DMZ – Natalie Barth ¦
KOLUMNE
Heute stach mir ein Instagram-Post ins Auge: „Warum regt uns das Gendern so auf?“ Ich überlegte krampfhaft, was sich an dieser Frage für mich merkwürdig anhörte.
Szenenwechsel. Ich schrieb vor kurzem eine Abschlussarbeit im Rahmen meiner Weiterbildung. Die vom Dozenten korrigierte Version enthielt den deutlichen Hinweis: „Und wo genderst Du?!“
Tja, ich weiß, es gibt einige, für die das Gendern schon immer ein Blödsinn war. Für mich war das bis zu einem gewissen Zeitpunkt ein neutrales Thema. Ich dachte mir: Wer gendern möchte, soll es tun, wer nicht, der lässt es bleiben. Ich selbst gendere manchmal und manchmal nicht. Wenn ich es tue, dann meist nur beim Schreiben. Gendergerechtes Reden ist für mich sehr anstrengend, weil ich lieber gerne einfach drauf losrede, statt fünfmal nachzudenken, was ich wie sagen soll.
Was für mich an diesem eingangs erwähnten Instagram-Post fragwürdig ist: Regt die meisten Deutschsprechenden wirklich das Gendern an sich auf? Mich persönlich stört Gendern eigentlich nicht, solange ein Text noch lesbar ist. Gesprochen hört sich mancher Talk für mich manchmal etwas holprig, ungewohnt und langatmig an – vor allem, wenn jemand perfekt und richtig gendern möchte - aber ich verbinde damit nicht unbedingt etwas Negatives.
Was mich aber inzwischen stört, ist die direkte oder indirekte Aufforderung an mich als deutschsprechenden Menschen, diese Sprech- und Schreibweise, um jeden Preis in mein tägliches Leben integrieren zu müssen. Der manchmal subtile und manchmal schon zaunpfahlartige Wink, mit der mitschwingenden Bewertung, wer dies nicht tue, sei einfach ein ignorantes Wesen und nehme die Bedürfnisse und Benachteiligungen anderer nicht ernst genug. Die Botschaft dahinter: „Wer ein guter, weiterentwickelter und moderner Mensch ist, der gendert. Wer es nicht tut, lebt in der Steinzeit. Basta!“
„Wer ein guter, weiterentwickelter und moderner Mensch ist, der gendert. Basta!“
Tja, und bei so einem übergriffigen Verhalten steige ich dann endgültig aus. Wer mir seine Sicht der Welt krampfhaft aufdrängen will und mir unterstellt, ich wäre ignorant und zurückgeblieben, wenn ich mich dem Gendern nicht beuge - oder mich nicht wenigstens bemühe - der hats halt dann einfach verkackt bei mir. Und bei vielen anderen anscheinend auch. Denn laut diversen Umfragen im deutschsprachigen Raum, ist die deutliche Mehrheit der Menschen nicht so wirklich fürs Gendern zu begeistern.
Was mir am meisten auf die Nerven geht, sind die endlosen und emotionsgeladenen Debatten über das Gendern. Manchmal wünsche ich mir so ein hingebungsvolles Engagement, wie es beim Kampf um Worte stattfindet, für Themen, die die Welt wirklich bewegen.
Für die, die mir an dieser Stelle gerne Whataboutism an den Kopf werfen möchten: Mein Verweis auf für mich relevantere Probleme hat schlicht und einfach mit der Tatsache zu tun, dass wir alle nur begrenzte Energie und Zeit für unser Leben zur Verfügung haben. Wir müssen entscheiden, wofür wir diese gebrauchen, und dann Prioritäten setzen. Mir ist dieses Thema „Gendern“ ganz einfach nicht so wichtig, wie zum Beispiel das Engagement für misshandelte Tiere. Sorry.
Ich fühl mich grundsätzlich angesprochen, weil ich gar keinen Zweifel daran habe, angesprochen worden zu sein.
Ich mag es auch nicht, wenn man mir als Frau einreden will, ich müsste mich diskriminiert fühlen und dürfte mich eigentlich auch nicht angesprochen fühlen, wenn jemand an einem öffentlichen Event die Anwesenden lediglich mit „Liebe Gäste“ willkommen heißt, statt mit „liebe Gästinnen“ oder mit „liebe Gäst* – Pause - innen“.
Ich fühle mich grundsätzlich angesprochen, weil ich gar keinen Zweifel daran habe, angesprochen worden zu sein. Ich bin ja schließlich da. So viel Selbstbewusstsein habe ich mir als erwachsene Frau inzwischen schon angeeignet. Mir vorschreiben zu lassen, ich müsste mich wie ein Opfer fühlen, dass nicht für sich selbst reden und in dieser feindlichen Welt nur bestehen kann, wenn man die Sprache gewaltsam ändert, erscheint mir irgendwie grotesk.
Ich bin ja schließlich da.
Was mich auch stört - und diese Entwicklung finde ich mehr als traurig: Ich bemerke immer mehr, wie sich vor allem Männer z.B. bei öffentlichen Veranstaltungen verkrampfen, um ja nichts Falsches zu sagen. Manche Rede klingt irrsinnig holprig, weil die Verunsicherung spürbar ist. Im persönlichen Gespräch werde ich manchmal separat angesprochen, damit ich mich unter all den Männern (ich arbeite in der Baubranche, dort sind gefühlt 95% Männer vertreten) auch wirklich inkludiert fühle, was mir schon fast unangenehm ist. Es wird eine Trennung betont und spürbar, die ich vorher selten wahrgenommen habe: Ihr seid die anderen, die Frauen, wir sind die Männer. Und umgekehrt. Sorry, aber wollen wir das wirklich? Also ich nicht.
Ich werde gerne von einem anderen Menschen mit Respekt und Menschlichkeit behandelt, was sich vor allem in seinen generellen Handlungen und im Reden mit Freundlichkeit und Wohlwollen ausdrückt. Sowas spürt man. Die gewählten Worte sind mir dabei scheissegal.
Was unser Zusammenleben schwierig macht, ja was uns sogar wirklich trennt, ist die Einstellung: „Ich bin richtig, Du bist falsch!“. Wir achten nicht mehr auf Gemeinsamkeiten und begegnen dem anderen nicht auf Augenhöhe, egal was auch immer er denken, fühlen oder tun mag. Wir stellen uns ÜBER den anderen und geben ihm das Gefühl, dass er (oder zumindest seine Meinung) weniger wert ist, weil er nicht das tut und sagt, was wir für richtig erachten. Ich schließe mich hier nicht aus, denn bei so manch anderem Thema begehe ich diesen Fehler auch.
Tja, und dann ist es wahrlich kein Wunder, wenn man Widerstand hervorruft, statt Zustimmung, wie das beim Gendern ziemlich deutlich der Fall ist.
Meine Neutralität bei diesem Thema habe ich dank einiger Gender-Moralapostel inzwischen irgendwie verloren. Aber mein Widerstand hält sich in Grenzen. Wenn mir ein Text zu blöd zum Lesen ist vor lauter Sternchen und Doppelpunkten, dann lass ich es. Hat der Autor eben Pech gehabt. Wer gendern will, soll es tun – tu ich ja auch manchmal nach Lust und Laune. Wer es nicht tun will, der soll es lassen. Da Engagement und Emotionen bei diesem Thema bei mir nicht ausreichend vorhanden sind, nehme ich das Ganze nicht allzu ernst. Für einen Text wie diesen, reicht es gerade noch.
Leben und leben lassen. Gendern und das Gendern lassen. Who cares!?
Natalie Barth schreibt für den Blog www.nataliesdiary.com, auf dem es viele Artikel zu allen möglichen Themen auch zum Anhören gibt. Ausserdem betreibt sie den Aufklärungskanal auf YouTube «Natalie Barth – Die Sekte und das Leben danach».
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