nikolaus Scherak (NEOS) äußerten sich positiv über den Entwurf. Yildirim, die sich für eine noch längere "Cooling-off-Phase" ausgesprochen hätte, betonte, dass diese Regelung das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen stärken könne. Sie plädierte zudem für eine Änderung des Bestellverfahrens der VfGH-Richter hin zu mehr Objektivität und sprach sich dafür aus, auch für die Führungsspitze der Nationalbank eine "Cooling-off-Phase" einzuführen.
Scherak und Yildirim verwiesen auf den Fall des ehemaligen Justizministers Wolfgang Brandstetter, der kurz nach seinem Ausscheiden aus der Regierung zum VfGH-Richter ernannt wurde und bei vielen Entscheidungen wegen Befangenheit nicht mitwirken konnte. Eine "Cooling-off-Phase" soll solche Situationen in Zukunft vermeiden, wie Prammer und Scherak betonten.
ÖVP-Justizsprecherin Steinacker unterstrich hingegen, dass die bisherigen VfGH-Richter
stets respektable und kompetente Persönlichkeiten gewesen seien. Die neue Regelung bezeichnete sie als ausgewogen und angemessen.
Weitere gesetzliche Änderungen und vertagte Anträge
Neben der "Cooling-off-Phase" enthält der Gesetzentwurf auch Novellen zum Bundesgesetzblattgesetz, Verwaltungsgerichtshofgesetz und Verfassungsgerichtshofgesetz. Diese Änderungen sollen unter anderem die Veröffentlichungspraxis im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) präzisieren und dem Präsidenten des VfGH sowie des VwGH das Recht einräumen, an den parlamentarischen Budgetberatungen teilzunehmen. Zudem wird die Tätigkeit der rechtskundigen Mitarbeiter im VfGH geregelt und die Digitalisierung von Akten vorangetrieben.
Nicht einig wurde man sich hingegen über Änderungen im Bundesarchivgesetz und die Schaffung sozialer Grundrechte. Zwei entsprechende Anträge der SPÖ wurden erneut vertagt. Die SPÖ fordert unter anderem, digitale Äußerungen von Staatsorganen in sozialen Medien archivierungsfähig zu machen und die Archivfristen für wissenschaftliche Arbeiten zu verkürzen. Abgeordnete der ÖVP und Grünen sahen hier jedoch keinen dringenden Handlungsbedarf.
Ein weiterer vertagter Antrag der SPÖ zielt auf eine Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs ab, insbesondere auf die Verankerung sozialer Grundrechte. Michaela Steinacker (ÖVP) verwies darauf, dass soziale Rechte in Österreich bereits gut abgesichert seien und dass die Frage der Wirkung solcher Rechte gegenüber privaten Dritten noch ungelöst sei.
Fazit
Mit der breiten Zustimmung zur "Cooling-off-Phase" für alle VfGH-Mitglieder zeigt sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats entschlossen, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs weiter zu stärken. Der endgültige Beschluss im Plenum soll bereits morgen erfolgen. In anderen Bereichen, wie dem Bundesarchivgesetz und der Verankerung sozialer Grundrechte, sind hingegen weiterhin intensive Beratungen notwendig.
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
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