DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Wenn die inländische Debatte über die ökonomische Lage sowie deren Ursachen ganz erheblich unter parteipolitischer Polarisierung leidet, lohnt ein Blick auf einen Blick von außen. Das WSJ berichtet über die Tatsache, dass Deutschland wohl unter allen relevanten Volkswirtschaften weltweit momentan die schwächste Entwicklung hat. Das wird als Ergebnis einer Entwicklung über mehrere Dekaden beschrieben.
Im einzelnen werden die starke Abhängigkeit von industrieller Produktion, dem Exportmodell, also der Abhängigkeit vom Welthandel, die Starke Rolle Chinas als Handelspartner, die Lieferketten sowie spezifische Probleme wie die strategischen Fehler der Automobilindustrie genannt. Hervorzuheben ist die Bemerkung, dass insbesondere China nun ein starker Wettbewerber der deutschen Industrie geworden ist. Ausgerechnet aus diesem wichtigsten Absatzmarkt kommt heute auf den Weltmärkten der größte Gegenwind. Bürokratie, mangelnde Digitalisierung, Versäumnisse im Aufbau neuer Industrien und Branchen wie insbesondere IT treffen nun also auf Probleme des ökonomischen Kerns, der Industrie. Die moderneren, innovativeren Märkte finden schon immer ohne Deutschland statt, nun wird es auf den etablierten auch eng.
Interessant auch die klare Kritik an falscher Sparpolitik und – fast schon nur noch mit bitterer Ironie zur Kenntnis zu nehmen – der Hinweis, dass die Zinspolitik insbesondere der deutschen Wirtschaft nicht gut bekommt, die von allen Industrieländern eine andere Geldpolitik gerade brauchen könnte. Also das Land, dessen Ökonomen so besonders gerne von ausgeglichenen Haushalten und einer strengeren Geldpolitik reden.
Im Beitrag wird diese Krise mit der Ende der 90er verglichen und das Potenzial Deutschlands insbesondere im Bereich seines ingenieurtechnischen Knowhows beschrieben. Das WSJ bewertet die Ressourcen Deutschlands sehr positiv und geht davon aus, dass diese Krise sogar besser beherrschbar ist. Aber der einleitende Satz beschreibt es treffend: „Jetzt muss sich die größte europäische Volkswirtschaft wieder neu erfinden. Doch die zersplitterte politische Klasse kämpft darum, Antworten auf eine schwindelerregende Kombination aus langfristigen Problemen und kurzfristigen Krisen zu finden, was zu einem wachsenden Unbehagen führt.“
Außer ein paar Passagen zur Energiepolitik entspricht das weitgehend dem, was ich hier regelmäßig berichte. Ich schließe mich auch der positiven Bewertung unserer Ressourcen ausdrücklich an. Hinzufügen möchte ich aber: Leider ist die öffentliche Debatte genauso, wenn nicht noch schlechter als die politische. Die eine Ebene spiegelt die andere, es ist fast schon eine Abwärtsspirale, die vor allem eines verhindert: Die konstruktive Entwicklung von Lösungen.
Insofern ist es noch unklar, welche Krise die schwierigere ist. Hoffentlich hat der Blick von außen hier den besseren Durchblick. Wenn man sich die politische Entwicklung ansieht und die unterirdischen Debatten über Wärmepumpen, E-Autos, Finanzpolitik, den Sozialstaat, Digitalisierung, Verwaltungsreformen oder welche Innovation auch immer, so muss man fragen, ob unser politisch/gesellschaftliches System der Sache gewachsen ist.
Daher bewerte ich die politisch/gesellschaftlichen Risiken höher als die ökonomischen – und die ökologischen sind damit noch gar nicht angesprochen. Aber da sollen nach Meinung vieler ohnehin „die anderen“ mal mit anfangen, weil sie glauben, eine Fortsetzung des Stillstands der letzten Dekaden sei innovativ genug.
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