DMZ – GESUNDHEIT / WISSEN ¦ Sarah Koller ¦
Die Wirkung pflanzlicher Arzneimittel beruht auf dem Gesamtextrakt und nicht auf einer einzelnen Substanz. Die pharmakologische Aktivität von pflanzlichen Wirkstoffen in Extrakten wird den natürlichen Stoffgemischen zugeschrieben.
Obwohl diese Hypothese bisher nur im präklinischen Bereich gestützt werden konnte, werden pflanzliche Arzneimittel bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt. Die klinische Prüfung pflanzlicher Extrakte gestaltet sich jedoch schwierig, da für jeden Inhaltsstoff im Extrakt und das Gesamtgemisch separate Arme in kontrollierten Studien erforderlich wären. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen bei der Bewertung der Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel und kritisiert die Naturheilkunde-Ausbildung.
Herausforderungen bei der Wirksamkeitsbewertung pflanzlicher Arzneimittel
Die therapeutische Synergie der Inhaltsstoffe pflanzlicher Gesamtextrakte ist weder zu beweisen noch zu widerlegen, da die heutigen Prüfregeln für eine separate Bewertung jedes Inhaltsstoffs wirtschaftlich kaum umsetzbar sind. Klinische Studien, die die Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel belegen oder widerlegen sollen, sind daher kaum durchführbar. Dies führt zu Unsicherheiten in Bezug auf die therapeutische Wirkung und erschwert die Entscheidungsfindung für Ärzte und Patienten.
Kritik an der Naturheilkunde-Ausbildung
Die Ausbildung zum Heilpraktiker oder zur Heilpraktikerin, die in Deutschland und der Schweiz stattfindet, mangelt an Qualitätsstandards und gesetzlichen Regelungen. Dies betrifft auch die Ausbildung in der Naturheilkunde. Die fehlende Qualitätssicherung in Ausbildung und Praxis sowie die oft überzogenen Versprechungen sind problematisch. Begriffe wie "Energie", "Schwingungen" und "Ausleitung" werden oft vage und undefiniert verwendet, was zu einer beliebigen Erklärung verschiedener Phänomene führt. Die Indoktrination mit irrationalen Theorien und die pauschale Ablehnung medizinischer Maßnahmen tragen zur Kritik an der Naturheilkunde-Ausbildung bei.
Die Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung in der Phytotherapie
Trotz der Kritik an der Naturheilkunde-Ausbildung und den Herausforderungen bei der Wirksamkeitsbewertung pflanzlicher Arzneimittel gibt es Möglichkeiten, die Wirksamkeit und Sicherheit von Phytopharmaka durch wissenschaftliche Forschung zu belegen. Die Verwendung von Heilpflanzen kann auf der Grundlage von neueren Erkenntnissen und Methoden erfolgen, wie sie in der Phytotherapie angewandt werden. Die Wirksamkeit von pflanzlichen Wirkstoffen kann im Labor getestet und in klinischen Studien überprüft werden.
Die Phytotherapie hat das Potenzial, zur Entwicklung neuer Medikamente beizutragen und alternative Behandlungsoptionen zu bieten.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche wissenschaftliche Studien durchgeführt, um die Wirkungsweise und die therapeutischen Eigenschaften von Heilpflanzen zu untersuchen. Dabei werden moderne Analysemethoden wie die Extraktion von Wirkstoffen, die Identifizierung von chemischen Verbindungen und die Erforschung ihrer pharmakologischen Wirkmechanismen eingesetzt.
Darüber hinaus ermöglicht die Durchführung von klinischen Studien die Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Phytopharmaka bei menschlichen Patienten. Solche Studien können verschiedene Aspekte wie Dosierung, Verträglichkeit, Langzeiteffekte und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten untersuchen. Durch eine strenge wissenschaftliche Methodik können verlässliche Daten generiert werden, die zur Entscheidungsfindung in der klinischen Praxis beitragen.
Die Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung in der Phytotherapie liegt auch darin, die Qualität und Reinheit pflanzlicher Arzneimittel sicherzustellen. Durch chemische und mikrobiologische Analyseverfahren kann die Qualität von Heilpflanzenextrakten und -präparaten überprüft werden, um Verunreinigungen, Toxine oder andere unerwünschte Substanzen zu identifizieren und zu vermeiden.
Darüber hinaus kann die wissenschaftliche Forschung in der Phytotherapie zur Entwicklung von standardisierten und reproduzierbaren Behandlungsprotokollen beitragen. Durch die Festlegung klarer Richtlinien und Empfehlungen können Fachkräfte im Gesundheitswesen effektive und sichere pflanzliche Therapien anbieten.
Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die wissenschaftliche Forschung in der Phytotherapie auch ihre eigenen Herausforderungen und Einschränkungen hat. Die Komplexität der Pflanzenchemie, die Interaktion mehrerer Wirkstoffe und die Vielfalt der individuellen Reaktionen auf pflanzliche Arzneimittel können die Forschung erschweren. Zudem gibt es auch finanzielle Hürden, um umfangreiche Studien durchzuführen, da pflanzliche Therapien oft nicht den gleichen finanziellen Anreiz bieten wie die Entwicklung synthetischer Medikamente.
Trotzdem bleibt die wissenschaftliche Forschung ein wichtiger Bestandteil der Phytotherapie, um ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität zu stärken. Durch die kontinuierliche Forschung und den Austausch von Erkenntnissen können wir das Potenzial von Heilpflanzen und pflanzlichen Arzneimitteln besser verstehen und sie als integrative Therapieoptionen in der modernen Medizin etablieren.
Quellen:
- Häuser, S. (2019). "Phytopharmaka: Wissenschaftler fordern bessere Forschung und Zulassung." Die Zeit. Abgerufen am 16. Mai 2023 von https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-05/phytopharmaka-pflanzliche-arzneimittel-wirkung-studien-zulassung
- Kommission E. (1998). "Monographien." Bundesanzeiger Verlag.
- Linde, K., Berner, M. M., & Kriston, L. (2019). "St John's wort for major depression." Cochrane Database of Systematic Reviews, 2019(12).
- Melchart, D. (2000). "Efficacy and safety of phytotherapy in primary care: a systematic review." Advances in Therapy, 17(6), 316-317.
- Schmidt, M. (2019). "Die dunkle Seite der Naturheilkunde." Spektrum der Wissenschaft. Abgerufen am 16. Mai 2023 von https://www.spektrum.de/kolumne/die-dunkle-seite-der-naturheilkunde/1653282
- World Health Organization (WHO). (2002). "Traditional Medicine Strategy 2002-2005." WHO Press.
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