DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Zuerst die Krim, dann die Ukraine. Und dann?
Zum Glück gibt es noch Schweizer wie Rolf Suter: Wache Zeitgenossen mit Weitblick und gesundem Selbsterhaltungstrieb.
Der folgende Auszug aus seinem Tagebuch ist ein Lehrstück für jene naiven Bürger, die Blattmanns Empfehlungen für Notvorrat und Maurers Einsatz für eine einsatzfähige Luftwaffe ins Lächerliche ziehen.
Die verletzlichste Stelle der Schweiz liegt an der Ostgrenze: Eine Scheindemokratie mit einem autoritären Führer, nicht unähnlich der Russischen Föderation, mit nach wie vor engen Beziehungen zu Osteuropa. Die strategischen Interessen in Vaduz decken sich weitgehend mit denen in Moskau. „Lebensraum im Westen“ soll kürzlich einer im Landtag gefordert haben.
Als ich letzte Woche in Schaan war (wegen einer Geldgeschichte, nicht zum Rekognoszieren, aber man kann ja die Augen offen halten, wenn man schon auf feindlichem Gebiet unterwegs ist), habe ich sie gesehen. Sie standen am Waldrand, mindestens fünf, alle schwer bewaffnet mit Jagdgewehren und grossen Taschenmessern. Einer hatte einen Kampfhund dabei, ein anderer schaute angestrengt mit seinem Feldstecher über den Rhein, zu unserer Seite hinüber. Die meinen wohl, wir würden auf diese kindische Tarnung mit ihren Jägerkleidern hereinfallen! Das sind sie bei uns an den Falschen. Besonders bei mir.
Ich bin für den Ernstfall gerüstet. Vreni, meine Frau, meint, sogar besser als für den Normalfall. Mein Haus ist schon fast eine Festung. Äusserlich harmlos, mit Geranien, einem sauber geputzten Grill, der Rasen wird pünktlich am Samstag morgen um 05:30 zurückgestutzt. Der Grill ist aber nicht nur so sauber, weil ich ihn jeden Sonntag abstaube, sondern weil Vreni Vegetarierin ist und kein Fleisch im Haus haben will. Aber als Tarnung für die Mündungsöffnung der Zwanzigmillimeterkanone im Untergeschoss ist er perfekt. Die Kanone ist genau auf den Eingang unseres Dorfschulhauses gerichtet. Feindliche Armeen haben die Angewohnheit, sich in Schulhäusern einzuquartieren, das weiss jedes Kind.
Auf der Ostseite des Hauses habe ich also wenig zu befürchten, aber drüben bei den Brombeerstauden (nachwachsender Vitaminvorrat!) sah es lange bös aus. Die Nordseite lag völlig ungeschützt da, und feindliche Panzer hätten jederzeit ungehindert bis ans Haus gelangen können. Letzten Herbst, als wir diesen ewigen Nebel hatten und meine Nachbarn in Thailand waren, konnte ich dann endlich in aller Ruhe das Strassenbord und den Kinderspielplatz verminen. Von daher sollte jetzt keine unmittelbare Gefahr mehr bestehen.
Was mir ebenfalls Sorgen bereitet hat, ist das Dach. Die roten Ziegel sind von weit her zu sehen und wären allfälligen Luftangriffen völlig schutzlos ausgeliefert. Leider hat die Baukommission mein Gesuch abgelehnt, im Rahmen der Totalsanierung ein Flachdach aus Beton zu machen. Seit die Kinder nicht mehr da sind, brauchen wir das Obergeschoss sowieso nicht mehr, und so wäre ich die Konstruktion zwei Meter dick geworden. Jetzt mache ich das halt anders. Die Baukommission kann mir mangels Rechtsgrundlage nicht verbieten, auf dem Dach Zuckerrüben anzupflanzen. Und das Subventionsgesuch geht morgen ans Bundesamt für Landwirtschaft.
Fast ein wenig stolz bin ich dafür auf den Keller, den wir liebevoll Réduit nennen. Er ist mit allem ausgerüstet, um eine mehrjährige Belagerung zu überstehen. Achthundert Kilo Teigwaren, fünfzigtausend Schuss Gewehrmunition, zwei Kilometer Zahnseide, zwölf Paletten Essiggurken, an alles ist gedacht. Letzten Sonntag habe ich Checklisten für die wichtigsten medizinischen Fragen vom Internet herunter geladen und online das Nötigste an Operationsbesteck und Schmerzmitteln organisiert. Man weiss ja nie. Immerhin hat Vreni ihre Weisheitszähne immer noch drin, und mein Blinddarm ist auch noch da.
Bald ist wieder die jährliche Inspektion fällig. Vrenis Vater kommt immer am dritten Freitag im August vorbei, um das Zürigschnätzlets seiner Tochter mit einem feinen Burgunder zu geniessen und nebenbei mein Verteidigungsdispositiv zu überprüfen. Oder umgekehrt, ich weiss nicht, woran er mehr Freude hat. Als ehemaliger stellvertretender Regimentskommandant weiss er genau, worauf es ankommt. So hat er letztes Jahr sofort gesehen, dass die eingelagerte Trockenmayonnaise nur noch ein halbes Jahr lagerfähig ist. Auch die Akkus in den Funkgeräten haben seinem unbestechlichen Auge nicht standgehalten und mussten ersetzt werden. Ausdrücklich gelobt hat er jedoch die Videothek, und den Film „Bis zum letzten Atemzug“ wollte er sich gegen den Willen seiner Tochter nach dem Dessert noch ein viertes Mal anschauen.
Ich bin froh, dass die beiden wieder miteinander reden. Weil kürzlich die Lesung seines Werks „Die Schlammschlacht gegen den Gripen“ vor der Offiziersgesellschaft mit unserer Silbernen Hochzeit kollidiert ist, herrschte hier dicke Luft. Warum begreifen Frauen nicht, dass ein läppisches Hochzeitsdatum nicht den gleichen Stellenwert hat wie die Verteidigung unseres Landes gegen Hegemonialansprüche? Eigentlich müssten sie froh darüber sein, dass wir uns alle paar Jahre an der Front erschiessen lassen, damit sie zu Hause in Frieden Zwetschgen einmachen und Kinder gebären können.
Dieses Jahr wird Vrenis Vater noch einen Freund mitbringen. K. war früher Spezialist für die Sprengung von kriegswichtigen Bauten und könnte mir zeigen, wie ich im Ernstfall die Brücke unten am Dorfbach beseitige, falls feindliche Truppen das Dorf umgehen und von Westen her angreifen sollten. Dieses strategische Szenario ist durchaus realistisch, und meine letzten Beobachtungen bestätigen diesen Verdacht. So habe ich am Samstag in aller Frühe zwei mit Ruten ausgerüstete Ausländer beim Plündern der Fischbestände - die beste Proteinreserve für Krisen aller Art - ertappt. Mein Bericht liegt zur weiteren Bearbeitung im VBS.
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