DMZ – SATIRE ¦ Ruedi Stricker ¦
Es dürfte wohl kein Thema geben, über das mehr Unsinn und Halbwahrheiten verbreitet werden als über die Fortpflanzung unserer eigenen Art. Der Rat hat sich nach eingehenden Abklärungen entschieden, aus den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen. Nachstehend die wesentlichen Fakten zur geplanten Verordnung.
Die Ursache
Vernünftige Eltern und weise Köpfe haben es immer vermutet: Schuld ist der Storch. Der Zusammenhang zwischen den Geburtenraten und der Populationsentwicklung des Weißstorchs (Ciconia ciconia) ist in den meisten OECD Ländern gemäß mehrerer Langzeitstudien derart signifikant, dass sich die in den letzten Jahren aufgekommenen Irrlehren von selbst erledigt haben. Dies gilt insbesondere für die konstruierte Kausalität zwischen Liebesakt und Nachwuchs. Man hätte ja schon stutzig werden müssen, als bereits 1989 nachgewiesen wurde, dass in 854 polnischen Bordellen während eines ganzes Jahres keine einzige Geburt zu verzeichnen war.
Eine Glanzleistung der Evolution
Mit Beinen, um die ihn der Adler beneidet, schreitet er durch den Sumpf. Seine kulinarischen Präferenzen teilt er mit dem französischen Connaisseur, allerdings erweitert um den Respekt vor dem Ganzen – Meister Adebar verspeist nicht einfach Schenkel, um den Rest achtlos wegzuwerfen. Als Pionier der Globalisierung und des Tourismus legt er jedes Jahr Tausende von Flugkilometern zurück, um den Winter in seiner afrikanischen Zweitresidenz zu verbringen. Wagenräder als tragendes Konstruktionselement seiner Nester lassen vermuten, dass er auch technisch dem Menschen weit voraus war. Evolutionsbiologen diskutieren derzeit die These, wonach homo sapiens in direkter Linie vom Storch abstammt.
Storchforschung
Auch wenn der Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Störche und der Schwangerschaft von Frauen in urbanen Biotopen statistisch erhärtet ist, harren noch zahlreiche Geheimnisse einer wissenschaftlichen Erforschung. Dass Klappergeräusche den Ovulationsprozess begünstigen, ist eine unbestrittene Tatsache. Allerdings wenden Kritiker ein, dass auch bei sexuellen Kontakten Klapper- und andere Geräusche auftreten. Eher abenteuerlich mutet dagegen die These an, wonach zwischen Rädern und Schwangerschaften ein Zusammenhang besteht. Als ob Wagenräder auf einem Kirchendach fortpflanzungsbiologisch die gleiche Funktion wie Leichtmetallfelgen an einem Maserati hätten. Wie auch immer: Wir halten die Einwohnerschaft auf dem Laufenden.
Störche statt Sex im Schulunterricht
Der allseits unbeliebte Sexualunterricht soll abgeschafft werden. Eine Task Force kümmert sich um die rasche Entsorgung des Lehrmittelbestands und sorgt dafür, dass all die widerlichen Bilder, Videos und weiteres pornografisches «Anschauungsmaterial» definitiv aus den Schulhäusern verschwindet. Als Ersatz werden zwei neue Wahlfächer angeboten. Einerseits werden die Landeskirchen unter Mitwirkung des Islamischen Zentralrats die Verantwortung für zwei Wochenstunden Göttliches Leben übernehmen. Als Alternative steht das Fach Vogelkunde zur Verfügung. Ein Institut in Sempach hat sich bereit erklärt, ein didaktisch geeignetes Lehrmittel zu erarbeiten.
Referendum des VZG Vereins zur Gleichstellung
Der VZG hat bereits das Referendum angekündigt. Die Frauen wehren sich aus grundsätzlichen Überlegungen gegen die Förderung einer Spezies, die mit einem männlichen Geschlecht bezeichnet wird. Allerdings ließen prominente Vertreterinnen im Rahmen der Vernehmlassung durchblicken, dass sie mit der weiblichen Gattungsbezeichnung «die Storche» leben könnten, falls im Gegenzug das Rentenalter der Frauen auf 48 Jahre gesenkt wird.
Referendum der AGR Aktion gegen Rassismus
Die AGR sammelt ebenfalls Unterschriften. Sie unterstellt verschiedenen Gruppen, während Jahrzehnten durch Zuchtversuche das überwiegend weiße Gefieder des Storchs gefördert zu haben. Für die AGR ist der Zusammenhang mit der überwiegenden Hautfarbe der hiesigen Bevölkerung nicht zufällig, sondern Element einer langfristigen rassistischen Ideologie. Ob die AGR im Austausch gegen eine Quotenregelung (mind. 40 Prozent Schwarzstörche) auf das Referendum verzichten will, ist offen.
Referendum des VHVM Verband der Hersteller von Verhütungsmitteln
Ebenfalls mit einem Referendum droht der VHVM. Er sieht in der Verordnung einen Frontalangriff auf seine Mitglieder und verweist auf den positiven Einfluss der Verhütungsmittel auf das allgemeine Sicherheitsdenken. So sei beispielsweise seit der Einführung des Kondoms bei den schweren Autounfällen ein massiver Rückgang zu verzeichnen.
Der Ratsschreiber
Ruedi Stricker
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