DMZ – INTERNATIONAL ¦ István Dobozi ¦
KOMMENTAR
Bei der amerikanischen Rechten, insbesondere bei ihrem extremen Flügel, herrscht seit geraumer Zeit ein Personenkult um Viktor Orban.
Die Heritage Foundation – die stärkste amerikanische Denkfabrik, die Donald Trump unterstützt und eine enge Beziehung zum ungarischen Premier unterhält – fördert Orbáns System als ein Modell konservativer Regierungsführung, dem man folgen sollte. Der Orbánismus bekommt weitgehende Anerkennung unter anderem für seine Politik gegen Globalisierung, EU und Migration.
Allerdings wurden amerikanische Orbán-Fans jüngst, was keine kleine Überraschung war, von völlig unerwarteter Seite angegriffen. Bei Marc A. Thiessen, dem zutiefst konservativen „Hauskolumnisten“ der liberalen Washington Post, war das Fass übergelaufen. Bereits der Titel seines Artikels lässt aufhorchen: „Die amerikanische Rechte sollte den ungarischen Führer als radioaktiv behandeln.“ Welchen Narren hat das CPAC (Conservative Political Action Conference) an Orbán gefressen? Für einige seiner Äußerungen – zum Beispiel: „Wir wollen keine Mischlinge werden.“ – könnte man Viktor Orbán laut Thiessen sogar den David-Duke (ehemaliger Leiter des Ku-Klux-Klan) von Ungarn nennen.
Vor allem aber greift der berühmte Kolumnist die Rechte in den USA an, weil sie in ihrer blinden Begeisterung für Orbán dessen scharfe antiamerikanische Außenpolitik übersieht. Vor allem auch, dass Budapest als Verbündeter der USA äußerst enge Beziehungen zu jenen beiden Staaten – China und Russland – unterhält, die neben ihren autokratischen Regimen auch eine existentielle Bedrohung für die USA darstellen. In Bezug auf China zählt der Autor bedeutende Finanzkredite aus Peking für Ungarn auf, darunter die strategischen Partnerschaftsvereinbarungen mit dem Telekommunikationsriesen Huawei, der als Feind der Sicherheitspolitik Washingtons gilt. Thiessens Fazit: „Orbán hat sein Land zu einem Vorposten für den chinesischen Geheimdienst gemacht“. China erkauft sich politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Ungarn, und das hat schädliche Auswirkungen auf den Westen und die nationalen Sicherheitsinteressen Amerikas.
Thiessen sieht aber leider nicht die Hauptmotivation für die verstärkte Freundschaft Ungarns mit östlichen Diktaturen: Diese ist nämlich Viktor Orbáns persönliches, ehrgeiziges Streben nach Macht auf der Weltbühne. Selbst Europa ist für ihn zu klein. Er will unbedingt ein großer internationaler Player werden; sei es in Form eines schwarzen Schafes oder des Enfant terrible. Nur ein Beispiel: Ungarn hat in den letzten sechs Jahren sechzig Prozent der außen- und sicherheitspolitischen Vetos in der Europäischen Union eingelegt, während sein Anteil nur zwei Prozent der Gesamtbevölkerung der EU und ein Prozent des BIP der Gemeinschaft beträgt.
Auch Orbáns besondere Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin dient vor allem dazu, seine Isolation innerhalb der EU zu kompensieren. Der soeben stattgefundene Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Budapest hat deutlich gemacht, dass es Orbán – wie keinem anderen Staatschef in der EU – gelungen ist, eine besondere Beziehung zu Peking aufzubauen und so die Missbilligung der Verbündeten hervorzurufen. Es sieht ganz danach aus, als ob für den nicht gerade als Diplomat geborenen Orbán sein Aufruf „Öffnung nach Osten“ eher eine Schließung zum Westen bedeutet.
Während der Präsidentschaft von Donald Trump erhielt der ungarische Ministerpräsident die lang ersehnte Anerkennung auch aus Washington. Es ist kein Wunder, dass Orbán – im Gegensatz zu anderen EU-Regierungschefs – öffentlich Trumps Rückkehr ins Weiße Haus befürwortet und sich somit in die amerikanische Innenpolitik einmischt. Von da führt ein direkter Weg zur Hybris-Mentalität: Arroganz und Überschätzung der eigenen Macht, ganz zu schweigen von seinem oft undiplomatischen Auftreten. Er meint zum Beispiel, dass er es sich leisten kann, die politischen Beziehungen zu den USA, dem wichtigsten Verbündeten und Hauptgaranten unserer nationalen Sicherheit, einfrieren zu lassen. Orbán und sein Außenminister sind in Washington inzwischen praktisch unerwünscht. Das ist bereits viel mehr als eine vorübergehende diplomatische Eiszeit, wie es sie zuvor unter demokratischen Regierungen zwischen USA und Ungarn gab. Es ist geradezu skandalös, dass der ungarische Premier keine Zeit für ein Treffen mit dem amerikanischen Botschafter David Pressman fand, der seit fast zwei Jahren in Budapest ist, obwohl es wahrlich Vieles zu besprechen gäbe.
Den Preis für diese desaströse Außenpolitik zahlt nicht die Machtelite, sondern die ungarische Bevölkerung. Es wäre an der Zeit, Orbáns „Amoklauf“ unter der größenwahnsinnigen Doktrin „Wagen wir Ungar zu sein“ zu beenden. Er ist nämlich so gefährlich wie Radioaktivität.
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