Ein Hoch auf die schwierige, komplizierte und unbequeme Frau!

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DMZ –  Natalie Barth ¦                                Designed by Freepik

KOLUMNE

 

Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – Sie bekommen nichts.“

(Simone de Beauvoir)

 

Die Süddeutsche schreibt einen Artikel über Roxane Gay. Ich lese meinem Mann daraus begeistert vor: „Die amerikanische Autorin Roxane Gay ist bekannt für ihre Essays über Feminismus, Popkultur, sexuelle Gewalt und Rassismus. Ein Gespräch über „schwierige Frauen“.“ (Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/literatur-essay-roxane-gay-feminismus-1.5482986)

 

Ich halte kurz inne, sehe meinen Mann an und sage: „Ich wäre gerne eine schwierige Frau!“. Auch er sieht mich an und sagt in trockenem Ton und ernster Miene: „Da brauchst Du eigentlich nichts Zusätzliches dafür zu tun.“

 

Erst will ich mich aufregen über die leicht unverschämte Antwort. Denn irgendwie ist das Wort „schwierig“ ganz tief in mir drin doch eher mit etwas Negativem verbunden. Dann wird mir klar, dass das in die Kategorie der üblichen nicht ganz ernst gemeinten Sätze fällt, die wir uns oft gegenseitig zum Spass an den Kopf werfen.

 

Und dann wiederum denke ich, dass da wohl auch ein Körnchen Wahrheit drinsteckt. Denn ja, manchmal bin ich wirklich schwierig. Schwierig und unbequem. Für so manchen Zeitgenossen scheine ich sogar eine richtig provokante Zumutung zu sein, wenn ich an die zum Teil sehr aufgebrachten Feedbacks denke, mit denen ich unter anderem bei Videos, Beiträgen oder Interviews bedacht werde. Genau das amüsiert mich andererseits aber auch wieder irgendwie.

 

Ich frage mich: Wann wird man denn als unbequem, kompliziert oder schwierig eingestuft? Zum Beispiel dann, wenn man Dinge anspricht und ausspricht, die das gesellschaftliche Umfeld lieber gerne in grosses Schweigen hüllen würde, sogenannte Tabus.

 

Wenn man Missstände, Heuchelei und Ungerechtigkeit aufdeckt.

Wenn man etwas hinterfragt oder sogar angreift, was allgemein als richtig, moralisch korrekt, unantastbar gilt. Wenn man etwas kritisiert, was anderen als „heilig“ gilt.

 

Wenn man eine konträre Ansicht zum dem vertritt oder auslebt, was als angebracht und angemessen gilt.

Oder auch wenn man für die Rechte unterdrückter Minderheiten eintritt. Einfach eben: Etwas anders machen als die meisten anderen. Oder anders, als die meisten anderen es ERWARTEN.

 

In diesem Fall empfinde ich die Prädikate „schwierig“ „kompliziert“, „unbequem“ dann doch wieder eher als eine Auszeichnung. Mir wurde – wie vielleicht vielen anderen Frauen auch - schon von klein auf beigebracht, in erster Linie lieb und nett und freundlich zu sein. Dafür zu sorgen, dass Harmonie einkehrt und sich alle wohlfühlen. Bescheiden im Hintergrund, nicht zu laut, nicht zu emotional. Und bitte immer schön ausgeglichen, sonst gilt man gleich als hysterisch.

 

Heftige Debatten oder konfrontative Diskussionen scheinen eher den Männern vorbehalten zu sein. Eine diskutierende, fordernde Frau? Au weia, ganz schwierig. Und vor allem nervig. Ein diskussionsfreudiger, fordernder Mann? Der weiss was er will, der kann gut verhandeln, der kommt im Leben weit! Ich glaube aber, es wäre ein Fehler zu sagen, dass nur Frauen ein Problem damit haben, als schwierig zu gelten und damit unangenehm aufzufallen. Wir betreiben in unserer Gesellschaft unabhängig vom Geschlecht ein irgendwie bizarr anmutendes Spiel, bei dem wir unsere eigentliche Persönlichkeit manchmal bis zur Unkenntlichkeit unterdrücken, um irgendwie „reinzupassen“ und nicht „anzuecken“.

 

Eins meiner Lieblingsbücher ist „Nett ist die kleine Schwester von Scheisse“ von Rebecca Niazi-Shahabi. Sie sagt: „Wer sich immer brav im Hintergrund hält und verbindlich lächelt, hinterlässt ausser einem lauwarmen Händedruck bestimmt keine weiteren Spuren.“

Mal abgesehen davon, dass so ein Mensch keine weiteren Spuren hinterlässt – vielleicht will ja auch nicht jeder Spuren hinterlassen – ist die viel grössere Misere die, die man sich damit selbst antut. Das Einsperren der eigenen Persönlichkeit, des eigenen Lebensmodels, der eigenen Lebendigkeit in ein Korsett aus gesellschaftlichen Erwartungen.

 

Nein Danke. Keine Lust. Da bin ich lieber schwierig. Aber dafür lebendig. Und in gewisser Weise fordernd, aber dafür bekomme ich auch das, was ich will. Zumindest immer öfter.

 

 

 

Natalie Barth schreibt für den Blog www.nataliesdiary.com, auf dem es viele Artikel zu allen möglichen Themen auch zum Anhören gibt. Ausserdem betreibt sie den Aufklärungskanal auf YouTube «Natalie Barth – Die Sekte und das Leben danach».

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