DMZ – JUSTIZ ¦ David Aebischer ¦
KOMMENTAR
In den letzten Tagen hat die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das Tragen von Corona-Masken an Schulen zu verbieten und auf "Ausnahmefälle" zu beschränken, eine Welle der Empörung ausgelöst. Unmittelbar nach unserer Berichterstattung meldete sich das Ministerium zu Wort und erklärte, dass der individuelle Gesundheitsschutz Vorrang habe und das Tragen von Atemschutzmasken weiterhin möglich sei.
Die Begründung des Regierungspräsidiums, die auf § 72 Abs. 3a Schulgesetz basiert und grundsätzlich jede Form der Gesichtsverhüllung untersagt, sorgte für kontroverse Diskussionen. Insbesondere die Forderung nach einer behördlichen Genehmigung durch die Schulleitung stößt auf Kritik. Der Rechtsanwalt Chan-jo Jun äußerte die Ansicht, dass dieses Gesetz verfassungswidrig sei, insbesondere der Genehmigungsvorbehalt verstoße gegen das Grundgesetz.
Das Kultusministerium reagierte auf unsere Anfrage und verteidigte die Entscheidung des Regierungspräsidiums. Es betonte, dass das Schulgesetz keine konkreten Vorgaben zum Zulassungsverfahren mache und eine pragmatische Vorgehensweise somit möglich und gesetzlich gedeckt sei. Das Ministerium sieht derzeit keine Veranlassung für eine Anpassung des Schulgesetzes.
Die europaweite Kritik an der Entscheidung wurde nicht explizit kommentiert, aber das Ministerium wiederholte, dass niemand am Tragen einer Atemschutzmaske aus gesundheitlichen Gründen gehindert werde. Schulleitungen seien angehalten, das Tragen ohne bürokratisches Verfahren zu ermöglichen. Eine Antragstellung sei nicht ausdrücklich vorgeschrieben, und Schulleitungen könnten durch Duldung das Maskentragen aus gesundheitlichen Gründen zulassen.
Zitat: "Das Kultusministeriums teilt die Auffassung, dass Gesetz sei verfassungswidrig, nicht.
Ein schriftliches Verfahren schreibt das Schulgesetz nicht ausdrücklich vor, es enthält also keine konkreten Vorgaben zum Zulassungsverfahren. Daher ist eine pragmatische Vorgehensweise möglich und vom Gesetz gedeckt.
Für eine Anpassung des Schulgesetzes besteht derzeit auch deshalb keine Veranlassung.
Wir möchten noch einmal betonen, dass niemand daran gehindert wird, eine Atemschutzmaske aus gesundheitlichen Gründen zu tragen. Unsere Schulleitungen sind angehalten, das Tragen ohne bürokratisches Verfahren zuzulassen. Das Gesetz schreibt eine Antragstellung nicht ausdrücklich vor – eine Schulleitung kann also einfach konkludent durch Duldung das Maskentragen aus gesundheitlichen Gründen in ihrer Schule zulassen.“
Wir haben Rechtsanwalt Chan-jo Jun kontaktiert und ihn um seine Einschätzung gebeten sowie um einen Kommentar zur Reaktion des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg auf unsere Anfrage gebeten. Er stellt eindeutig fest, dass das Vorgehen der Landesregierung juristisch verfehlt ist.
„Die Landesregierung will am Gesetz festhalten und beruft sich darauf, dass Schulen die Erlaubnisse bestimmt unbürokratisch erteilen werden, womöglich durch Nichteinschreiten. Das ist juristisch aus 2 Gründen verfehlt: 1. Ein Nichteinschreiten ist keine Erlaubnis, die das Verbot aufhebt. Zwar braucht der SuS keinen förmlichen Antrag, das Gesetz verlangt aber für die Erlaubnis einen Verwaltungsakt im Einzelfall. Das Nichtstun ist lediglich eine unverbindliche Duldung. 2. Genehmigungsvorbehalt ist unverhältnismäßig Für den umständlichen Genehmigungsvorbehalt, mit dem Grundrechte beschränkt werden, braucht es eine Rechtfertigung.“
„Dieses Ziel ist aber auch mit milderen Mitteln zu erreichen, nämlich durch eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt - also genau andersherum. Es ist nicht erforderlich und schon gar nicht angemessen, dass sogar ein vom Arzt verordnetes Augenpflaster zunächst verboten ist, bis die Einzelfallprüfung erfolgt ist.“
Rechtsanwalt Chan-jo Jun
Der Grundsatz des offenen Gesichts sei zwar ein Argument, der in die Erwägung einfließe. „Dieses Ziel ist aber auch mit milderen Mitteln zu erreichen, nämlich durch eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt - also genau andersherum. Es ist nicht erforderlich und schon gar nicht angemessen, dass sogar ein vom Arzt verordnetes Augenpflaster zunächst verboten ist, bis die Einzelfallprüfung erfolgt ist.“
Die Frage nach der konkreten Umsetzung des Verbots an den Schulen bleibt also weiterhin offen. Es ist unklar, nach welchen Kriterien Einzelfallgenehmigungen erteilt werden und ob es Überlegungen gibt, das bestehende Verbot zu modifizieren oder aufzuheben.
Die Kontroverse um das Maskenverbot an Schulen in Karlsruhe wird voraussichtlich weiterhin für Diskussionen sorgen, insbesondere hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Schulgesetzes und der europaweiten Kritik an der Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Entwicklungen oder Maßnahmen seitens der Verantwortlichen folgen werden.