DMZ – INTERNATIONAL ¦ Zoltán Kovács ¦
KOMMENTAR
Alles in allem geht es um ein schmutziges und hinterhältiges Doppelspiel der ungarischen Regierung, um an die Gelder aus Brüssel zu kommen. Die EU will auf keinen Fall, dass einer ihrer Mitgliedsstaaten Bankrott geht, weil sie damit sich selbst schwächen würde. Jetzt ist Krieg und sie muss Stärke zeigen.
Es geht bei dieser Verhandlung schlicht darum, ob Ungarn in der Lage ist, die Praxis der Korruption zu stoppen, die es seit mehr als zehn Jahren betreibt. Ob es gewillt ist, die Rechte der zivilen Organisationen zu respektieren. Die Regierung Orbán präsentiert in Brüssel beinahe täglich neue Vorschläge zur Bekämpfung der Korruption. Man testet, was der Union ausreicht. Dieses Schachern ist demütigend, aber das lässt die ungarischen Politiker kalt. In dieser Lage zählt nur, ob das Geld fließt.
Das könnte nämlich einen großen Einfluss auf ihre politische Karriere haben. Natürlich könnte man zukünftig auch im Rahmen normalen Regierens leben, dann wäre es nicht nötig, darüber zu verhandeln, was beispielsweise das akzeptable Maß an Demütigung ziviler Organisationen ist, über das die EU möglicherweise ein Auge zudrückt. Doch die Habgier, alles mitzunehmen, was noch greifbar ist, erweist sich stärker als jede Kleinlichkeit. Für die Regierung Orbán hat es keinen Wert, dass niemand gedemütigt wird. Bei der Korruption sollte man nicht über deren Grenzen diskutieren, sondern das ganze System abschaffen. Dann müsste man auch in Brüssel nicht als Bittsteller auftreten. Erfüllt Ungarn die in den Verhandlungen eingegangenen Verpflichtungen, drohen keine finanziellen Sanktionen mehr – sagt Tibor Navracsics, der ehemalige ungarische EU-Kommissar, der gegenwärtig im Namen der Orbán-Regierung in Brüssel verhandelt. Worüber er nicht spricht: sollte es eine Verpflichtung sein, dass die ungarische Regierung zukünftig rechtmäßig regiert? Ist es an sich nicht beschämend, wenn man dazu ein ernsthaftes Versprechen abgeben muss? Und es zählt wohl nicht, dass diese Bettelei das ganze Land demütigt?
Was ist in den vergangenen zwölf Jahren passiert? Die Regierung gab zwar vor, Europa und das Christentum zu schützen, gleichzeitig war aber das öffentliche Leben Ungarns von Korruption durchdrungen und die ungestörte Trickserei von Orbán und seinen Freunden wurde zur Grundlage des Regierens. Konnte man den Ärger nicht mehr leugnen, präsentiert man einige Figuren, die unhaltbar geworden waren. Wie verhalten sich dabei der Schutz des Christentums und die Korruption zueinander? Nur das Lügen und das Vorbeireden an den Dingen gehen weiter ohne Ende. Ein Beispiel: Während der Regierungschef die bestellten Zuhörer mit Schimpftiraden gegen die Multis konfrontiert, wird die schändlichste Praxis der Regierungskorruption verwirklicht, nämlich die sogenannte „strategische Zusammenarbeit“, mit denen die öffentlich beschimpften Multis Sonderrabatte erhalten. So wurde aus Ungarn die größte Montagehalle der deutschen Autoindustrie – stellte Gwendoline Delbos-Corfield, französische Abgeordnete im EU-Parlament fest. Das Problem ist offensichtlich nicht, dass sich in Ungarn große westliche Firmen niedergelassen haben – nein, denn das ist ja zu begrüßen. Aber wozu dieses Beschimpfen der bösen Multis, die ansonsten aber die Guten sind? Warum kann man nicht aufrichtig reden?
Was soll die von der Regierung mit großem Getöse angekündigte neue Behörde zur Vermeidung von Korruption? Ein Satz aus der Gesetzesvorlage: „Der Integritätsberater schlägt auf der Grundlage des Aktionsplans die Durchführung von Berufsethik- und Antikorruptionsschulungen für die Landesverwaltung vor und wirkt an deren Umsetzung mit“. Kann das jemand ernst nehmen?
Das ist doch nichts weiter als eine neue innerbetriebliche Kontrollabteilung eines Unternehmens. Die Regierung hat sich verpflichtet solche und ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Das kann die Europäische Union aber nur akzeptieren, wenn sie entweder ihre Augen verschließt oder aber sich wie ein Vollidiot verhält. Und genau das ist im Moment die einzige Hoffnung der ungarischen Regierung.
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