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«Ich bohre Dir ein Loch in den Bauch»

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

 

Die Leserschaft wird eindringlich davor gewarnt, Sinn und Plausibilität des nachstehend beschriebenen Dramas praktisch zu überprüfen. Autor und Verlag lehnen jede Verantwortung ab.

 

1. Die Darsteller

Neben dem Protagonisten des Dramas, also dem damals fünf Jahre alten Autor, spielten sein Vater und dessen Arbeiter Röbi S. die Hauptrollen.

 

2. Ort der Handlung

Die Werkstatt des Vaters.

 

3. Der Ablauf

Über den Auslöser der Handlung kann heute nur noch spekuliert werden. Zweifellos ging es wieder um eine der häufigen Missetaten des Kleinen.

 

Röbis Blutdruck muss dramatisch gestiegen sein. Für einen Moment war er es leid, vom Sohn seines Arbeitgebers geärgert und von seiner Arbeit abgelenkt zu werden. Dass man einen mit einer Bohrmaschine Hantierenden nicht ablenken oder reizen sollte, war dem kleinen Wicht zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt.

 

«Wenn du nicht aufhörst, bohre ich dir ein Loch in den Bauch.» Der Kleine glaubte kein Wort. Schliesslich war Röbi S. ein zivilisierter Mensch und auch noch Pate seines kleinen Bruders. Der Kleine lieferte also den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

 

Blaue Latzhosen waren damals sehr beliebt. Sie waren in jeder Hinsicht praktisch, bequem und unverwüstlich. Letzteres allerdings mit Einschränkungen, wie sich gleich herausstellen sollte. Röbi hob also den Kleinen an den praktischen Hosenträgern in die Höhe und hielt ihm die Bohrmaschine direkt vor den Bauch. Zu seinem Leidwesen schien selbst diese Drohung den Kleinen kaum zu beeindrucken.

 

Wie bei nüchterner Betrachtung nicht anders zu erwarten, nahm das Unglück seinen Lauf. Der Bohrer verfing sich im Stoff, riss nach der Hose den Pullover auf, danach das Unterhemd, am Schluss floss Blut. Nicht viel, aber immerhin. Und wie es sich für ein anständiges Drama gehört, erschien genau zu diesem Zeitpunkt der Vater auf der Bildfläche.

 

Die Urteilsverkündung folgte auf dem Fuss: Rauf zur Mutter, Pflaster auf den Bauch, dann ins Dorf, neue Kleider kaufen, eine Stunde Lohnabzug. Und um das Beste nicht zu vergessen: Auf dem Rückweg vom Dorf gabs noch Schmerzensgeld. Eine ganze Tafel Schokolade. Was für ein glücklicher Tag.

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