DMZ – GESELLSCHAFT / Liselotte Hofer ¦
KOMMENTAR
In der Geschichtsstunde hatte ich nie etwas von ihr gehört. Aline Rosenbaum rettete viele Flüchtlinge im 2. Weltkrieg. Sie lebte lange Zeit im Tessin. In einem abgelegenen, engen Tal, dem Onsernone Tal. Das Tal befindet sich nahe an der Grenze zu Italien. Deshalb war es strategisch gesehen sehr interessant, man konnte dort gut Personen verstecken.
Aline Rosenbaum ist für mich ein Vorbild, weil sie sehr unabhängig und selbstsicher war.
Als ich im Gymnasium war, machten wir ein Klassenlager im Tessin. Unser Professor hat zwar ausführlich über den 2. Weltkrieg und die Flüchtlinge in der Schweiz gesprochen, aber von Aline Rosenbaum-Ducommun hat er nichts erzählt. Dabei wurden im Onsernone Tal sehr viele Menschen vor den Nazis versteckt.
Aber der Professor sprach vor allem über den Film: Das Boot ist voll. Wir waren eine Woche lang in Tegna. Damals dachte ich, im Tessin will ich später einmal leben. Dieser Traum hat sich erfüllt.
Auch Aline hatte diesen Traum. Sie wurde 1889 in Vevey geboren und wuchs später in Bern auf Ihre Eltern hießen Ducommun. Der Vater war Apotheker. Seine Familie stammte aus Südfrankreich.
Ihre Mutter, eine Bernerin, war Hausfrau und Mutter. Sie liebte Klaviermusik. Deshalb lernte Aline schon früh, Piano zu spielen. Ihre Mutter wollte eine Pianistin aus ihr machen. Und Aline wollte immer gut bei ihr ankommen.
Ihr Großvater Ducommun machte Politik in Bern. Er leitete das Friedensbüro. Dort empfing er auch Bertha von Suttner, die berühmte Pazifistin. 1902 erhielt der Großvater den Friedensnobelpreis.
Alines 1. Ehemann war Wladimir Rosenbaum, ein jüdischer Anwalt. Mit ihm lebte sie in Zürich.
Das junge Ehepaar hatte viele Freunde aus Künstler-Kreisen. Sie kannten zum Beispiel Kurt Tucholsky, Hans Arp, Sophie Räuber und Elias Canetti. Im künstlerischen Salon, den das Ehepaar unterhielt, traf man sich gerne.
Auch der berühmte Psychiater C.G. Jung zählte zu den Freunden des Paares.
Wladimir schenkte Aline die Villa La Barca. Das ist ein kleiner Palazzo im Onsernone Tal.
Dort verbrachte sie viel Zeit. Es wird ein bisschen ein Geheimnis um diese Villa gemacht. Wahrscheinlich weil sie oft als Schlupfwinkel für Flüchtlinge diente. Diese kamen über die nahe italienische Grenze in die Schweiz. Auch die Rosenbaums gewährten den Emigranten Zuflucht in der Barca und retteten so ihre Leben.
Wladimir und Aline führten eine offene Ehe. Aline hielt sich oft alleine in der Villa auf. Viele Freunde des Paares kamen damals auf Besuch ins Haus. Darunter waren auch einige Schriftsteller. Das färbten auf Aline ab, und sie begann selber zu schreiben. Sie schrieb unter dem Pseudonym Aline Valangin.
Später ließ sie sich scheiden und heiratete Wladimir Vogel, einen Komponisten. Mit ihm lebte sie in Ascona. Dort praktizierte sie als Psychologin.
Sie wurde 97 Jahre alt.
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