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Neue Ansätze im Gesundheitswesen: "Hospital at Home" mit aktiver Beteiligung der Spitex

"Die Spitex weiß aus Erfahrung, dass Menschen am liebsten zu Hause versorgt werden." (Fotos: Spitex)
"Die Spitex weiß aus Erfahrung, dass Menschen am liebsten zu Hause versorgt werden." (Fotos: Spitex)

DMZ – GESUNDHEIT / LEBEN ¦ David Aebischer ¦  "Die Spitex weiß aus Erfahrung, dass Menschen am liebsten zu Hause versorgt werden." (Fotos: Spitex)

 

Die Einführung des innovativen Konzepts "Hospital at Home" nimmt in verschiedenen Kliniken, Spitäler und Psychiatrien, derzeit Fahrt auf und ermöglicht erste Erkenntnisse. Dabei handelt es sich um eine wegweisende Weiterentwicklung der gesundheitspolitischen Strategie "ambulant vor stationär", die von der Dachorganisation Spitex Schweiz begrüßt wird. Eine zentrale Rolle bei der Umsetzung dieses Konzepts spielt die enge Zusammenarbeit von ärztlichen und pflegerischen Leistungen – hierbei nimmt die Spitex eine entscheidende Stellung ein.

 

Spitex Schweiz betont die Wichtigkeit, dass Kliniken bei der Implementierung von "Hospital at Home" keine parallelen Strukturen aufbauen sollten, wenn die bestehenden Pflege-Dienstleistungen der Spitex genutzt werden können. In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung vermehrt von stationären zu ambulanten Angeboten verlagert. Die politische Richtlinie "ambulant vor stationär" ist nicht nur aus gesundheitspolitischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, um das Wachstum der Gesundheitskosten einzudämmen. Hierbei nimmt die Spitex als bedeutende Anbieterin ambulanter Grundversorgung eine Schlüsselrolle ein.

 

Die Weiterentwicklung des Konzepts "Hospital at Home" wird derzeit von verschiedenen Kliniken in unterschiedlichen Kantonen getestet und von Spitex Schweiz begrüßt. Gleichzeitig hebt die Organisation hervor, dass bei Hospital at Home die Spitäler als Anbieter von ärztlichen Leistungen und die Spitex als Anbieterin von pflegerischen Leistungen zu Hause von Anfang an zusammenarbeiten müssen.

 

Angesichts der steigenden Nachfrage nach ambulanter Pflege verfügt die Spitex über eine flächendeckende Präsenz mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden in der ganzen Schweiz. Dank qualifizierter Pflegefachkräfte und einer passenden Infrastruktur ist die Spitex bestens gerüstet für die Pflegeleistungen im Rahmen von "Hospital at Home". Die Spitex-Organisationen verfügen über jahrzehntelange Erfahrung und Expertise in der Pflege von Menschen in ihrem Zuhause und kennen die besonderen Anforderungen der häuslichen Pflege – beispielsweise die Einhaltung von Hygienestandards  und in verschiedenen Wohnsituationen. Die Mitarbeitenden sind sich gewohnt, die individuellen Situationen zu Hause einzuschätzen und pragmatische Lösungen zu suchen.

 

Durch den medizinisch-technischen Fortschritt ist die Spitex in der Lage, Menschen mit immer komplexeren Krankheitsbildern zu Hause zu betreuen – dazu gehören hochspezialisierte Pflegeleistungen wie Onkologiepflege, Psychiatriepflege, Palliative Care und Wundpflege. Die Spitex bietet ihre Dienste tagsüber und oft auch in der Nacht an, um individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie erbringt zudem Unterstützungsleistungen im Bereich der Hauswirtschaft.

 

Die Spitex Schweiz stellt klare Forderungen im Rahmen der Einführung von "Hospital at Home":

  • Akutspitäler und psychiatrische Kliniken sollen die Spitex von Beginn an in "Hospital at Home"-Projekte einbinden. Spitäler als Anbieter ärztlicher Leistungen und Spitex als Anbieter pflegerischer Dienste zu Hause sollen gleichberechtigte Partner sein.
  • Ein reibungsloser Informationsfluss zwischen allen involvierten Akteuren muss gewährleistet sein, idealerweise über das Elektronische Patientendossier (EPD), das für alle Leistungserbringer verpflichtend sein sollte.
  • Die Vergütung für komplexe Dienstleistungen durch die Spitex, einschließlich zusätzlicher Leistungen und Technologien, die aufgrund der verstärkten ambulanten Versorgung erforderlich werden, muss angemessen erfolgen. Dies betrifft sowohl die Krankenkassen als auch die Gemeinden und Kantone.

 

Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz
Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz

Um tiefer in das Konzept von "Hospital at Home" einzutauchen, haben wir Kontakt zu Spitex Schweiz aufgenommen und ein Interview mit Frau Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz, geführt. Frau Pfister gab Einblick in die Vision der Spitex in Bezug auf die Zusammenarbeit im Rahmen von "Hospital at Home" und betonte die Bedeutung einer nahtlosen Integration der Dienstleistungen für eine effektive und qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten im häuslichen Umfeld.

 

DMZ: Wie hat sich die Einführung von "Hospital at Home" bisher auf die Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung ausgewirkt?

Marianne Pfister: Bei den aktuellen Beispielen wie Spital Zollikerberg handelt es sich um Pilotprojekte, welche sicher evaluiert werden. Die Spitex weiß aus Erfahrung, dass Menschen am liebsten zu Hause versorgt werden, sofern es die individuelle Situation zulässt, so auch dass sich die Versorgung zu Hause positiv auf die Lebensqualität auswirkt, da die Selbständigkeit und Mobilität der Patientinnen und Patienten gefördert werden.

 

DMZ: Gibt es konkrete Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Spitälern und Spitex bei "Hospital at Home"-Projekten, die Sie teilen könnten?

Marianne Pfister: Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Spitälern und Spitex finden Sie im «Spitex Magazin» https://spitexmagazin.ch/artikel/vielfaeltige-kooperationen-von-spitaelern-und-spitex/


DMZ: Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von ärztlichen Leistungen der Spitäler und pflegerischen Leistungen der Spitex in "Hospital at Home"?

Marianne Pfister: Bei Hospital at Home handelt es sich um eine «Spitalversorgung» zu Hause. Die Spitäler sind sich gewohnt, die nötige Infrastruktur immer in greifbarer Nähe zu haben. Die Spitex kennt die Eigenheiten des Privathaushaltes und ist sich gewohnt, hinter jeder Haustüre eine andere Situation vorzufinden. Hier treffen zwei Arbeitskulturen aufeinander, die sich gut absprechen und voneinander lernen müssen.

 

Fachpersonen aus dem Spital und der Spitex müssen als interdisziplinäre Teams zusammenarbeiten und die jeweiligen Kompetenzen optimal einsetzen. Beispiele sind die intravenöser Antibiotikaverabreichung alle vier Stunden, Überwachung der Ausscheidung, Hilfestellungen bei der Körperpflege und der Mobilisation, Wundversorgung, Schmerzmanagement.

 

Wird keine Spitalversorgung mehr benötigt, ist es wichtig, dass die Versorgung der Patienten dem ambulanten (hausärztlichen) Dienst und der Spitex übergeben wird.

 

Die Kommunikation zwischen Spital und Spitex muss mit geeigneten Kommunikationsmitteln gesichert sein, damit für den Patienten/die Patientin eine qualitativ optimale Versorgung sichergestellt ist und unnötige Fehler vermieden werden können.

 

Die Spitex muss für komplexe Leistungen zu Hause angemessen bezahlt werden. Denn derzeit deckt die Pflegefinanzierung die Komplexität der Spitex-Leistungen und die Arbeit des hoch spezialisierten Spitex-Pflegepersonals nicht mehr ab. Zum Beispiel vergüten viele Krankenkassen die Kosten für die Organisation und den Unterhalt von medizinischen Geräten durch die Spitex nicht, und auch mehrfache Spitex-Einsätze pro Tag oder Nacht können oft nicht verrechnet werden. Diese Leistungen sind aber zentral für eine optimale Versorgung zu Hause und Voraussetzung für pflegerische Leistungen im Rahmen von Hospital at Home.

 

DMZ: Inwiefern kann das Elektronische Patientendossier (EPD) dazu beitragen, den Informationsfluss zwischen den verschiedenen Akteuren bei "Hospital at Home" sicherzustellen?

Marianne Pfister: Es erleichtert den Informationsaustausch innerhalb der Leistungserbringer und zwischen verschiedenen Leistungserbringern. Wichtige Informationen sind zeitnah verfügbar und können abgerufen werden. Fehler und Doppelgleisigkeiten können vermieden werden. Das EPD stärkt die Qualität der Behandlung, erhöht die Patientensicherheit und steigert die Effizienz.

 

DMZ: Könnten Sie uns Einblick in die Schritte geben, die unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Spitex angemessen entschädigt wird, insbesondere für komplexe Leistungen und den Einsatz von technischen Hilfsmitteln?

Marianne Pfister: Wir fordern von der Politik und den Versicherern eine angemessene Entschädigung. Diese Interessen vertreten wir im nationalen Parlament, bei der GDK (Gesundheitsdirektorenkonferenz), bei den Versicherern und beim Bundesamt für Gesundheit BAG.

 

DMZ: Gibt es bereits Erkenntnisse darüber, wie "Hospital at Home" die Gesundheitskosten beeinflusst und inwieweit diese Maßnahme das Wachstum der Gesundheitskosten dämpfen kann?

Marianne Pfister: Eine ambulante Versorgung ist in der Regel kostengünstiger als eine stationäre Versorgung (siehe politischer Grundsatz «ambulant vor stationär»). Es gilt allerdings, jeweils den einzelnen Patientensituation zu betrachten, u.a. ob aufgrund der Krankheit eine ambulante Versorgung möglich ist, aber auch, ob die persönliche Situation des Patienten/der Patientin sowie das häusliche Umfeld diese Art der Versorgung zulässt.

 

DMZ: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von "Hospital at Home" in Bezug auf die steigende Nachfrage nach ambulanter Pflege und die zunehmende Komplexität der Krankheitssituationen?

Marianne Pfister: Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die seit Jahrzehnten erfolgende Ambulantisierung weiter voranschreitet. Patientinnen und Patienten können noch früher aus dem stationären Setting entlassen werden – dank technischer, ärztlicher und pflegerischer Unterstützung zu Hause. Die Nachfrage wird in Zukunft zweifelsohne zunehmen.

 

Werden «Hospital at Home»-Projekte weiter ausgebaut, ist es wichtig, dass alle Menschen davon profitieren können, unabhängig von ihrem Wohnort und von ihrer finanziellen Situation.

 

DMZ: Welche Unterstützung und Ressourcen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um sicherzustellen, dass die Spitex ihre Rolle als gleichberechtigter Partner bei "Hospital at Home" effektiv erfüllen kann?

Marianne Pfister: Einbezug der Spitex von Beginn weg in «Hospital at home»-Projekte; adäquate Finanzierung der  Spitex-Leistungen; dazu gehören auch komplexe Pflegeleistungen rund um «Hospital at home»-Pflege.

 

Zur Spitex

Spitex Schweiz ist der nationale Dachverband von Spitex-Kantonalverbänden und weiteren Organisationen für professionelle Pflege und Unterstützung zu Hause. Er setzt sich auf nationaler Ebene für die Interessen der Mitglieder und deren lokalen Spitex-Organisationen ein und stellt Dienstleistungen für die gesamte Branche zur Verfügung. Rund 400 Organisationen mit über 40’000 Mitarbeitenden pflegen und betreuen Menschen jeden Alters, damit diese weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben können. Die Spitex-Organisationen versorgen rund 80% der Spitex-Klientinnen und -Klienten in der ganzen Schweiz. www.spitex.ch


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