DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ David Aebischer ¦
Eine gemeinsame Studie der Universitäten Luzern und Zürich, des Universitätsspitals Zürich und Swissmedic zeigt, dass in der Schweiz von 2012 bis 2019 pro Jahr durchschnittlich rund 32.000 Krankenhausaufenthalte auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen waren.
Dies entspricht 2,3 % aller Hospitalisierungen im Beobachtungszeitraum. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung, solche Fälle der Swissmedic zu melden, wurden nur wenige davon gemeldet. Die häufigsten Nebenwirkungen betrafen das Verdauungssystem, das Urogenitalsystem und den mentalen Zustand der Patienten.
Die geringe Melderate kann gemäß Studienleiter PD Dr. med. Patrick Beeler vom Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care der Universität Luzern auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden, darunter Unwissenheit, Aufwand, Datenschutzbedenken und fehlende Anreize. Um die Situation zu verbessern, empfehlen Experten, die Bedeutung von Meldungen von Arzneimittelnebenwirkungen in der Ausbildung und Praxis von medizinischem Personal zu betonen.
PD Dr. med. Patrick Beeler hebt auch die Bedeutung von Spontanmeldungen hervor, da sie entscheidend für die Arzneimittelsicherheit sind und bisher unbekannte Risiken aufdecken können. Es bestehe jedoch noch Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Datenlage und die Erfassung von Patientendaten in Verbindung mit ambulant verordneten Medikamenten, so der Studienleiter weiter.
Nachdem wir nun einen Überblick über die bahnbrechenden Erkenntnisse dieser Studie und die Herausforderungen im Zusammenhang mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Schweiz erhalten haben, werden wir im Folgenden einige entscheidende Fragen direkt an die Studienleiter richten, um ein tieferes Verständnis für dieses wichtige Thema zu gewinnen.
DMZ: Welche spezifischen Maßnahmen könnten ergriffen werden, um die Meldeerfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu verbessern und die Gesundheit der Patienten zu schützen?
Patrick Beeler: Es wäre sinnvoll, die Gesundheitsfachleute während Aus-, Weiter- und Fortbildungen über die Bedeutung von Spontanmeldungen zu informieren und an die Meldepflicht zu erinnern. Ausserdem glauben wir, dass es wichtig ist, die Patient:innen und ihre Angehörigen über die medikamentöse Behandlung aufzuklären und auf mögliche Nebenwirkungen sowie den Umgang damit hinzuweisen.
DMZ: Gibt es in der Studie Erkenntnisse darüber, welche Medikamente oder Medikamentengruppen besonders häufig zu Hospitalisierungen aufgrund von Nebenwirkungen führen, und welche Schritte könnten unternommen werden, um diese Risiken zu minimieren?
Patrick Beeler: Die verwendeten Daten zu den Hospitalisierungen enthalten leider keine Angaben zu den Medikamenten, die diese Nebenwirkungen ausgelöst hatten.
DMZ: Wie kann das Bewusstsein für die Bedeutung der Meldung von Medikamenten-Nebenwirkungen bei medizinischem Fachpersonal und der breiten Öffentlichkeit gesteigert werden?
Patrick Beeler: Wir möchten Patient:innen ermuntern Nebenwirkungen selber zu melden. Hierfür gibt es auf der Website von Swissmedic ein eigens entwickeltes Meldetool (Meldung von vermuteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen durch Patientinnen und Patienten (swissmedic.ch)). Medien wie die DMZ können uns dabei helfen, die Bevölkerung über diese Möglichkeit zu informieren. Swissmedic veröffentlicht in regelmäßigen Abständen nützliche Informationen zu Medikamenten und Nebenwirkungen (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance/vigilance-news.html) für Fachleute und Interessierte (aktuelle Arzneimittelinformationen: www.swissmedicinfo.ch).
DMZ: Welche Empfehlungen haben Sie für die Pharmaindustrie, um ihre Rolle bei der Erfassung und Meldung von Nebenwirkungen zu verbessern?
Patrick Beeler: Die Aufgaben und Pflichten der pharmazeutischen Unternehmen bei der Erfassung und Meldung von Nebenwirkungen sind in den entsprechenden Gesetzen, Verordnungen und Wegleitungen klar beschrieben. Swissmedic ist mit den Zulassungsinhaberinnen in ständigem Kontakt und prüft die Einhaltungen an die Vorgaben z. B. bei Inspektionen. Wenn pharmazeutische Unternehmen von Nebenwirkungen erfahren, gehen sie in der Regel auf die involvierten Personen zu und erfassen die benötigten Angaben, welche sie dann der Swissmedic weiterleiten.
DMZ: Welche konkreten Schritte könnten Gesundheitsbehörden und Bildungseinrichtungen unternehmen, um die Meldeerfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu fördern?
Patrick Beeler: Gesundheitsfachleute sollten während Aus-, Weiter- und Fortbildungen über die Bedeutung von Spontanmeldungen informiert und an die Meldepflicht erinnert werden.
DMZ: Welche Auswirkungen hat die Untererfassung von Medikamenten-Nebenwirkungen auf das Gesundheitssystem und die Gesundheitskosten, und wie könnten diese Auswirkungen minimiert werden?
Patrick Beeler: Die Schweiz steht international gut da. Trotzdem wäre eine höhere Meldungsrate wünschenswert. Besonders wichtig sind die Meldungen zu bislang unbekannten unerwünschten Wirkungen sowie Meldungen zu Personen, die selten in Zulassungsstudien berücksichtigt werden, z.B. Säuglinge, Frauen im gebärfähigen Alter oder Hochbetagte.
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