DMZ - Gesellschaft / Leben ¦Tony Lax ¦
KOMMENTAR
Um sich wirksam "gegen die rechte Mobilisierung zu stemmen", sei es "erforderlich, genau zu verstehen, wie rechtspopulistische Strategien funktionieren" (18), schreibt Franziska Schutzbach in der Einleitung ihres Buches "Die Rhetorik der Rechten" [1], welches aus ebendiesem Grunde geschrieben worden sei: Einen Einblick in rechtspopulistische Diskursstrategien zu vermitteln und mögliche Gegenstrategien vorzustellen.
Hierzu identifiziert Schutzbach, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, zwanzig solcher Strategien, wovon die einen eher inhaltlicher Natur sind, andere hingegen sich vornehmlich durch stilistische Besonderheiten auszeichnen. Um diese Parameter als rechtspopulistische auszuweisen, muss freilich vorgängig erst geklärt werden, was Rechtspopulismus denn überhaupt sei. Hierbei nimmt Schutzbach die in der Forschung bestehenden definitorischen Unschärfen nicht nur in Kauf, sondern findet den Begriff "gerade deshalb sinnvoll, weil er etwas beschreibt, das schwer greifbar, wandlungsfähig und schillernd ist." (21) Zudem würden rechtspopulistische Strategien zuweilen auch von anderen politischen oder gesellschaftlichen Lagern verwendet, nicht zuletzt sogar vom Linkspopulismus. Diese Hinweise werden den meisten Leserinnen und Leser zunächst allerdings nur bedingt hilfreich erscheinen.
Es wird in der Folge aber wenigstens dies deutlich: Rechtspopulismus heißt eben diejenige Form politischer Agitation, die sich unablässig der im Buch vorgestellten Redestrategien bedient, um ihrer auf Feindbilderproduktion und Provokation bauende Protestpolitik Resonanz zu verschaffen und sich Deutungshoheiten im politischen Diskurs zu sichern. Man erkennt diese Kommunikationsmuster auch sofort als ebendie rhetorischen Mittel und argumentativen Vorgehensweisen jener Politikerinnen und Politiker, die man selbst auch ohne Kenntnis einer präziseren Definition intuitiv dem amorphen Phänomen Rechtspopulismus zuordnen würde.
Außerdem gibt es in der Schweiz ja auch nur eine Partei, die man wohl ohne lange zu überlegen gleich als Ganze und ziemlich zielsicher in diese Schublade zu stecken dürfen glaubt: die SVP. Und diese SVP steht, nebst der AfD, denn auch klar im Fokus der Betrachtungen in diesem Buch. Schutzbach verweist zudem hinsichtlich der SVP nicht nur auf deren clever gespielte Doppelrolle als Oppositions- und als Regierungspartei, sondern hebt auch hervor, wie diese von der ehemals rechtskonservativen seit den Neunzigerjahren zur immer lauter schreienden und stets lustvoll provozierenden rechtspopulistisch gewordenen Partei geradezu zum Vorbild von ausländischen Parteien wie der deutschen AfD, dem französischen Front National oder den Schwedendemokraten wurde. Und dass der Erfolg der SVP nicht zuletzt darauf basiere, dass die Partei es verstehen würde, sich geschickt einerseits augenscheinlich dem Populismus hinzuwenden und sich gleichzeitig dennoch weiterhin glaubhaft als bürgerlichen Traditionspartei zu positionieren.
Unter den im Buch erwähnten Strategien erkennt man nicht wenige denn auch sogleich als solche, die schon gerade als typisch für die politische Kommunikation der SVP gelten:
Die Rede vom "'Volk' gegen 'die Eliten'", die stete "Erweiterung des Sagbaren" (> Provokation mit skandalträchtigen Begriffen), die "Macht, Themen zu setzen", die "Forderung nach der 'wahren' Demokratie'", der unverhohlene "Antiparlamentarismus", der Kampf "gegen 'Minderheitenterror' und Political Corectness" aber auch den energischen "Antifeminismus und Anti-Gender" sowie einer (partiellen) "Wissenschaftsfeindlichkeit", die zuweilen verschwörungstheoretische Zügen annehmen kann, wie z. B. in der aktuellen Klimaschutzdebatte zu beobachten ist.
Andere von Schutzbach aufgeführte Konzepte hingegen, wie z. B. die "Positionierung als seriöser Diskurspartner" oder die "Forderung nach (medialer) Meinungsvielfalt" sind hingegen nicht gleich als spezifisch rechte "Strategien" erkennbar, denn jeder, der in eine Diskussion geht, wird sich als seriöser Diskussionspartner zu positionieren suchen und was an der Forderung nach medialer Meinungsvielfalt falsch oder zumindest rechtspopulistisch sein soll, erschließt sich einem auch nicht auf den ersten Blick (etwas später im Text wird es dann aber deutlicher). Und zu guter Letzt sind ein Setzen auf "Emotionen statt [auf] Argumente" sowie die exzessive Pflege einer "Rhetorik der Angst" (bzw. eine Rhetorik, die Angst schürt) Vorgehensweisen, deren sich ja gerade auch die Linke gerne bedient; auch das volkswirksame Elite-Bashing ist ebenfalls keine nur von den Rechten angewandte Strategie.
Nach einer einleitenden kurzen und stichwortartigen Vorstellung dieser zwanzig Kommunikationsmuster bespricht Schutzbach im Hauptteil des Buches dann jedes einzelne etwas eingehender und veranschaulicht dessen Anwendung sowie zuweilen auch die erzielte Wirkung anhand von Beispielen vor allem aus Deutschland und aus der Schweiz; da und dort wird auch Illustrationsmaterial aus Amerika herangeführt. Ein wichtiger Punkt, den Schutzbach dabei noch ins Licht hebt, ist der, dass es sich bei gewissen Vorgehensweisen um programmatische Strategien von Parteien oder Agenturen handelt, die in diversen Strategiepapieren auch tatsächlich nachzulesen sind.
Als nicht unmaßgeblichen Akteur bei der Schaffung eines Resonanzraums für rechtspopulistische Agitation und der Salonfähigmachung bislang tabuisierter Begriffe und Redeweisen nimmt Schutzbach sodann aber die Medien streng in die Pflicht. Denn durch die unreflektierte Übernahme von Begriffen wie z. B. "Asyltourismus", Flüchtlingsfluten" etc. hätten die Medien maßgeblich dafür gesorgt, dass diese skandalträchtigen Wörter und die mit ihnen verbundenen Vorurteile und Diskriminierungen gewissermaßen 'normalisiert' wurden und ebenso unreflektiert in den Alltagsdiskurs eingedrungen seien. Schutzbachs Forderung, dass Medien gewisse Leute gar nicht zu Wort lassen oder gewisse Aussagen nicht publizieren sollten, ist natürlich sehr provokant und wird auch dementsprechend kontrovers diskutiert.
Das im Schlusskapitel präsentierte Angebot mit den Gegenstrategien ist dann allerdings eher mager, jedoch hat Schutzbach bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, dass der Schwerpunkt auf "der Durchleuchtung der rechtspopulistischen Diskursstrategien" (15) läge und sich für die Frage, wie man sich dagegen wehren solle, keine allgemeingültigen Rezepte formulieren ließen. Es müsse eh jeweils situativ darüber nachgedacht werden, wie diskriminierender oder demokratiefeindlicher Rede jeweils wirksam begegnet werden könne. Entscheidend bleibt die Tatsache, dass man dagegenhalte und dafür sorge, "dass rechte Positionen nicht unwidersprochen im Raum stehen" (119) blieben. Doch – und hier bezieht sich Schutzbach auf eigene Erfahrungen – sei es durchaus legitim, sich auch mal "aus Gesprächen zurückzuziehen und die eigenen Energien zu schonen" (120). Schutzbach selbst nahm für sich erst kürzlich in Anspruch, ein zunächst zugesagtes Interview nach Durchsicht des Fragekatalogs wieder abzusagen, weil sie darin zu viele Suggestivfragen ausmachte. [4]
Zuweilen hat man bei der Lektüre den Eindruck, dass die Autorin eher etwas bauchgefühlig denn sachlich-nüchtern argumentiert und man mag vielleicht da und dort etwas die wissenschaftliche Objektivität vermissen. Und die wissenschaftliche Umsicht: Auch wenn Schutzbach das Phänomen vornehmlich aus soziologischer Perspektive betrachtet, so wäre doch zu erwarten gewesen – schließlich handelt es sich ja um die Betrachtung der Rhetorik einer politischen Gruppe -, dass sie hierzu auch auf die sprachwissenschaftliche Forschung rekurriert, die ja in dieser Hinsicht bereits einiges geleistet hat. Zu erwähnen wären insbesondere die Arbeiten der Lakoff-Schülerin Elisabeth Wehling [2] oder auch die jüngsten Publikationen zur Frage, ob man mit den Rechten überhaupt reden oder wie man mit der Ausweitung der Grenzen des Sagbaren umgehen soll. [3]
Ein Gewinn ist es hingegen sicherlich, dass Schutzbachs eigenes wissenschaftliche Hauptbetätigungsfeld die Genderforschung ist, was sie in besonderem Masse auch dafür sensibilisiert, in der rechtspopulistischen Rede nicht nur die offensichtliche Ablehnung von Emanzipationsbewegungen wie der LGBTIQ-Community, sondern auch eine stete subtile Diskriminierung der Frauen (z. B. im Bestreben, das traditionelle Rollenbild zu erhalten) wahrzunehmen. Wobei, auch dies eine schöne Beobachtung Schutzbachs, die Rechten hinsichtlich ihres Geschechterrollenverständnis sich auch gerne mal modern geben, wenn es ihnen dazu dient, die eigene Kultur gegenüber sogenannten rückständigen Kulturen wie z.B. den Islam zu nobilitieren (dies wäre die Strategie Nr. 19, der "Gleichstellungsnationalismus").
So weit, so interessant.
Doch warum überhaupt dieses Buch? Warum muss vor der Rhetorik der Rechten überhaupt gewarnt werden, was ist an ihr so gefährlich? Laut Schutzbach muss sie deshalb genau betrachtet werden, weil diese Rhetorik darauf angelegt sei, "extreme Positionen zu verschleiern" und die nicht selten sehr recht angesiedelten Ideen der Rechtspopulisten als vereinbar mit jenen der liberalen Mitte darzustellen sowie auch deswegen, weil mit diesem Reden "demokratische Errungenschaften wie Antidiskriminierung, Gleichstellung oder sogar Menschenrechte gezielt abgewertet und als angeblicher Minderheitenterror verteufelt" (Umschlagtext) würden. Nicht zuletzt handele es sich um eine Rhetorik, die dem Schüren von Angst und Ressentiments diene, um die Gesellschaft zu spalten in ein "Wir" (quasi das 'richtige' "Volch") und ein "Die", also jene, die entweder der verhassten Elite oder der Gruppe der kulturell nicht Autochthonen angehören oder zu jenen Bürgerinnen und Bürgern, die zwar den richtigen Pass, aber die falsche politische Gesinnung und eine unrichtige Vorstellung von Demokratie besäßen; Leute aus dieser Gruppe werden von den Rechten nicht selten auch unzimperlich "Landesverräter" genannt. Mittels dieser Strategien ist es zum Beispiel der SVP in den letzten Jahren immer wieder gelungen, im Namen der "wahren" Demokratie erfolgreich geradezu demokratiefeindliche Initiativen zu lancieren.
Lohnt sich die Lektüre des Büchleins? Ja, denn es vermag tatsächlich den Blick zu schärfen für jene Redeweisen und Haltungen im politischen Diskurs, die weniger darauf aus sind, die Probleme sachlich zu lösen als vielmehr darauf, sie politisch erfolgreich zu bewirtschaften und die dazu dienen, irrationale Ängste, ja gar Hass zu schüren und die zwecks Provokationslust unsägliches Sprachmaterial ins Feld unreflektierter Sagbarkeit hineinholen, dass es jedem grausen muss, der sich vorstellen kann, dass die Art und Weise, wie wir sprechen nicht ohne Einfluss auf die Art und Weise des Denkens und letztendlich auf die Art und Weise des Handelns bleiben wird.
[1] Franziska Schutzbach (2018). Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick. Xanthippe Verlag, Zürich.
[2] Z.B.: Elisabeth Wehling (2016). Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht. Herbert von Halem Verlag, Köln
Sehr empfehlenswert: George Lakoff, Elisabeth Wehling (2008). Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht. Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg
[3] Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn (2017). Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Klett-Cotta, Stuttgart
[4] https://primenews.ch/news/2018/12/kleinliche-suggestivfragen-franziska-schutzbach-sagt-interview-ab
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