DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Wind- und Solarstrom sind nicht planbare Zufallsenergien mit starken Schwankungen („Zappelstrom“), die nicht grundlastfähig sind. Diese volatilen Erzeuger sind daher durch zuverlässige grundlastfähige Kraftwerke abzusichern, was sie sehr teuer macht. Eine emissionsfreie Erzeugung ist daher ohne Kernenergie gar nicht möglich.
Ökonomischer wäre es, der gleich den Vorzug zu geben. Die „Dunkelflaute“ Anfang Dezember beweist, dass es ohne Kernenergie nicht geht oder Kohlekraftwerke dauerhaft zu akzeptieren sind.
Solche oder ähnliche Antworten erhält man stereotyp unter jedem Beitrag über moderne Energiesysteme, seien es die weltweiten Wachstumsraten beim Zubau oder nachweisliche Preisvorteile bei einzelnen Projekten. Begründet werden solche rein qualitativ vorgetragenen Argumente nie. Wahlweise wird einfach behauptet, die Grundlastkosten seien ohnehin da, man könne Preise von Zappelstrom nicht isoliert bewerten oder das sei nicht versorgungssicher, weshalb man Kerzen anzünden müsse, wenn der Wind nicht weht.
Anstrengend.
Anbei (Chart1) mal die kompletten Daten des deutschen Stromsystems 2021, also einem Jahr, in dem Kernenergie noch einen relevanten Beitrag leistete. Man erkennt bereits, dass der Zappelstrom immer mal wieder sehr nah an die Grundlast reichte, weshalb diese sogar – was Kernkraftwerke gar nicht mögen – teilweise herunter geregelt wurde. Ich habe mir mal erlaubt, die Produktion von Kernenergie und von Wind+Solar mit der Lastkurve zu vergleichen, also unserem tatsächlichen Verbrauch. Ergebnis: Kernenergie korreliert mit 0,12 zur Last, Wind+PV jedoch mit 0,35! Wer mit Korrelationen nichts anfangen kann, hier die Übersetzung:
„Zappelstrom“ passt dreifach besser zu unserem Bedarf als „Grundlaststrom“. Grund: Auch der Industriemensch führt ein natürliches Leben, er schläft nachts und verkrümelt sich bei schlechtem Wetter in seine Höhle, für die er dann Licht und Heizung braucht.
Es ist also nachweislich(!) falsch, zu behaupten, eine gleichmäßig liefernde Energiequelle sei besser als die „zufällig“ durch Wind und Sonne gelieferte. Richtig ist vielmehr, dass die Erneuerbaren tatsächlich die Notwendigkeit, Kraftwerksleistung unserem Bedarf anzupassen, also teure Regelungen vorzunehmen, nicht verstärken, sondern ganz im Gegenteil mindern. Es ist auch nachweislich so, dass gerade „Grundlast“ keine sinnvolle Energiequelle ist und die Situationen zunehmen, in denen die im Weg ist. Chart 2 zeigt das für 2023 und Chart 3 exemplarisch für eine Woche aus 2017.
In Chart 4 wird das schematisch sehr schön aufgelöst. Links ist die „alte Welt“ dargestellt. Hier wird bereits zwischen Grund-, Mittel- und Spitzenlast unterschieden, um den tatsächlichen Verbrauch, die Lastkurve, zu produzieren. Wer also stereotyp von „Grundlast“ redet, hat schon die Energiesysteme der Vergangenheit nicht verstanden. Zudem hier nochmals der Hinweis, dass aufgrund von Merit-Order die Strompreise schon immer durch die jeweils teuersten Spitzenlastkraftwerke bestimmt wurden. Seit 2021 sind das die Gaskraftwerke und zwar in ganz Europa.
Tatsächlich dreht sich bereits seit Jahrzehnten alles um die Frage, wie man Spitzenlast am effektivsten produzieren kann und hier sind Gaskraftwerke die wichtigste Innovation, weshalb die in allen Stromsystemen weltweit die entscheidende Rolle für die Netzstabilität
übernommen haben. Diese sind durch nichts zu ersetzen, weshalb Kernkraftwerke in Europa keine preissetzende Funktion haben. Seitdem aber Erneuerbare hinzu kommen, befinden wir uns in einer Transformation in Richtung der rechten Darstellung. Hier geht es also um flexible Produktion der erforderlichen Reserven zu den Erneuerbaren. Dazu finden sich in der Fachwelt verschiedene Begrifflichkeiten. Es ist von Reserven, agilen Speichertechnologien, Flexibilisierung und vielen mehr die Rede, was begrifflich gar keine Rolle mehr spielt: Grundlast.
Wer also gar alleine von „Grundlast“ spricht, belegt damit geringe bis keine Kenntnisse bereits der früheren Energiesysteme, die laufende Transformation kann er ohnehin nicht bewerten. Tatsache ist, dass momentan jede Einspeisung von Erneuerbaren teurere Produzenten verdrängt und das Gesamtsystem billiger macht. Daher kann man jede neue Anlage mit niedrigen Gestehungskosten als solche heranziehen und die fast schon reflexartigen Kommentare auf „Dunkelflauten“ oder erforderliche Reserven zurück weisen. Das wird im Rahmen dieses Transformationsprozesses auch sehr lange Gültigkeit haben, weshalb der weltweit mit so einer Dynamik betrieben wird. Jede EE-Erzeugungsanlage macht das Gesamtsystem ökonomisch günstiger. Punkt.
Parallel zu dieser Entwicklung kommen zunehmend die Fragen, Anlagen aus der alten Welt heraus zu nehmen, also auch als Reserven nicht mehr bereit zu stellen. Das ändert die Gesamtsystemkosten, weil es dann darum geht, wie man die Reserven, deren Bedarf nämlich immer kleiner wird und deren erforderliche Agilität zunimmt, am besten realisiert. Nach heutigem Stand der Technik ist dazu dieselbe Lösung naheliegend, die bereits seit Jahrzehnten für das sehr ähnliche Problem der Spitzenlast gefunden wurde: Gaskraftwerke. Das ist der favorisierte Plan in Deutschland.
Global wird das wesentlich offener betrieben, weil man sich hier nicht heute festlegen möchte, wie man in zehn Jahren die nächsten Schritte der Transformation gestalten möchte. Ich persönlich halte bei aller Freude an langfristigen und sehr grundsätzlichen Überlegungen diese Vorgehensweise für klüger. Meine These ist daher, dass für Reserveleistungen heutige Kraftwerkstechnologie eine geringere und Speichertechnologien eine größere Rolle spielen werden. Klar erkennbar ist aber, dass Kernkraftwerke in der heutigen technischen Auslegung keine Rolle haben werden. Die zivile Nutzung der Kernenergie wird letztlich nur von Atommächten aus gesamtstrategischen Gründen betrieben und mit der einzigen Ausnahme Frankreichs plant davon keiner einen relevanten Anteil, denn diese „Grundlast“ ist erkennbar ungeeignet.
Insgesamt darf man feststellen, dass die meisten Aussagen von Leuten, die irgendwo „Grundlast“ in ihren Antworten führen, mehrdimensional falsch sind. Weder ist „Zappelstrom“ ein Problem, es ist vollkommen falsch, dass niemand an Reserven denke, diese sind aber zunehmend, wie der Name bereits sagt, ein Nischenthema und welche Lösung dafür die beste ist, kann man gelassen noch mindestens einem Jahrzehnt Fortschritt überlassen. Mit „Grundlast“ hat die Lösung jedenfalls ganz sicher rein gar nichts zu tun und wer ausgerechnet eine „Dunkelflaute“ zum Anlass nimmt, nach Kernenergie zu rufen, hat sogar nicht mal seinen Lieblingserzeuger verstanden.
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