DMZ – GESELLSCHAFT ¦ Viktor Nowak ¦
KOMMENTAR
Mich beunruhigt sehr, dass der Hasspegel in unserer Gesellschaft auf eine mich beängstigende, unheilvolle Weise dramatisch zunimmt. Ich nehme seit einiger Zeit eine wachsende Anzahl von Menschen auf eine äußerst unangenehme Weise als unerträglich gereizt, gar hasserfüllt, wahr.
Beispiele dieser bedenklichen Entwicklung sind für mich wüste Schlägereien allerorts, sinkender Respekt gegenüber Andersdenkenden, brutale Angriffe auf Polizisten, Randale in Bars und Restaurants, Pöbeleinen in der Eisenbahn, Mord und Totschlag, üble Gewaltexzesse bei Fußballspielen, grenzenloser Hass auf Migranten, Asylanten, andere Kulturen, Sexismus, Rassismus, gegen Menschen aus den Bereichen LGBTQ und POC um nur einige verwerfliche Beispiele zu erwähnen.
Natürlich ist diese Bedrohung von Sitten und Anstand nicht neu. Die Häufigkeit und die Heftigkeit haben klar ersichtlich massiv zugenommen. Für mich steht fest, dass diese negativen Emotionen vor dem Aufkommen von Social Media nicht so deftig ausfielen. Vor allem die Gewaltbereitschaft erlebte ich früher als wesentlich geringer. Es kam sehr wohl zu hitzigen Debatten und harten Auseinandersetzungen, aber blindwütiger Hass, wie er heute für Unruhe sorgt, war selten eine Bedrohung, kaum ein Thema. Auch ich kann mich da nicht ausnehmen. Ich bin gereizter als früher, auch wegen Nebensächlichkeiten. Irgendwie ist meine Fähigkeit, besonnen auf Bedrohungen zu reagieren gesunken.
Ich gebrauche peinliche Kraftausdrücke, für die ich mich früher geschämt hätte. Ich fühle mich mit der Fülle von Problemen im Inland aus Ausland, vom Informationsoverkill auf allen Kanälen, immer mehr überfordert. Der Hass ist vorwiegend auf ein ganz bestimmtes Objekt gerichtet, in der Regel auf eine Person. Es handelt sich um ein sehr starkes, negatives Gefühl der Aggression, gekennzeichnet durch einen Vernichtungswillen, feindselige Abneigung, starkes Gefühl der Ablehnung und Feindschaft. Er vertreibt den Menschen aus sich selbst. Zwei grundlegende Ängste treiben den Menschen um: wertlos und Bedrohungen ausgeliefert zu sein. Fühlt man sich bedroht, reagiert man mit Angst, oder mit Aggression auf Bedrohungen.
Die steigende Angst vor einem sozialen Abstieg ist ein Beispiel unter vielen. Der Hass, oft auch als Gegenpol der Liebe bezeichnet, ist die destruktivste und bedrohlichste aller Emotionen des Menschen – und gehört doch zur unserer psychischen Grundausstattung. Er kann sich äußern in verbalen Attacken, persönlichen oder gesellschaftlichen Konflikten, am intensivsten in Verbrechen und Krieg. Es ist leicht, den Schmerz mit Hass zu ersetzen. Der Hass baut nichts auf, der Hass beraubt, unterdrückt und zerdrückt.
Der Hass hört keinem zu, der Hass stellt sich gegen und über andere Menschen. Der Hass kapselt die Trauer ein und verhindert das Wachstum und die Entwicklung. Der Hass ist eine Kraft, die sich gegen das Leben stellt. Es ist leichter zu hassen, als den Frieden zu stiften. Besonders abstossend finde ich in diesem Zusammenhang die intolerante, sture Rechthaberei, das Niederschreien der Argumente von Andersdenkenden. Hassen statt zuhören. Ich bin der Überzeugung, dass mehrheitlich die als sozial bezeichneten Medien, ganz besonders Plattformen, wie Facebook, Telegramm, das Dark Net, X (Twitter), das Ausleben des Hasses fördern. Auf ihnen wird ungehemmt gehasst, beleidigt, mit Mord gedroht, gehetzt, gelogen, gemobbt.
Die Hassreden, der sogenannte Hate Speach, sind besonders bei Jugendlichen, ein weit verbreitetes Phänomen. Bezüglich Beschleunigung des Hasspegels sind sich die Experten uneinig. Einige sehen den Krieg in der Ukraine, andere Corona als treibende Kraft. Ich habe erleben müssen, wie hasserfüllt und ablehnend viele Corona Leugner und Impfgegner reagieren, wenn jemand nicht ihrer Meinung ist. Ein fairer Diskurs ist mehrheitlich unmöglich. Ich sehe einen weiteren Zankapfel. Die Wokeness und das Gendern. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen weckt bei Befürworter*innen und der Gegnerschaft oft unglaubliche Aggressionen. Wir leben, trotz aller großen Probleme in vielen Bereichen, in einem der schönsten und friedlichsten Länder der Welt.
Uns fliegen keine Bomben und Gewehrkugeln um die Ohren. Wir müssen uns nicht in Schutzkellern verstecken. Wir müssen keine kriegsbedingten Opfer beklagen, um nur einige Beispiele zu erwähnen. Mich ärgert, wenn Menschen wegen Nebensächlichkeiten wütend sind, weil sie ihren oft wohlstandsverwahrlosten Lebensstil nicht mehr auf eine überbordende Weise ausleben dürfen, sich nicht mehr alles leisten können. Mich empört, dass vor allem politisch rechts stehende Politiker, die Hass und Zwietracht schüren, um ihre menschenverachtende Politik einer frustrierten Wählerschaft schmackhaft zu machen. Bedenklich finde ich, wie sie mit Lügen, Desinformation, gehässigen Beleidigungen, politische Gegner lächerlich machend, gegen sie hetzend in weiten Teilen der Bevölkerung erfolgreich sind. Diese Wählerschaft übernimmt diesen schändlichen Umgang mit Andersdenken und feiert sich mit hasserfüllten Kommentaren, ganz besonders auf den sozialen Medien.
Einige Beschimpfungen gehen unter die Gürtellinie. Die genannten Politiker sorgen für eine unerträgliche Verschärfung des Umgangstons im Parlament. Ich weiss, dass dies im Ausland, vor allem in autokratisch geführten Staaten noch schlimmer ist. Auch in Demokratien, wie den USA. Wir müssen mit aller Kraft eine Trumpisierung der Politik in der Schweiz und der Gesellschaft verhindern. Ich finde, dass mehr Dankbarkeit und Zufriedenheit, statt Hass und Frust, das Zusammenleben erleichtern. Aber wenn man den Frieden und die Eintracht stiften will, muss man den anderen zuhören, man muss bereit sein, seinen Gedanken zu folgen. Ich bedauere sehr, dass eine steigende Anzahl von Menschen sich immer schwerer damit tut. Auch ich muss dafür sorgen, dass ich mich von diesen selbstzerstörerischen Aggressionen löse. Hass ist definitiv keine Lösung. Ich wünsche uns allen Peace, Love and understanding.
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