"Biodiversität als Verbündete"

Biologin und Journalistin Isabella Sedivy
Biologin und Journalistin Isabella Sedivy

DMZ –  NATUR / KULTUR ¦ Urs Heinz Aerni ¦                   Biologin und Journalistin Isabella Sedivy

 

Die Biologin und Journalistin Isabella Sedivy dokumentiert in ihrem Film "Das Bienendilemma" eine Entwicklung in der Imkerei, die unterschätzt wird.

 

Urs Heinz Aerni: Seit dem Riesenerfolg von "More than Honey" von Markus Imhoof über das Bienensterben 2012 erfuhr die Branche der Imkerei einen Boom. Vor allem in den Städten wimmelt es von Imkerinnen und Imkern, da hier das Blütenangebot besser ist als in der Landwirtschaft und die Bienen nicht unter dem Einsatz von Pestiziden leiden. Doch jetzt gerät die Liebe und das Geschäft mit dem Honig in einen Kippzustand. Zuerst einmal, was waren die Signale, die Sie, Isabella Sedivy, dazu bewogen dieses Thema filmisch aufzugreifen?

Isabella Sedivy: Als ich noch bei Netz Natur gearbeitet habe, haben wir mehrfach über Honigbienen und andere Insekten berichtet. Da wurde mir bereits klar, dass die Honigbiene ein teilweise sehr intensiv gehaltenes Nutztier ist, welches irreführenderweise als Sinnbild der Biodiversität dient. Gleichzeitig geniessen Honigbienen grosse Sympathie in der Bevölkerung und Imkerinnen setzen sich weltweit gegen besonders schlimme Bienengifte wie Neonikotinoide und für eine naturnahere Landwirtschaft ein, was auch allen anderen Insekten zugutekommt.

 

Aerni: Jedoch...?

Sedivy: Aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit für die Probleme der Honigbienen, haben viele Menschen mit der Honigbienenhaltung begonnen, weil sie dachten, auf diese Wiese etwas für die Artenvielfalt zu tun. So kam es, dass die Menge an Honigbienen stark zunahm und sie insbesondere in Städten und Naturschutzgebieten für Wildbienen und andere Bestäuberinsekten zum Problem wurden. Richtig gepackt hat mich das Thema aber erst, als ich von den wildlebenden Honigbienen erfahren habe und davon, dass die Dunkle Biene in einem unveröffentlichten Bericht zuhanden des Bundesamtes für Umwelt eindeutig als einheimisches Wildtier bestimmt worden ist. 

 

Aerni: In Ihrem Film berichten Sie insbesondere, wie die Honigbiene zu einem Zuchttier und gleichzeitig zu einer Belastung der Wildbiene wurde. Wie dürfen wir Ihre ersten Schritte bei der Recherche vorstellen?

Sedivy: Ich habe mich schlau gemacht über die diversen Honigbienenunterarten und Zuchtformen, die in der Schweiz gehalten werden. Hier hat sich das Dilemma rasch gezeigt. Dass nämlich Bienen mit mehr Honigertrag auch grössere Völker haben, und dass die Sanftheit, die den Bienen angezüchtet wird, auch mit einer verstärkten Anfälligkeit für Krankheiten einhergeht.

 

Aerni: Mit welchen Folgen?

Sedivy: Bei der ganzen Zucht wird kaum Gewicht auf Robustheit gegenüber Parasiten und Krankheiten gesetzt. Auch das Schwarmverhalten, welches eigentlich zur Gesundheit der Honigbienen beiträgt, wird unterdrückt. Und die Haltung in Bienenhäuschen von Dutzenden Honigbienenvölkern dicht beieinander, entspricht nicht der Natur der Honigbiene.

 

Dass die unnatürlich vielen Honigbienen zur Belastung für Wildbienen geworden sind, hängt vor allem damit zusammen, dass sich die Imkerei aus der Landwirtschaft in den Siedlungsraum und in Naturschutzgebiete verschoben hat.

 

Aerni: Im Film kommen beide Seiten zum Wort; die für den Markt produzierende Imkerin als auch die Leute, die diese Entwicklung kritisch einschätzen. Fanden Sie schnell Ihre Gesprächspartner?

Sedivy: Ja, die Protagonistinnen kannte ich alle bereits aus früheren SRF-Produktionen bei "Netz Natur", "Schweiz Aktuell" und "Mission B" wo ich zu den Themen Honigbienen, Wildbienen und Biodiversität berichtet habe. Der Dok erlaubte es mir nun in die Tiefe zu gehen, die unterschiedlichen Aspekte aufzuzeigen und miteinander zu verknüpfen.

 

Aerni: Für viele Zuschauende war die Information wohl überraschend, dass im Kanton Glarus nur die einheimische Dunkle Biene gehalten werden darf. Und auch, dass viele hochgezüchtet Honigbienen für die Biodiversität alles andere als nachhaltig gewertet werden dürfen. Persönliche Frage: Mögen Sie Honig?

Sedivy: Ja, aber ich habe ihn schon immer nur sehr bewusst gegessen. Der Honigkonsum in der Schweiz übersteigt trotz der hohen Imkerdichte bei weitem die Produktion im Inland, denn über 70 Prozent des Honigs ist importiert.

 

Aerni: Auf was sollten Konsumentinnen und Konsumenten beim Honigkauf achten?

Sedivy: Ich denke nicht, dass man hier als Konsumentin gross etwas bewirken kann. Das Einzige was allenfalls einen minimen Effekt hätte wäre, weniger oder gar keinen Honig zu essen.

Wie viele Honigbienen in einer Region gehalten werden, ob es wie im Glarus Bestimmungen über die Art der Honigbienen in einer Region gibt oder gar Schutzgebiete ohne Imkerei, das kann nur gesetzlich geregelt werden. Über den Konsum lässt sich das nicht steuern.

 

Aerni: Und was raten Sie der Bienenzucht?

Sedivy: Ich weiss, dass immer mehr Imkerinnen und Imker auf eine naturnahe Bienenhaltung setzen, die auf gesunde und robuste Bienen zielt. Das ist sicher eine sehr gute Entwicklung. Und was die hohen Honigbienendichten betrifft: da kann man als Imkerin natürlich auf die Honigbienenhaltung in einem Gebiet verzichten, wenn man sieht, dass dort schon viele Honigbienen gehalten werden. Aber es ärgert einen natürlich auch, wenn dann flux ein anderer Imker dennoch den Standort nutzt.

 

Aerni: Als Biologin und Journalistin machen Sie nicht nur Filme für SRF, sondern engagieren sich auch bei "Plan Biodivers", einem Unternehmen, das sich für die Förderung der Biodiversität und deren Kommunikation einsetzt. Wie optimistisch sehen Sie die aktuellen Entwicklungen in der Natur rund um uns herum?

Sedivy: Ich sehe im Detail viele positive Entwicklungen. Immer mehr Menschen beginnen die Wichtigkeit und Schönheit von mehr Wildnis und Natur zu erkennen. Menschen in den Städten wünschen sich mehr Grün, mehr Vogelgezwitscher und auch die Privatwirtschaft merkt langsam, dass Biodiversität mindestens genauso wichtig ist wie Klima. Dasselbe gilt für viele Bäuerinnen und Bauern, mit denen ich in meinem Job zu tun habe. Die Feldlerche oder den Neuntöter auf dem eigenen Land zu haben gilt neu als Wert, auf den man genauso stolz ist, wie auf eine hohe Produktion an Nahrungsmitteln.

 

Aerni: Also punktuelle Hoffnungsschimmer...

Sedivy: Ja, auf alle Fälle. Nur in der Politik scheint der Groschen leider noch nicht gefallen zu sein. Manchmal dünkt es mich fast, als wäre es eine Trotzreaktion, die Biodiversität und den Naturschutz zu schwächen, weil man nun im Klimaschutz gezwungen ist, endlich zu handeln. Dabei ist eine gesunde Biodiversität unsere stärkste Verbündete, wenn es darum geht, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen.

 

Aerni: Ihr filmischer und kritischer Blick hinter die Kulissen der Bienen-Imkerei löst ein Echo der Debatten und Diskussionen aus. Welche nächsten Schritte in die richtige Richtung wären aus Ihrer Sicht nun notwendig und auch möglich?

Sedivy: Die Honigbiene ist als Nutztier beim Bundesamt für Landwirtschaft angesiedelt. Da aber die Dunkle Honigbiene klar als Wildtier definiert worden ist, müsste hier das Bundesamt für Umwelt Verantwortung übernehmen. Meiner Ansicht nach gehört das Nutztier Honigbiene klar in die Landwirtschaft, wo sie für die Bestäubung von Nutzpflanzen wie Obst und Hülsenfrüchte ein Mehrwert ist.

 

Aerni: Aha, also eigentlich kein Tier für die freie Natur?

Sedivy: Richtig. Ausserhalb der Landwirtschaft, in Naturschutzgebieten, im Siedlungsraum und auch im Berggebiet braucht es das Nutztier Honigbiene nicht. Hier wäre Platz für wild lebende Honigbienen und eine sanfte, naturnahe Imkerei, die so geregelt ist, dass nur so viele Honigbienen vorkommen, wie es sich mit den Wildbienen und anderen Bestäuberinsekten verträgt. So könnte auch die Honigbiene als überlebensfähige Insektenart gerettet werden und mit ihr all die Tierarten, die von ihr abhängen.

 

 

 

+++

Der Film " Das Bienendilemma – Zwischen Profit und Artenschutz" von Isabella Sedivy ist jetzt in der Mediathek von SRF und auf Youtube zu sehen:

 

Isabella Sedivy ist Biologin und Journalistin und zusammen mit Bettina Walch Mitbegründerin von Plan Biodivers GmbH in Zürich, ein Unternehmen für Umweltkommunikation und Projektplanungen. Zuvor war sie bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und dann beim SRF als Redaktorin von «Netz Natur» und «Schweiz aktuell». Zusammen mit Bettina Walch plante und leitete sie für SRF das Projekt "Mission B". Isabella Sedivy ist mit ihrer Familie viel in der Natur aber auch mal zu Pferde unterwegs.

 

Link zu mehr Informationen über Plan Biodivers:

https://planbiodivers.ch

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