DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Wenn schon unser Tun gottlos war, will ich wenigstens dem Wahrheitsgebot gerecht werden. Also trifft es erstens zu, dass ich damals, im zarten Alter von vierzehn Jahren, aufgrund meiner Studien über Karl May besser über die Hadsch Bescheid wusste als über den Weg zum Grab des Apostels in Santiago de Compostela.
Für die ungebildete Minderheit der christlichen Mehrheit der Leserschaft: Der Hadsch ist die islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Er ist die letzte der fünf Säulen des Islam und findet jährlich während des Monats Dhu l-Hiddscha statt.
Zweitens trifft es zu, dass ich an jenem Freitag dem Georg aushalf. Georg hatte ein kleines Transportunternehmen und führte auch Umzüge durch. Am Morgen hatten wir den Lastwagen beladen, wie es sich gehört: Zuerst der hohe Nussbaumschrank, dann das verfluchte Klavier, am Schluss noch die Bananenschachteln mit dem Geschirr. Nein, ganz am Schluss noch die Blumenvasen, die wir fast vergessen hätten. Hätten wir sie doch vergessen.
Im sagenumwobenen Martinstobel fliesst die Goldach, wo hin und wieder Goldsucher Sand waschen, um anschliessend in der Gartenwirtschaft ein Thema zu haben. Ebenfalls durchs Martinstobel verläuft der berühmte Pilgerpfad. Nicht der für die Muslime, sondern der für die sündigen Christen, die sich die Füsse wundlaufen, um in Santiago de Compostela auf Spanisch zu beichten. Und über dieses Tobel führte uns die Martinsbrücke auf dem Weg nach Basel.
Wir fuhren also Richtung Martinsbrücke, und bis Eggersriet lief alles nach Plan. Leider ist jedoch die Strasse anschliessend recht steil und kurvig. Jedenfalls führten Fliehkräfte dazu, dass der Nussbaumschrank unter den Blumenvasen den Halt verlor und zu wackeln begann. Den Vasen blieb nichts anderes übrig, als diese Bewegungen nachzuvollziehen – dies in einem Ausmass, das dazu führte, dass sie allesamt vom Schrank rutschten und gemäss den Gesetzen von Isaac Newton auf dem Boden landeten. Keine der Vasen überstand.
Glücklicherweise hatte Georg bessere Nerven als ich. Meine erste Aufregung legte sich, Georg hielt genau auf der Martinsbrücke an und instruierte mich über den weiteren Verlauf, was die Bananenschachteln mit den Scherbenbergen betraf: «Wirf sie runter.»
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