AT: Volksanwaltschaft berichtet über bislang höchstes Beschwerdeaufkommen im Jahr 2022

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

23.958 Beschwerden – so viele wie nie zuvor - wurden im Jahr 2022 an die Volksanwaltschaft herangetragen, berichten Volksanwältin Gaby Schwarz, Volksanwalt Bernhard Achitz und Volksanwalt Walter Rosenkranz in ihrem jährlichen Tätigkeitsbericht ( III-846 d.B.). Die Krisen der letzten Jahre hätten den Informations- und Unterstützungsbedarf der Menschen erhöht, zugleich hätten sich finanzielle Engpässe im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Justiz und bei der Polizei weiter verschärft, heißt es darin.

 

Die meisten Beschwerden betreffen den Sozialbereich, vor allem das Ausbleiben der Zustellung von COVID-19-Absonderungsbescheiden. Bemängelt wird ferner die lange Bearbeitungsdauer von Kostenerstattungen bei der Krankenkasse. Von Beschwerdewellen wird in Bezug auf den Klimabonus und den Energiekostenausgleich berichtet.

 

Die Volksanwaltschaft beging im Jahr 2022 ihr 45-jähriges Bestehen als Kontrollorgan für Missstände in der öffentlichen Verwaltung. Während in vielen Fällen Lösungen für Probleme im Umgang mit Behörden gefunden werden, soll die Vermittlerrolle und die Kontrollfunktion der Volksanwaltschaft im Allgemeinen effiziente Erledigungen sowie transparente Entscheidungsprozesse fördern.

 

Eine weitere Kernaufgabe ist die präventive Menschenrechtskontrolle. Insgesamt wurden 2022 481 Kontrollen in öffentlichen und privaten Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime, Krisenzentren, Polizeiinspektionen und bei Polizeieinsätzen durchgeführt. Zu den Prüfschwerpunkten zählen Palliativversorgung, Kinder- und Jugendhilfe und Jugendstrafvollzug sowie Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderung. Zumeist werden unzureichende Personalressourcen, aber auch Aufenthaltsbedingungen wie Hygienestandards bemängelt.

 

Verwaltungsmissstand in über 2.200 Fällen festgestellt

Von den beinah 24.000 eingelangten Beschwerden lagen allerdings mehr als 7.000 außerhalb des Prüfauftrags der Volksanwaltschaft, sondern in der unabhängigen Gerichtsbarkeit. 16.911 Anliegen betrafen die Verwaltung, wovon 5.796 Fälle unmittelbar erledigt werden konnten. In 11.115 Fällen wurden die Behörden befasst, wobei im Berichtsjahr 10.508 Prüfverfahren abgeschlossen werden. Die Volksanwaltschaft stellte dabei bei knapp einem Fünftel (2.278) der Fälle einen Verwaltungsmissstand fest.

In den Bereich der Bundesverwaltung fielen 8.057 Prüfverfahren, rund ein Viertel davon (23,3 %) betrafen den Bereich Soziales und Gesundheit, insbesondere COVID-19-Absonderungen und Probleme mit der Krankenversicherung. Unverändert hoch sei das Beschwerdeaufkommen von Menschen mit Behinderungen. Mehr als ein Fünftel (22,5%) aller Verfahren betraf den Bereich Innere Sicherheit, vor allem das Fremden- und Asylrecht. Im Justizbereich wachsen die Beschwerden weiter an.

 

Die Volksanwaltschaft kontrolliert auch die Landes- und Gemeindeverwaltungen in sieben Bundesländern (Tirol und Vorarlberg haben eigene Landeseinrichtungen). Die inhaltlichen Schwerpunkte der 3.058 Prüffälle lagen dabei im Jahr 2022 bei der Straßenpolizei und beim Staatsbürgerschaftsrecht, beim Sozialwesen und beim Baurecht.

 

Soziales und Gesundheit: Vielzahl an coronabedingten Beschwerden

Der Sozialbereich war im Jahr 2022 erneut jener mit dem größten Beschwerdeaufkommen (1.875 Fälle). Bereits das dritte Jahr in Folge sah sich die Volksanwaltschaft mit zahlreichen Beschwerden aufgrund von COVID-19-Absonderungen konfrontiert. Vor allem Personen, die einen verspäteten oder keinen Absonderungsbescheid erhielten, wandten sich an die Einrichtung. Die zahlreichen Prüfverfahren hätten verdeutlicht, dass die Gesundheitsbehörden auch nach zwei Jahren Pandemie nicht ausreichend personell und technisch gerüstet sind, schlussfolgert die Volksanwaltschaft. Aus ihrer Sicht wären zudem die rechtlichen Rahmenbedingungen (Epidemiegesetz) zu verbessern. Probleme hätte es auch beim Corona-Bonus für das Gesundheitspersonal gegeben. Bemängelt wird etwa die uneinheitliche Auszahlungspraxis in den Bundesländern.

 

Zahlreiche Beschwerden langten über die lange Bearbeitungsdauer der Österreichischen Gesundheitskasse für eine Kostenerstattung nach Inanspruchnahme von Wahlärzt:innen ein. Eine deutliche Reduktion der Bearbeitungsdauer wäre anzustreben.

 

Ein leicht erhöhtes Beschwerdeaufkommen gab es im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung. So häuften sich Anliegen über die rechtliche Ausgestaltung des Pensionssplittings. Frauen würden das Risiko tragen, dass sich Männer nicht an die Vereinbarung halten, außerdem würde die Opt-In-Variante kaum genutzt werden. Die Volksanwaltschaft empfiehlt daher ein Modell des automatischen Pensionssplittings. Kritik geübt wird ferner an der "fehlenden sozialen Treffsicherheit" der Einmalzahlungen für Pensionist:innen aufgrund der Teuerung.

 

Menschen mit Behinderung monierten eine lange Verfahrensdauer zur Erlangung eines Behindertenpasses oder Parkausweises. Die Prüfverfahren ergaben, dass es aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von ärztlichen Sachverständigen zu gravierenden Verzögerungen in der Antragsbearbeitung kam. Maßnahmen zur Gegensteuerung seien ergriffen worden.

 

Positiv hervorgehoben wird im Bericht, dass eine langjährige Forderung der Volksanwaltschaft im Jahr 2022 umgesetzt wurde: Die Diskriminierung von homosexuellen und transidenten Menschen bei der Blutspende wurde beseitigt.

 

Begrüßt wird von der Volksanwaltschaft außerdem die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, mit der die österreichische Regelung zur Indexierung der Familienbeihilfe aufgehoben wurde. Der Gesetzgeber regierte mit Nachzahlungen. Die Zahl der Beschwerden sei über die lange Dauer des Verfahrens zur Gewährung der Familienbeihilfe sei zurückgegangen, dennoch wurden im Berichtszeitraum 110 diesbezügliche Fälle behandelt.

 

Inneres: Lange Verfahrensdauer bei Asyl- und Fremdenrecht

1.811 Fälle lagen im Vollzugsbereich des Innenressorts, wobei sich über 70% auf das Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenrecht beziehen. Die Beschwerden über die Dauer von Aufenthaltstitelverfahren sind immer noch hoch, obwohl die Volksanwaltschaft seit Jahren Mängel bei der Vollziehung des Niederlassungsrechts aufzeige, heißt es im Bericht. Ein Beschwerdeanstieg sei bei Staatsbürgerschaftsverfahren wie auch bei der Asylverfahrensdauer zu verzeichnen.

 

295 Personen beschwerten sich über die Polizei, etwa über die Nichtentgegennahme von Anzeigen, Unfreundlichkeit oder mangelhafte Auskunftserteilung. Nur sieben polizeiliche Missstände wurden von der Volksanwaltschaft festgestellt.

 

Justiz: Beschwerden über Aufenthaltsbedingungen im Strafvollzug

Im Justizbereich fielen 1.305 Beschwerden an, vor allem von Insass:innen des Straf- und Maßnahmenvollzugs. Die Anliegen reichen von vermuteten baulichen Mängeln in den Justizanstalten über fehlende Sportmöglichkeiten und Lärmbelästigung bis hin zu Beschränkungen des Besuchsrechts und Misshandlungsvorwürfen.

 

Mit Ernüchterung festgestellt wurde, dass die Meldungen über Suizidversuche unverändert hoch seien. Die Zahl an Fällen, in denen der Suizid vollendet wurde, ging allerdings zurück. Die Volksanwaltschaft stehe im laufenden Austausch mit den Bediensteten der Justizanstalten.

 

Energie und Verkehr: Beschwerdeflut zu ausbleibendem Klimabonus

Eine große Anzahl der Beschwerden aus dem Vollzugsbereich des Klimaschutzressorts bezog sich 2022 auf den Bereich Energie. Mehr als 500 Personen beschwerten sich, dass sie den Klimabonus samt Teuerungsausgleich nicht erhalten hätten. Die Beschwerdeflut würde sich auch im Jahr 2023 fortsetzen. Viele der Prüfverfahren und amtswegigen Erhebungen seien laut Bericht allerdings noch nicht abgeschlossen.

 

Auch für die Abwicklung von Photovoltaikförderungen durch die Abwicklungsstelle für Ökostrom trafen knapp 50 Beschwerden ein. Betroffene, die um eine Förderung ansuchten, empfanden die Vergabe als eine Art Lotteriesystem. Mehrere Anliegen bezogen sich auf die im Stromkostenzuschussgesetz geregelte Strompreisbremse.

 

Von einer Welle an Beschwerden wird auch rund um den Energiekostenausgleich berichtet. Einige Personengruppen hätten keinen Gutschein erhalten, weshalb die Volksanwaltschaft beim Finanzministerium und bei den Parlamentsfraktionen anregte, den engen Berechtigtenkreis zu überdenken. Auch die Förderungsabwicklung und die Gutscheinprüfung sorgten sodann für Beschwerdewellen. Im Bereich der Finanzverwaltung sei man bislang noch nicht mit derart vielen Beschwerden befasst gewesen. Die Volksanwaltschaft spricht von einer unbefriedigenden Rechtslage und Gesetzesvollziehung.

Die meisten Beschwerden im Bereich Verkehr betrafen Führerscheinangelegenheiten. Wiederholt berichtet die Volksanwaltschaft über hohe Kosten von chronisch kranken Personen, die im Zuge der Verlängerung befristeter Lenkberechtigungen entstehen. Der Forderung einer Kostenreduktion sei mittlerweile teilweise nachgekommen worden.

 

Arbeit und Wirtschaft: AMS-Beschwerden rückläufig

Die Beschwerden im Bereich des Arbeitsmarktservice (AMS) gingen im Jahr 2022 auf 266 Fälle zurück, was die Volksanwaltschaft auf die gesunkene Zahl an Arbeitssuchenden zurückführt. Es gab kaum noch coronabedingte Beschwerden, in Einzelfällen kam es zu Rückforderungen von Kurzarbeitshilfen.

136 Prüffälle betrafen wirtschaftsrelevante Beschwerden, primär im Bereich Betriebsanlagenrecht, wobei sich überwiegend Personen an die Volksanwaltschaft wandten, die sich durch Emissionen belästigt fühlen.

 

Das zum Vorjahr ähnliche Niveau an Geschäftsfällen im Schulbereich (94) steht großteils in Zusammenhang mit der Pandemie. Die schulischen Schutzmaßnahmen wurden von den an die Volksanwaltschaft herangetretenen Personen als ungerechtfertigt oder unverhältnismäßig wahrgenommen. Im Bereich Wissenschaft und Forschung wurden die meisten Beschwerden über die Vollziehung studienrechtlicher Bestimmungen geführt.

 

Der inhaltliche Schwerpunkt der gesamt 47 Beschwerden aus dem Bereich des Außenressorts lag bei Visaverfahren der Österreichischen Botschaften. Im Bereich Landesverteidigung war im Berichtszeitraum ein Beschwerderückgang zu verzeichnen.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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