Die Disruption durch Batteriespeicher hat begonnen – diese zu ignorieren, ist schon jetzt teuer

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Batterien als Stromspeicher im Netz (BESS) dürften derzeit wohl so gut wie jeden in der Branche interessieren. Dabei geht es nicht darum, ob man investiert, sondern wann. Wie so oft gibt es in Deutschland spezifische, kostentreibende Hürden von Bürokratie bis zur Markt-Regulierung, weshalb es global viel agiler passiert. Aber die wesentliche Frage dürfte überall das Timing sein, denn die Preise für die Anlagen fallen weiter und keiner will zu früh zu teuer kaufen.

 

Die IEA hat in einer Studie den Markt analysiert und ich bewerte die wie fast immer bei dieser Quelle als so etwas wie den konservativen unteren Rahmen der zu erwartenden Entwicklung. Die IEA hat die Veränderungen tatsächlich immer zu verhalten eingeschätzt und je früher sie einen Trend aufgriff, desto weiter lag sie – nach unten – daneben. Das ist hier wieder sehr wahrscheinlich, aber umso lesenswerter ist der Bericht, denn er sagt trotzdem eine dynamische Veränderung durch BESS voraus.

 

Der momentan wichtigste Treiber der Entwicklung ist mal wieder ein ökonomischer Gamechanger: Die Kombination aus einer EE-Erzeugung plus einem Batteriespeicher produziert inzwischen günstiger als die billigsten Kraftwerke. Das gilt sogar für die besonders billigen Kohlekraftwerke in Indien und China sowie für die Gaskraftwerke in den USA (Chart1).

Für die Mahner der Gesamtsystemkosten, deren Mahnungen ebenso berechtigt sind, wie sie immer ohne eine Berechnung der Gesamtsystemkosten zugestellt wird: Das sind sie zwar immer noch nicht, aber diese Kombination ist nun der direkte Vergleich zu einem Kraftwerk.

 

Die das bauen sind primär Betreiber und Versorger, die schlicht für 24h die günstigste Lieferung produzieren wollen und statt einer EE-Erzeugung plus einem Kraftwerk als Backup werden nun BESS zugebaut – sehr oft übrigens an Kraftwerk-Standorten, um deren Infrastruktur zu nutzen und den Rückbau der Kraftwerke damit zu optimieren. Da geht so mancher Kohle- oder Gasmeiler in den Schrott und wird durch eine Batterie ersetzt, aus Gesamtkostengründen.

 

Was die IEA in dem Report auch sehr schön auflöst: Die ganze BESS-Entwicklung beginnt gerade erst (Chart2), sie profitiert derzeit lediglich vom E-Auto-Sektor, denn die meisten Lieferungen für sehr große Speicher kommen von BYD und Tesla. Auch hier darf man den Report kritisieren, denn diese Erkenntnis wird nicht ausreichend berücksichtigt. Eine weitere Beschleunigung der Entwicklung liegt sehr nah.

 

Das gilt auch für die bereits öffentlich bekannten Planungen für die weiteren Ausbauten. In den meisten Märkten wird das ohnehin von Unternehmen getrieben und die verkünden ihre Projekte in der Regel, wenn Verträge unterschrieben sind und der Speicher dann 6-18 Monate später läuft. Der von der IEA insgesamt erwartete Ausbau fällt viel zu gering aus, auffällig und erwähnenswert an der Tabelle (Chart3) ist aber mal wieder die Dominanz Chinas und hier werden Daten für 2025(!!) genannt, die den Rest der Welt bis teilweise 2045 in den Schatten stellen. Aus Europa ist hier eigentlich nur Spanien nennenswert, wo das tatsächlich staatlich hinterlegte Strategie ist – sehr klug übrigens, parallel erfolgt der Ausstieg aus der Kernenergie.

 

Diese Daten unterschätzen die Dynamik aber gewaltig und das, obwohl man sich mit den verschiedenen Spezifikationen der BESS und den Einsatzszenarien beschäftigt hat (Chart 4). Dunkelflaute-Fans sollten die mal genauer ansehen, denn hier wird – sogar eher grob – mal unterschieden, für welche Szenarien man Reserven braucht. Dabei sehen wir außer den saisonal genannten Speicherbedarfen überall Batterien als geeignet.

 

Letzteres ist aber durchaus strittig, denn der wesentliche Nachteil von Batterien in der saisonalen Speicherung – also über Monate – ist deren Energieverlust. Die Effizienz sinkt hier von >90% auf Werte um 80%. Für einen Batterieforscher sind das so schlechte Werte, dass er oft „ungeeignet“ dran schreibt. Wenn man aber die Effizienz von H2 als Stromspeicher mal dagegen hält …

 

Kommen wir mal zu Preisen, die hier nur teilweise genannt werden. Es kann der IEA natürlich nicht gelingen, dieses gut gehütete Geheimnis bei den Großspeichern aufzulösen. BYD und Tesla liefern an die Großprojekte zu Konditionen, die nicht veröffentlicht werden. In der Branche laufen daher nur allgemeine Kalkulationsgrundlagen herum, die derzeit für die Projekte in den USA und Australien von Stromspeicherkosten in der Region um 5 Cent pro KWh ausgehen. Das gilt für größere Projekte als Benchmark. Dieser Preis wird alleine deshalb weiter sinken, weil mit den Großspeichern die Recycling-Industrie erst richtig in Gang kommt. Derzeit ist Lithium-Recycling nämlich wegen der kleinteiligen Zellen und Mengen zu teuer. So eine GW-Anlage ändert das – daher ist so ein Speicher zukünftig nach Erschöpfung der Zellen keineswegs mehr wertlos.

 

Die IEA geht korrekt davon aus, dass die Preise sich also wohl nochmals halbieren werden. Parallel hat aber China den ersten größer skalierten Natrium-Speicher vorgestellt – und der hat diese Halbierung bereits jetzt erreicht!

 

Das fängt also auf allen Ebenen, vom Investmentkapital über die Grundlagentechnologie bis zur industriellen Skalierung inklusive Recycling gerade erst an. Dabei sind die Preise bereits jetzt den Kraftwerken überlegen. Deutschland aber wird durch eine Kombination aus Kraftwerkslobby, H2/Gaslobby mit freundlicher Unterstützung des Dunkelflauten-Chors sowie dem politischen Druck, ausgerechnet jetzt schon neben dem politischen Datum des Kohleausstiegs und der Festlegung der Technologie für saisonale Speicherung ab 2045 in eine sehr teure H2-ready Strategie getrieben, die es so global gar nicht gibt. Im Gegenteil sind die USA aus H2 als Stromspeicher gerade explizit ausgestiegen: Da gibt es dafür kein Geld mehr, wer das machen will, muss es privat tun und das macht deshalb auch niemand.

 

Es mag durchaus sein, dass Kraftwerke auch zukünftig im Energiemix eine Rolle spielen. Mittelfristig ist das sicher, langfristig aber immer fraglicher. Was an der deutschen Strategie so falsch ist, sind zwei Aspekte: Man glaubt erstens, mit heutiger Technologie das Energiesystem der Zukunft entscheiden zu müssen. Man sagt, das erfolge aus Gründen der Sicherheit. Dabei ist so eine Entscheidung mit maximalen Unsicherheiten verbunden. Zweitens zeigen diese Daten, dass mit heutiger Technologie der Alltagsbetrieb eines Energiesystems bereits ohne Kraftwerke möglich ist. Das muss man nur ausbauen. Die ganz großen Stoppschilder der Dunkelflauten- und Kostenpropheten – Netzstabilität, Redispatch, Optimierung Netzinfrastruktur – könnten mit BESS schlicht beseitigt oder erledigt werden.

 

Warum nutzt man eine aufkommende moderne Technologie nicht zur Erledigung der vorhandenen Probleme, für die sie schon alle Vorteile für sich hat? Warum legt man eine Technologie der Vergangenheit zur Erledigung von Problemen in 30 Jahren fest, obwohl man jetzt schon vermuten muss, dass die dann viel zu teuer ist? Warum macht man das mit dem Argument, man müsse sparen und besonders gut abgesicherte Entscheidungen treffen?

Anstrengend.


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