Die Folgen des Klimawandels sind nicht versicherbar – dafür ist es viel zu spät

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Kleine Anekdote aus einem Gespräch mit einem Experten für Straßenbau. Wenn man eine Straße über einen natürlichen Abwasserweg baut, legt man an der Stelle einen Durchfluss unter die Straße. Klingt gut.

 

Aber: Im Sommer, wenn Straßen gebaut werden, ist alles trocken. Wie also wird der Durchfluss bemessen? Antwort: Da gibt es so „Tabellen“ und „Richtlinien“. Mit irgendwelchen „Durchschnittswerten“ aus den letzten 30 Jahren. Dort kann man dann ein 30er oder 50er Rohr oder was auch immer entnehmen, das lässt sich ganz prima (aka „sparen“) unter die Straße legen. Kommt dann „plötzlich“ (aka „konnte niemand mit rechnen“) „etwas“ mehr Wasser den Berg runter oder die Wiese entlang, ist das Rohr schnell dicht, das Wasser staut sich dahinter und nimmt dann seine Wege. In die Unterkonstruktion der Straße, über die Straße in den nächsten Keller, wohin auch immer. Passiert das zu oft, ist die Straße irgendwann weg, kommt richtig viel, ist sie sofort weg – oder der nächste Keller. Da wäre vielleicht ein 100er Rohr doch besser gewesen, aber – leider zu teuer, wie der „Ökonom“ so gerne behauptet.

 

Nur eine Anekdote. Geht auch nur um abfließendes Wasser. Davon zudem auch nur ein kleiner Teil. Es gibt übrigens auch noch aufsteigendes Wasser. Oder Hitze. Oder Stürme. Was auch immer wir uns in den letzten 30 Jahren ausgedacht und gebaut haben, es ist vorsichtig formuliert unterkomplex gedacht, so etwas wie behördlich/verwaltungstechnische Hybris, von zu vielen „Experten“ gemacht und leider unwissenschaftlich. Gilt übrigens auch für das, was letztes Jahr gebaut wurde oder nächstes Jahr gebaut werden wird. Soooo schnell kann man nicht reagieren, denn das haben wir ja immer so gemacht. Unsere komplette Infrastruktur ist voller solcher Tellerminen und wir räumen sie nicht etwa, wir bauen munter weitere hinzu.

 

In den 90ern durfte ich bei der Munich RE ein paar Projekte begleiten. Da wurden diese vielen Mängel – das hier ist insgesamt wirklich nur anekdotischer Kleinkram, ich wollte ein wenig darüber schwätzen – qualitativ benannt, kausal klargestellt und auch beziffert. Dabei wurde auch ökonomisch nachgewiesen, dass es sich „nicht rechnen“ werde, dass die Schäden also irgendeinen behaupteten Nutzen übersteigen.

 

Nun ist die politische Reaktion dieselbe wie die ökonomische: Die verursachten Schäden müssen irgendwie weg, in andere Bücher verschoben werden, vorzugsweise in zukünftige, die noch keiner zu führen hat. Das sollen laut Politik nun die Versicherer übernehmen, also eben jene, die schon 1990 vorgerechnet hatten, dass das irgendwann nicht mehr versicherbar sein wird. Der Grund ist einfach: Wenn man über Jahrzehnte Schäden züchtet, die keiner bezahlt und für die keine Rücklagen gebildet werden, ist die Summe irgendwann so hoch, dass sie auch über eine Umlage von nicht Betroffenen auf Betroffene nicht mehr finanzierbar ist. Überschuldung würde man das woanders nennen.

 

Das beigefügte Chart zeigt es sehr gut. Das sind mehr als die klimabedingten Schäden, aber diese fangen nun mal gerade erst an. Wie die Anekdote mit dem Rohr zeigt, haben wir dabei leider diverse Kipppunkte, denn so ein Rohr wird „plötzlich“ zum Röhrchen und dann ist der Folgeschaden von einem Tag auf den anderen da, der zuvor nicht sichtbar wurde.

 

Die nüchternen Daten hinter dem Chart sind übrigens auch nicht neu oder überraschend. Wir sehen hier zunehmend, dass vieles bereits gar nicht versichert ist, oft weil die Hybris es verhinderte, aber vor allem, weil es gar nicht versicherbar war. Wir sehen aber auch eine wachsende Belastung der Versicherungen. Dabei ist die Tendenz leider klar – und in den 90ern bereits berechnet worden.

 

Zwischenbilanz: Wir haben im 30jährigen Mittel bis 2022 eine jährliche Schadenshöhe von 180 Milliarden Dollar. Die Daten für 2023: 250 Milliarden. Beträge inflationsbereinigt. Wir sind also um 40% über das langjährige Mittel hinaus, nochmals: inflationsbereinigt! Das fängt aber gerade erst an, die meisten unzureichenden Röhrchen in unseren Infrastrukturen schlummern nämlich noch.

 

Das ist nicht versicherbar. Wissen wir seit den 90ern. Es gibt keine andere Erkenntnis als die: Das werden wir zu bezahlen haben. Nachdem über Jahrzehnte angeblicher ökonomischer Nutzen erzeugt wurde, wird es nun darum gehen, Schäden hinzunehmen.

 

Wie so oft ist die tiefere Tragik dabei: Die Schäden werden kaum diejenigen erleiden, die sie verursacht haben. Das wurde übrigens in den 90ern auch bereits festgestellt und davor gewarnt, es dabei zu belassen, weil dadurch leider aus der Sache mit der Erzeugung von Schäden in der Gesamtbilanz eben doch für manche ein ökonomischer Sinn entsteht.

Ups, da hätte ich jetzt auch „Nutzen“ schreiben können, kam mir aber irgendwie nicht in den Sinn.


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