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Bildungsproteste in Deutschland: "Bildungswende JETZT!" fordert umfassende Veränderungen

Bildquelle: bildungswende-jetzt.de
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DMZ – GESELLSCHAFT / POLITIK ¦ David Aebischer ¦  Bildquelle: bildungswende-jetzt.de

 

Das Bündnis "Bildungswende JETZT!" hat zum ersten bundesweiten Bildungsprotest seit fast 15 Jahren aufgerufen. In insgesamt 29 Städten in 16 Bundesländern werden am 23. September Demonstrationen und Aktionen stattfinden, um die dringende Notwendigkeit einer Bildungswende in Deutschland zu betonen. Besonders in Berlin und Köln wird ein hoher Zulauf bei den geplanten Großdemonstrationen erwartet. Bereits am Weltkindertag (20.09.) macht Hessen den Auftakt mit Demonstrationen und Kundgebungen in fünf Städten.

 

Deutschland steckt in einer schweren Bildungskrise

Die Bildungskrise in Deutschland ist alarmierend. Jedes Jahr verlassen so viele Menschen das Bildungssystem ohne Abschluss, dass es der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt entspricht. Bis 2035 wird ein Lehrermangel erwartet, der einer Großstadt wie Heidelberg entspricht, mit rund 160.000 fehlenden Lehrkräften bis 2035. Darüber hinaus fehlen bereits jetzt über 300.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie hunderttausende Kitaplätze, um eine angemessene Bildung für Kinder sicherzustellen. Es ist daher dringend erforderlich, erheblich in das Bildungssystem zu investieren und eine echte Bildungswende einzuleiten.

 

Besonders besorgniserregend ist, dass Deutschland trotz dieser Prognosen nicht einmal halb so viel für die Grundschulbildung ausgibt wie Schweden. Ein UNICEF-Bericht von letzter Woche zeigt, dass Deutschland sich die Rote Laterne mit Schlusslicht Rumänien teilt, wenn es um Bildungsausgaben geht. Gleichzeitig plant die Bundesregierung massive Kürzungen bei den Bildungsausgaben, während Bundesländer wie Berlin Kürzungen bei Schulsozialarbeit und politischer Bildung vorsehen. Im Bereich Kinder- und Jugendbetreuung auf Bundesebene sind ebenfalls erhebliche Kürzungen geplant. Dies zeugt von einer inakzeptablen Vernachlässigung der Verantwortung.

 

Eine umfassende Bildungswende ist erforderlich

Die verschärfte Bildungskrise fällt mit anderen Herausforderungen zusammen, wie der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und einem schwindenden Vertrauen in die Demokratie. Globale Krisen wie die Klimakrise erfordern eine starke Gesellschaft und einen gut ausgebildeten Nachwuchs. Kitas und Schulen sind entscheidende Orte, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Daher ist die Antwort klar: Es bedarf einer Bildungswende auf allen Ebenen. Jedes Kind und jeder Jugendliche muss gute Bildungschancen erhalten und die Fähigkeiten erwerben, um die drängenden Fragen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu beantworten.

 

Hinter dem Appell "Bildungswende JETZT!" steht ein breites gesellschaftliches Bündnis, bestehend aus über 180 Bildungsorganisationen, Gewerkschaften sowie Eltern- und Schülervertretungen. Dieses Bündnis ruft am 23. September 2023 zum bundesweiten Bildungsprotesttag auf.

 

Die Bildungsbetroffenen haben vier konkrete Forderungen an Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundesregierung, die Regierungschefs der Länder und die Kultusministerkonferenz gerichtet.

Im Hinblick auf die drängenden Fragen und die bevorstehenden Proteste haben wir mit Vertretern des Bündnisses "Bildungswende JETZT!" gesprochen. Hier sind ihre Antworten:

 

Welche konkreten Auswirkungen hat die Bildungskrise in Deutschland auf die Schülerinnen und Schüler sowie auf das Bildungssystem?

Ein Viertel der Kinder kann laut der neuesten IGLU-Studie nach der 4. Grundschulklasse nicht richtig lesen und jedes Jahr verlassen bundesweit ca. 50.000 junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss. Der Bildungserfolg hängt in Deutschland weiterhin enorm stark vom sozioökonomischen Status des Elternhauses ab. Auch Inklusion ist kaum an einer Regelschule möglich. Während der jüngsten Anhörung in Genf im Rahmen der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurde Deutschland von Vertreter*innen der UN auch wegen der völlig unzureichenden Inklusion im Bildungssystem auf’s Schärfste kritisiert. Obwohl Deutschland bereits 2009 die UN-BRK ratifiziert hat, können behinderte Kinder und Jugendliche viel zu selten an Regelschulen lernen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch verheerend für Betroffene und deren Familien. Zudem zieht ein schlechter Bildungsstand gesamtgesellschaftlich schwere Folgen nach sich.

 

Welche spezifischen Forderungen stellt das Bündnis "Bildungswende JETZT!" an die Bundesregierung und die Länderregierungen?

Die Forderungen des Bildungsappells “Bildungswende JETZT!” umfassen:

  1. Schule und Kita GERECHT, ZUKUNFTSFÄHIG und INKLUSIV zu gestalten
  2. eine AUSBILDUNGSOFFENSIVE für Lehrer*innen und Erzieher*innen
  3. ein SONDERVERMÖGEN für Bildung von mind. 100 Mrd. € und jährlich 10% des BIP für Bildung und Forschung
  4. einen BILDUNGSGIPFEL mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft und Bildungspraxis 

Die Erfüllung dieser Forderungen sind aus Sicht der im Bündnis versammelten Bildungsbetroffenen und unterzeichnenden Organisationen dringend notwendig, um einen Weg aus der Bildungskrise einzuschlagen und ein gerechtes, inklusives und zukunftsfähiges Bildungssystem aufzubauen und das Recht auf Bildung für alle Kinder zu gewährleisten.

 

Wie haben sich die Bildungsprobleme in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt, und wie unterscheiden sie sich von anderen Ländern?

Deutschland versäumt es seit Jahren, grundlegende Voraussetzung für gute Bildungsvoraussetzungen zu schaffen. Der finanzielle Investitionsvergleich ist da sehr beispielhaft: Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab und investiert gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich weniger als der Durchschnitt der OECD-Staaten in Bildung. Wollte Deutschland als selbst ernannte “Bildungsrepublik” mit dem Spitzenreiter Norwegen bei den anteiligen Bildungsausgaben (im Verhältnis zum BIP) gleichziehen, wäre aktuell eine Steigerung der jährlichen deutschen Bildungsausgaben in Höhe von gut 120 Milliarden Euro (!) erforderlich.

Um das Niveau von Dänemark oder Schweden zu erreichen, müssten jährlich knapp 50 bzw. gut 70 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden. Damit eine Bildungswende hin zu einem gerechten, inklusiven und zukunftsfähigen Bildungssystem überhaupt entstehen kann, fordern wir ein Sondervermögen Bildung von mindestens 100 Mrd. Euro als Anschubfinanzierung und eine dauerhaft bessere und bedarfsgerechte Finanzierung des deutschen Bildungssystems. Beides kann und muss jetzt im Haushalt festgeschrieben werden.

 

Welche Rolle spielen Bildungsorganisationen, Gewerkschaften und Eltern- und Schülervertretungen in diesem Bündnis, und wie arbeiten sie zusammen?

Ein Zusammenschluss der Bildungsbeteiligten auf Landesebene ermöglicht eine gute Zusammenarbeit und eine Berücksichtigung der verschiedenen Interessenlagen der Gruppierung. Bereits mehr als 180 Organisationen, darunter die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), ver.di, der Bundeselternrat, das Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt), der Bundesverband der Kita- und Schulfördervereine, Greenpeace, Fridays for Future, der Bildungsrat von unten, Omas for Future u. v. a. haben sich hinter den Appell gestellt. Das hat es so in der Vergangenheit noch nicht gegeben und birgt ein hohes Potential, die Forderungen an die Politik für eine nachhaltige Bildungswende langfristig auch durchzusetzen.

 

Gibt es bereits Gespräche oder Verhandlungen mit politischen Entscheidungsträgern, um die Forderungen des Bildungsprotests umzusetzen?

Wir befinden uns in Gesprächen mit verschiedenen politischen Parteien auf Landes- und Bundesebene, um unsere Forderungen in den politischen Prozess einfließen lassen zu können und es kommt vermehrt Bewegung in diesen Prozess. Durch unsere öffentlichkeitswirksamen Aktionen signalisieren einzelne Politiker*innen zunehmend Gesprächsbereitschaft auf unsere Anfragen hin. Vor kurzem wurden wir sogar von einem Bundestagsabgeordneten für ein tieferes Gespräch angefragt. Aber uns ist auch klar, dass wir einen steinigen Weg vor uns haben und ein langer Atem notwendig sein wird. 

 

Welche konkreten Maßnahmen schlägt das Bündnis vor, um den Lehrermangel und andere Bildungsprobleme anzugehen?

Der Mangel an pädagogischen Fachkräften wird von vielen Seiten seit Jahren beklagt. Um diesen Mangel zu beseitigen, benötigt es ein Zusammenarbeiten auf Länderebene, um ein konkurrierendes Abwerben von Lehrkräften erst gar nicht entstehen zu lassen. Hierfür braucht eine Ausbildungsoffensive für Lehrer*innen, aber auch für Erzieher*innen. Ebenso braucht es einen nationalen Bildungsgipfel auf Augenhöhe. Denn die Beteiligung der Menschen, die tagtäglich mit Kita und Schule in Berührung sind, ist essentiell für den Ausweg aus der Bildungskrise. Klar ist auch, dass die Bildungswende nur durch starke Investitionen gelingen kann. 

 

Die Mittel aus dem von “Bildungswende JETZT!” geforderten Sondervermögen sollen u.a. dazu dienen, eine Ausbildungsoffensive für Lehrer*innen und Erzieher*innen auf den Weg zu bringen. Im Bereich der Erzieher*innen müssen der Bund und die Länder die Kommunen von ihren Altschulden entlasten, damit diese die Qualifikationskapazitäten ausbauen und die Praxisintegrierte Ausbildung (P.I.A) flächendeckend anbieten können. So würde die Ausbildung auch vergütet und auch die Attraktivität, in den Erzieher*innenberuf einzusteigen, deutlich verbessert werden, was bei dem aktuell dramatischen Fachkräftemangel bitter notwendig ist. 

 

Wie können Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie die breite Öffentlichkeit den Bildungsprotest unterstützen?

Es gibt viele Möglichkeiten den Protest “Bildungswende JETZT!” zu unterstützen. Das Einfachste ist: weitersagen und am 23.09. zu einer Demo kommen. Darüber hinaus ist es immer gut, sich über unsere Social Media Kanäle #BildungswendeJETZT!, unseren Telegram-Kanal oder via Newsletter auf dem Laufenden zu halten, um auch zu späteren Zeitpunkten über Demos und Aktionen informiert zu sein. Neben Spenden, die wir dringend benötigen, gibt es auch vielseitige Möglichkeiten, sich aktiv im zugehörigen Bundesland bei uns zu beteiligen. Einzelnen Demoorte, Orgagruppen, Spendenmöglichkeit und weitere Infos sind auf www.bildungswende-jetzt.de zu finden.

 

Welche Bedeutung hat Bildung im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie zum Beispiel der Klimakrise und sozialer Ungleichheit?

Essentielle Themen, die über eine Grundbildung hinausgehen – wie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und dringend benötigte Demokratiebildung – bleiben auf der Strecke, mit all den individuellen und gesellschaftlichen Folgen, wird nicht umgehend finanziell aufgestockt und qualitativ in Bildung investiert. Gute Bildung vermittelt Konzepte und ermöglicht es Menschen, eigene Lösungsansätze zu finden. Sie schafft Vertrauen in sich selber, das auch für große Probleme Lösungen möglich sind. Speziell im Bereich der Klimakriese sind diese Ansätze von großer Bedeutung, damit sich die Generationen mit den von uns hinterlassenen Herausforderungen nicht allein gelassen und hilflos fühlen. Ähnlich sieht das mit den aktuellen gesellschaftlichen Schwierigkeiten aus. Soziale Ungleichheit hängt zu großen Teilen von ungleichen Bildungschancen ab. 

 

Wie plant das Bündnis, den Bildungsprotesttag am 23.09. und die dazugehörigen Demonstrationen und Aktionen in den verschiedenen Städten zu organisieren?

Das Bündnis “Bildungswende JETZT!” ist dezentral aufgestellt. In jedem Bundesland gibt es Ansprechpartner*innen für die Organisation und Öffentlichkeitsarbeit und es finden regelmäßige digitale und teils auch analoge Treffen statt für die Feinabstimmung. Größere Organisationen, wie z.B. die GEW und Greenpeace unterstützen in den einzelnen Bundesländern mit ihrem Know- how, organisatorisch und teils auch mit Materialien wie auch finanziell. Die Berliner Kampagne “Schule muss anders”, neben ARGE-SEB und Teachers for Future e.V. Mitinitiator des Appels, bietet Unterstützung beim Organisationsaufbau und bei der Öffentlichkeitsarbeit.

 

Gibt es Beispiele aus anderen Ländern, die als Vorbild für eine erfolgreiche Bildungswende dienen könnten?

Als selbst ernannte Bildungsnation können wir uns von vielen Ländern inspirieren lassen, da sind Kanada und die skandinavischen Länder nur Beispiele.

Bildquelle: bildungswende-jetzt.de
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Bildungswende jetzt!

Diese Organisation, bekannt als "Bildungswende jetzt!", ist eine vielschichtige Gruppe von Aktivisten und Unterstützern im Bildungsbereich. Ihre Mitglieder setzen sich aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft zusammen, darunter Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen, sowie Menschen, die zwar nicht direkt im Bildungsbereich arbeiten, aber die Bedeutung von hochwertiger und gerechter Bildung für unsere Gesellschaft erkennen.

 

Ihre Hauptzielsetzung ist die Förderung einer inklusiven und zukunftsorientierten Bildung. Um dieses Ziel zu erreichen, engagieren sie sich aktiv in politischen Diskussionen und organisieren öffentliche Protestaktionen. Die Organisation basiert auf dem Prinzip der Demokratie, Gerechtigkeit und der Anerkennung der Würde jedes Einzelnen. Sie setzen sich für Solidarität, das Recht auf Selbstbestimmung, gleiche Rechte und die Umsetzung der Ziele der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ein.

 

Besonders wichtig ist für sie die Ablehnung jeglicher Formen des Menschenhasses, des Rassismus, des Antisemitismus, des Faschismus und aller demokratiefeindlichen Bewegungen und Gruppen. Sie bekämpfen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie Rassismus, Antisemitismus, Ableismus, Sexismus und Diskriminierung von LGBTQ+-Personen, und treten für Diversität und Inklusion ein.

 

Die Organisation "Bildungswende jetzt!" betont ihre Unabhängigkeit von politischen oder extremistischen Interessen und setzt sich für die Stärkung der demokratischen Prinzipien in der Bildungspolitik ein. Ihr Engagement zielt darauf ab, die Bildung in Deutschland zu verbessern und sicherzustellen, dass sie für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich und gerecht ist.

 

Initiative #ProtectTheKids

Auch die bekannte Initiative #ProtectTheKids unterstützt das bundesweite Bündnis „Bildungswende JETZT“ und die vier Leitforderungen, die am 23.9. beim Bildungsprotesttag gestellt werden:
1. Eine gerechte, zukunftsfähige und inklusive Bildung in Schule und Kita,
2. eine Ausbildungsoffensive für Erzieher:innen und Lehrkräfte,
3. ein Bildungs-Sondervermögen und ausreichende dauerhafte Finanzierung von Schulen und Kitas,
4. ein Bildungsgipfel der Bundesregierung auf Augenhöhe.

Zu zukunftsfähiger Bildung und Betreuung gehören unserer Meinung nach darüberhinaus:

 

  • Inklusion, die Kinder aus Schattenfamilien (also Familien mit vorerkrankten Kindern oder Familienangehörigen) mit einschließt - etwa mit Hybridunterricht.
  • Innenraumluftstandards, nach Vorbild anderer Länder, auch in deutschen Schulen und Kitas: Saubere Luft sorgt dafür, dass Kinder gesünder bleiben und besser lernen können.
  • Verpflichtende, standardmäßige Ausstattung der Schul- und Kitagebäude mit moderner, energiesparender, nachhaltiger Raumlufttechnik - und dies sowohl bei Neubauten als auch bei Gebäudesanierungen

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